Finanzkrise – Resultat staatsmonopolistischer Regulierung der Wirtschaft

Die internationale Finanzkrise ist allgegenwärtig, nicht nur in den USA und in der EU. Sie zieht die gesamte Weltwirtschaft in ein noch nicht abzusehendes Chaos und sogar Länder in Staatspleiten. Mit vielen hektischen Aktionen werden von den Regierungen angesichts der Turbulenzen, Angstszenarien und der Panik des Kapitals staatliche Maßnahmenpakete zur Stützung der Banken und des internationalen Finanzmarktes in bisher nie gekannten finanziellen Dimensionen auf den Weg gebracht. Die zunehmenden Rufe nach dem Staat vor allem durch diejenigen, die bisher den Mythos der freien Marktwirtschaft so gepflegt haben, werden vielfach von Forderungen nach einer neuen Regulierung des Finanzsystems, einem neuen politischen Ordnungsrahmen für den kapitalistischen Funktionsmechanismus begleitet. Bürgerliche Wissenschaftler und Banker sprechen sogar von einer „systemischen Krise“ und verlangen staatliche Garantien für eine tragbare Neuordnung zur Sicherung des bestehenden Profitsystems. Unter den Linken hat ebenfalls ein reger Disput über den Zustand des gegenwärtigen Kapitalismus eingesetzt. Auch hier wird die Systemfrage gestellt, aber unter anderen und ganz unterschiedlichen Aspekten. Sie fragen danach, ob der Staat zurückkehrt und der Neoliberalismus in der Krise steckt, ob Staat und Ökonomie neu zu definieren oder ob man gar von einer Krise des Kapitalismus sprechen kann.

Die krisenhafte Erschütterung des gesamten Wirtschaftssystems markiert einen tief greifenden Einschnitt in die Entwicklung des Kapitalismus insgesamt. In dem gegenwärtigen politischen Wirrwarr sind wirksame Gegenstrategien jedoch nicht zu finden. In der Öffentlichkeit aber wird eine Tendenz ganz deutlich, die in der Entwicklung und Dominanz der monopolkapitalistischen Herrschaftsstruktur des Kapitalismus begründet ist: Der Staat greift direkt mit all seiner ökonomischen und politischen Potenz in die Wirtschaft ein, wenn die Existenz dieses Systems bedroht ist oder sich die Bedingungen für die monopolistische Kapitalverwertung gravierend verschlechtern. Deshalb kann es auch keine Lösung aus der Krise im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung geben, ohne generell dieses Gesellschaftssystem infrage zu stellen.


Staatliche Interventionen als Existenznotwendigkeit voranschreitender Monopolisierung

Zum Verständnis dieser gravierenden weltwirtschaftlichen Umbruchssituation soll hier ganz kurz auf die fast vergessene Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus zurückgegriffen werden. Dieses theoretische Konzept – mit Stamokap oder SMK-Theorie bezeichnet – war in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, gestützt auf grundlegende Arbeiten marxistischer Wissenschaftler, Bestandteil der Kapitalismusanalyse in der gesamten marxistischen Linken.1 Es knüpfte an Aussagen von Marx und Engels über die historische Tendenz des Kapitalismus an, dass die inneren Widersprüche der Kapitalverwertung den Kapitalismus immer stärker dazu zwingen, dem wachsenden gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte mit Formen des „Gesellschaftskapitals“ zu entsprechen, ohne die Gesellschaftsordnung überwinden zu können – gezeigt an der Bildung der Aktiengesellschaften und der Funktion des Kreditwesens. Solche Formen gesellschaftlichen Kapitals entwickeln sich mit fortschreitender Monopolisierung der Wirtschaft, dem ökonomischen Monopol als „Kern der ganzen Sache“ (Lenin), weiter oder entstehen neu – stets als Anpassung an veränderte konkret-historische Bedingungen und auf Druck neuer gesellschaftlicher Herausforderungen. Man denke nur an die Herausbildung des Finanzkapitals oder der transnationalen oder internationalen Monopole. Und dies fordert immer stärker die „Staatseinmischung“ heraus. Rudolf Hilferding charakterisierte solch eine Entwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er schrieb: „Das Finanzkapital bedeutet die Vereinheitlichung des Kapitals. Die früher getrennten Sphären des industriellen, kommerziellen und Bankkapitals sind jetzt unter die gemeinsame Leitung der hohen Finanz gestellt, zu der die Herren der Industrie und der Banken in inniger Personalunion vereint sind. Diese Vereinigung selbst hat zur Grundlage die Aufhebung der freien Konkurrenz des Einzelkapitalisten durch die großen monopolistischen Vereinigungen. Damit ändert sich naturgemäß auch das Verhältnis der Kapitalistenklasse zur Staatsmacht.“2

Der Kern der SMK-Theorie begründet sich in der Aussage, dass mit der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte und dem raschen Voranschreiten der gesellschaftlichen Arbeitsteilung der Maßstab der „privaten“ Monopolisierung nicht mehr ausreicht, die Kapitalverwertung zu sichern. Es entwickelte sich infolgedessen der Staatsinterventionismus als eine permanente Erscheinung. „Im selben Maß wie die staatliche Gewalt ökonomisch wirksam wird, erweitert sich der Maßstab der monopolistischen Umverteilung und der Durchbrechung des Konkurrenzmechanismus. Der Staat hat mit allen seinen Gliedern die ganze Gesellschaft zum Wirkungsfeld, ganz im Gegensatz selbst zu den größten Monopolen.“3

Dass der Staat immer umfassender in das Wirtschaftsgeschehen einbezogen wird, ist eine charakteristische Besonderheit in der Entwicklung des Kapitalismus in seiner gesamten monopolistischen Phase. Auch die Internationalisierung des Kapitals oder Globalisierung sind ohne diesen staatsmonopolistischen Mechanismus nicht denkbar. Intensive Beziehungen zum Staat sind für die monopolistische Expansion eine Existenznotwendigkeit. Jedoch ist das Verhältnis von Staat und Monopolen äußerst ambivalent. Einesteils wirkt hier die unterschiedliche Lobby des Großkapitals in Konkurrenz miteinander ein, andererseits gestaltet sich der Eingriff des Staates in Abhängigkeit von den jeweils konkret-historischen Bedingungen gesellschaftlicher Entwicklung. Der Staat fungiert in diesem äußerst engen Beziehungsgeflecht keineswegs als bloßer Vollstrecker von Konzerninteressen. In seiner relativen Selbstständigkeit hat er nach wie vor gesamtgesellschaftliche, profitfremde Aufgaben wahrzunehmen, hat soziale Prozesse und Konflikte für den Erhalt der herrschenden Machtkonstellation zu sichern, aber möglichst bei gleichzeitiger Gewährleistung der monopolistischen Akkumulation. Staatliche Interventionen in die Wirtschaft unterliegen zudem dem jeweiligen politischen Kräfteverhältnis und sind daher auch durch andere gesellschaftliche Strömungen oder Bewegungen beeinflussbar. Oberflächlich erscheint die regulierende Funktion des Staates jedoch mit wachsendem Umfang, der Vielgestaltigkeit und der Neuartigkeit ihrer Methoden oft nicht als eine kapitalistische Form der Profitregulierung, sondern als ein im Interesse der Gesellschaft liegender Eingriff in die Wirtschaft.

Die Permanenz staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft charakterisiert den Kapitalismus in jeder Stufe seiner Entwicklung, aber mit beträchtlichen Unterschieden in Formen, Gewicht und auch in der Qualität sowie variablen Einsetzbarkeit. Zum Arsenal staatlicher Regulierungsmaßnahmen zählt das ganze Instrumentarium der staatlichen Wirtschaftspolitik von Subventionen, Steuermaßnahmen, Staatsaufträgen bis hin zu direkten Eingriffen in Wirtschafts- und Unternehmensstrukturen. Besonders mit der Internationalisierung der Wirtschaft, der immer engeren Verflechtung der Volkswirtschaften haben Umfang und Intensität staatlicher Interventionen in den Wirtschaftsprozess zugenommen.4 Im Zusammenwirken von Staaten und internationalen Organisationen verschiedenster Art – wie Institutionen der EU, der OECD, des IWF, der Weltbank sowie Weltwirtschafts- oder Finanzgipfel – mit dem internationalen Großkapital wird das sichtbar.

Hinzu kommt, dass das Verhältnis von Monopol und Staat sich nicht nur auf die Gesamtheit der sozialökonomischen und politischen Beziehungen bezieht, sondern auch direkt auf die Schwerpunktsetzung in der Gestaltung von Wirtschafts- und Sozialpolitik und ihre ideologische Begründung; d. h. die Staatseingriffe sind mit verschiedenen Varianten hinsichtlich Richtung und Inhalt verbunden.

Die gegenwärtigen Diskussionen um Neoliberalismus und Keynesianismus spiegeln das wider. Beide Varianten beruhen im Prinzip auf der gleichen sozialökonomischen Grundlage und in beiden Richtungen geht es um die Stabilisierung der kapitalistischen Wirtschaft angesichts ökonomischer Krisen oder unzureichender Akkumulationsbedingungen für das Kapital. Aber sie unterscheiden sich in der Schwerpunktsetzung der wirtschafts- und sozialpolitischen Eingriffe des Staates. Die neoliberale Richtung, seit den 40er und 50er und besonders verstärkt seit den 70er Jahren in den meisten Ländern vorherrschend, kann als eine konfrontative Variante oder ein radikalisiertes Modell der Kapitalverwertung bezeichnet werden. Mit einem Konzept für eine langfristige Wirtschaftspolitik orientiert sie auf eine „marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung“ mit „freiem Wettbewerb“ als zentrale Kategorien und einen „starken Staat“ oberhalb der Wirtschaft, der die „Rahmenbedingungen“ für die Kapitalverwertung setzt. Dazu zählt ein ganzes Arsenal die Kapitalexpansion begünstigender Maßnahmen wie Privatisierung des öffentlichen Eigentums, Deregulierung, Rücknahme staatlicher Investitionen und Steuerungen, Abbau sozialer Sicherungssysteme usw. Hingegen setzt die keynesianische Variante, entstanden in der Zeit nach der großen Krise 1929 bis 1932 und in den USA als „New Deal“ oder in Deutschland, Italien und anderen Industrieländern vielfach seit den Nachkriegsjahren bis in die 70er Jahre hinein als wirtschaftspolitisches Konzept gültig, auf eine antizyklische und nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik, um die Wirtschaft anzukurbeln. Sie beinhaltet staatlich finanzierte Investitionen, auch durch Staatsverschuldung, sowie beschäftigungs- und sozialpolitische Maßnahmen. Diese Variante ist allerdings auch unter dem neoliberalen Dogma immer im militärischen und rüstungswirtschaftlichen Bereich präsent.

In der keynesianischen Variante mit ihrer makroökonomischen Steuerung sehen viele Linke heute die Chance für eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik mit Richtung auf eine gerechtere Wirtschaftsordnung. Dass diese Richtung staatsmonopolistischer Regulierung demokratischen Kräften und Linken eher die Möglichkeit bietet, alternative Vorstellungen in Wirtschaft und Gesellschaft einzubringen und entsprechend den politischen Konstellationen auch durchzusetzen, zeigt das gegenwärtig viel diskutierte „Schwedische Modell“. Es ist eine ganz spezifische Form nationaler staatmonopolistischer Entwicklung auf Grundlage eines sozialen Kompromisses zwischen Arbeit, Kapital und Staat, entstanden nach der Weltwirtschaftskrise 1929 und aufgrund der politischen Kräftekonstellation mit starken Gewerkschaften und einer starken Sozialdemokratie in Schweden. Das bedeutet, dass bei einer starken antikapitalistischen politischen Kraft sich zumindest eine auf mehr soziale Gerechtigkeit und Beschäftigungssicherung gerichtete Variante durchsetzen kann. Sie hat jedoch keinen Bestand, wenn nicht grundsätzlich die sozialökonomische Grundstruktur, die Macht und politischen Einfluss des Kapitals begründet, verändert wird. Auch das zeigt die jetzige neoliberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in Schweden.


Finanzmarkt als parasitäre Begleiterscheinung monopolistischer Expansion 

Die heutige Wucht der Krise ist das Ergebnis einer rigorosen profitorientierten Regulierung von Ökonomie und Gesellschaft auf Grundlage der neoliberalen Ausrichtung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Vielfältige Maßnahmen der Steuerpolitik, der Deregulierung und Liberalisierung der Märkte sowie eine groß angelegten Privatisierungskampagne haben die Kapitalverwertung des Großkapitals wesentlich verbessert, gleichzeitig damit aber auch die Voraussetzungen für eine riesige Spekulationsblase geschaffen. Keineswegs kann man deshalb für die letzen Jahrzehnte von einer „Dominanz der Zurückdrängung staatlicher Interventionen“ sprechen. Staat und staatliche Institutionen haben vor allem im letzten Jahrzehnt auf nationaler und internationaler Ebene mit einer Vielzahl von Gesetzen und anderen Maßnahmen die Expansion der Konzerne in neue und profitable Anlagesphären begünstigt. Hingewiesen sei hier nur auf die gesetzgebenden Maßnahmen der rot-grünen Regierung der Bundesrepublik seit 1998. Zu Beginn des Jahres 2001 trat die Unternehmenssteuerreform in Kraft, durch die den Unternehmen jährlich etwa 12 Milliarden Euro an Steuerabgaben erspart blieben. Die ebenfalls eingeführte „Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne“ beim Verkauf deutscher Unternehmen erbrachte weitere steuerliche Begünstigungen. Hinzu kamen Milliardengeschenke an die Großunternehmen durch Aussetzen der Vermögenssteuer, Kürzung des Spitzensteuersatzes, Senkung der Gewinnssteuer. Zu Beginn des Jahres 2004 trat das „Investment-Modernisierungsgesetz“ in Kraft. Es ermöglichte die Zulassung der Hedge-Fonds in Deutschland, mit deren Zertifikaten ein spekulativer Handel betrieben werden konnte. Außerdem wurden die Anforderungen an den Börsenhandel gelockert, Anlagemöglichkeiten von Fonds erweitert, der Handel mit Derivaten im Immobilienhandel erlaubt und eine „Bankaufsicht mit Augenmaß“ zugelassen.

Auch im EU-Rahmen wurden vielfältige staatliche Instrumentarien geschaffen, die mit dem Ausbau der Finanzdienstleistungsmärkte vor allem den Großbanken und anderen großen Finanzinstitutionen den Zugang zu neuen Kapitalmärkten erleichterten. Neben flexibleren Kapitalvorschriften für Unternehmen oder der günstigen Kreditvergabe der Europäischen Zentralbank an Großunternehmen ist vor allem die Finanzmarktintegration zu nennen. Auf der Grundlage des im Jahr 1999 verabschiedeten Financial Services Action Plan (FSAP) 1999-2005 mit einer Vielzahl von Maßnahmen und des Weißbuches „Finanzdienstleistungspolitik 2005-2010“ als Fortsetzung ist sie durch eine weitgehende Liberalisierung der Kapitalmärkte auf die Expansion der Großbanken im europäischen Wirtschaftsraum und auf eine groß angelegte Kapitalmobilisierung durch Erschließung profitabler Finanzierungsquellen ausgerichtet. Selbst in der jetzigen Krise können die Banken aufgrund neuer gelockerter EU-Bilanzregeln Steuergewinne erzielen und damit größere Verluste verhindern. Letztlich waren auch die internationalen Organisationen wie der Internationale Währungsfonds IWF und Weltbank, die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung Vorreiter des neoliberalen Kurses. Sie knüpften die Bereitstellung von Finanzmitteln für Projekte an Bedingungen, beispielsweise an Privatisierungen, die den Geschäftsbanken und anderen Finanzinstitutionen über neue Finanzierungsformen hohe Renditen garantierten. 

Auf der anderen Seite der staatlich begünstigen Kapitalakkumulation hat es in allen kapitalistischen Industrieländern in den letzten Jahren einen gesetzlich betriebenen Sozialabbau gegeben. Im Ergebnis umfangreicher „Reformen“ veränderte sich die Primärverteilung zwischen Löhnen und Profiten zugunsten des Großkapitals, ablesbar an der Zunahme der enormen Profite mächtiger Konzerne. So erhöhte sich in Deutschland die Gewinnquote am Volkseinkommen von 2000 bis 2007 von 27,8 auf 35,4 Prozent, während die Löhne stagnierten und real aufgrund der Preiserhöhungen und der Steuerpolitik sogar sanken. In der Konsequenz bot die dadurch beschränkte kaufkräftige Nachfrage für die gestiegenen Gewinne der Konzerne in der Realwirtschaft keine profitablen Aussichten mehr. Der Strom an überschüssigen Profiten in die liberalisierten rentablen Anlagesphären auf den Finanzmärkten schwoll an, zumal immer neue „innovative“ Finanzprodukte Superrenditen versprachen. Banken, Fonds, Versicherungen, Finanzinstitute internationaler Konzerne jagten auf den Finanzmärkten die Renditen im Verhältnis zur Realwirtschaft mit sinkenden Profitraten in astronomische Höhen, verstärkten den Sog für Anlage suchendes Kapital in der Finanzsphäre.

Die neoliberale Regulierung – zielgerichtet auf Begünstigung des Großkapitals bei der Erschließung von Finanzierungsquellen orientiert – hat weltweit die Überakkumulation von Geldkapital im bisher nicht gekannten Ausmaß vorangetrieben und den Finanzmarkt außerordentlich ausgeweitet. Riesige Geldmengen vagabundierten dort in den letzten Jahren. Der isw-Report Finanzkapital5 veranschaulicht dies mit folgenden Angaben internationaler Institutionen:
• Das globale private Geldvermögen, das von Banken, Fonds, Versicherungen und anderen Finanzinstituten verwaltet wird, erhöhte sich im Zeitraum von 1999 von 71,5 Billionen bis 2007 auf mehr als 100 Billionen Dollar, 
• das Finanzvermögen der Dollar-Millionäre stieg im Zeitraum von 1997 bis 2007 von 19,1 Billionen auf 40,7 Billionen Dollar und 
• die Institutionellen Anleger wie Pensionsfonds, Investmentfonds und Versicherungen hatten in den zehn Jahren von 1995 bis 2005 ihre eingesammelten Mittel von 21 auf 56 Billionen Dollar erhöht. 

Im Ergebnis dieser Entwicklung wuchs die Kluft zwischen Real- und Finanzwirtschaft außerordentlich an. Im Jahre 2007 standen einem Weltsozialprodukt von 50 Billionen US-Dollar Finanzaktiva in Höhe von 500 Billionen Dollar gegenüber. Diese Diskrepanz zeigt an, in welchem Grade der Kapitalismus „finanzmarktgetrieben“ ist, um das auf Maximalprofit orientierte System über Umverteilung und Enteignungen aufrecht zu erhalten. 

Die relative Verselbstständigung der Finanzsphäre gegenüber der Realwirtschaft ist generell ein Grundzug in der Entwicklung des monopolistischen Kapitalismus. Sie ist das Ergebnis der enormen Weiterentwicklung der Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalfunktion mit dem stürmischen Voranschreiten der Produktivkräfte. Es ist die Art, wie sich das Finanzkapital als zentralisiertes und monopolisiertes Eigentum überhaupt noch realisieren kann. Nur mit der finanzkapitalistischen Loslösung und Konzentration des Eigentums in neuen Formen erreicht das Kapital die erforderliche Größe, Beweglichkeit und Elastizität, um sich national und international zu verflechten. „Das Charakteristische der Rolle des Finanzkapitals erschöpft sich“, schrieb Peter Hess vor zwanzig Jahren6, „nicht im enorm anwachsenden unmittelbaren Kreditüberbau der Konzerne. Wesentlich ist die stürmische Eigendynamik der sekundären, tertiären usw. Märkte für zinstragendes Kapital. Die sich für diese Geschäfte bildenden Märkte kommen auf differenzierte Weise zustande, haben unterschiedliche Bewegungs- und Verwertungsbedingungen … Bei jedem einzelnen derartigen Geschäft schieben sich Banken und Bankkonsortien, Investmenthäuser, Geldfonds usw. dazwischen, die das Geschäft betreiben und daraus ihren Profit ziehen. Es ist dies Spekulation in riesigem Umfang, Parasitismus im Quadrat – aber beide sind notwendig im heutigen Kapitalismus.“

Profiteure dieser Entwicklung auf dem internationalen Finanzmarkt waren in erster Linie die den Markt dominierenden Großbanken, die mit einer Vielzahl von „Produktinnovationen“ maximale Renditen erzielt haben. So schreibt „diebank“7 noch mit Bezug auf eine Analyse für das Jahr 2006: „Der Trend ist beeindruckend: In ihrer Gesamtheit kennen die 1 000 größten Banken in puncto Erträge und Profitabilität nur eine Richtung – nach oben.“ (Vgl. Tabelle). Auch das neueste Hauptgutachten der Monopolkommission8 konstatiert die weiter gestärkte Position der größten deutschen Banken. So erhöhten die 10 größten Kreditinstitute ihren Marktanteil, gemessen an der Bilanzsumme aller Kreditinstitute in Deutschland, von 47,7 im Jahr 2004 auf 51,3 Prozent 2006. Die Deutsche Bank als größte deutsche Monopolbank und mit Platz 11 im Rang des internationalen Finanzkapitals unter den 1000 mächtigsten Banken der Welt ist in das Finanzdebakel involviert. Aufgrund ihrer internationalen Struktur und Engagements im Investmentsektor sowie durch ihre Position national und international innerhalb der Bankenlobby ist sie als Berater für die spekulativen Investmentgeschäfte auf dem US-Immobilienmarkt und durch ihre Kreditpolitik gegenüber der Industriekreditbank (IKB)9 mitschuldig an deren Crash. Zugleich zieht die Deutsche Bank aus der krisenhaften Situation Nutzen, indem sie dubiose Spezialanleihen in Kernkapital umwandelt und so ihr Eigenkapital erhöht. Mit einem Wachstumsprogramm will sie bis 2012 europaweit in den Privat- und Geschäftskundenbereich mit rund 400 neuen Filialen weiter expandieren, um vom „schwankungsanfälligen Investmentgeschäft“ unabhängiger zu werden.

Konform mit der riesigen Kumulation finanzieller Mittel auf dem Finanzmarkt beschleunigte sich das Tempo der Kapitalkonzentration. In der EU wurden 2006/2007 mit 758 Zusammenschlüssen von der Wettbewerbsbehörde mehr Fälle notifiziert als zur Zeit der großen Fusionswelle 2000/200110. Zugleich ist aber die Finanzkrise Ausgangspunkt eines weiteren machtvollen Konzentrationsprozesses, auch wenn es zum Jahresende 2008 bei den Private-Equity-Gesellschaften (Beteiligungsgesellschaften), die über ihre Fonds weltweit Geld eingesammelt, Unternehmen gekauft und – vom Fiskus steuerbefreit – profitabel wieder verkauft haben, krisenbedingt einen Rückgang im Übernahmevolumen gibt. Die Zentralisation des finanzkapitalistischen Eigentums setzt sich fort. Großkonzerne steigen bei den krisengeschwächten Konkurrenten ein und stärken ihre Machtposition. So übernimmt die Bank of America den Finanzdienstleister Merill Lynch. Die französische Bank BNP Paribas beteiligt sich beim angeschlagenen belgisch-niederländischen Finanz- und Versicherungskonzern Fortis für 14,5 Milliarden Euro und wird damit zur größten Bank in der Euro-Zone. Die Deutsche Bank hat sich den Einstieg in die Postbank gesichert und die Commerzbank übernimmt die Dresdner Bank vom Versicherungskonzern Allianz AG. Letzterer wiederum will sich mit 2,5 Milliarden Dollar an dem krisengeschüttelten US-Finanzdienstleister Hartford Financial beteiligen. 

Während also über den Finanzmarkt auf der einen Seite ein gewaltiger Reichtum in Kapitalform angehäuft werden kann und der internationale finanzkapitalistische Monopolisierungsprozess voranschreitet, findet zugleich eine gewaltige Kapitalenteignung und -Vernichtung statt. Den Höhepunkt bildet das Platzen der Spekulationsblase mit milliardenschweren Wertverlusten. Vom IWF werden im Oktober 2008 der Abschreibungsbedarf der Banken auf 1,4 Billionen US-Dollar und der globale Verlust der Finanzunternehmen auf 2,8 Mrd. US-Dollar geschätzt.

Für dieses Debakel in der Finanzwelt ist der Staat durch seine Interventionen mitverantwortlich. In allen entwickelten Staaten hat er mit der neoliberalen Politik diesen Prozess vorangetrieben. Das hat dazu beigetragen, dass der Finanzmarkt als wesentliche Funktionsbedingung der Wirtschaft zur Drehscheibe einer unkontrollierten Kapitalmacht mit undurchsichtigen Geschäften und zügellosen Kreditvergaben geworden ist.


Krisenlösung in Richtung auf Stabilisierung des finanzkapitalistischen Systems

Heute entsteht für den Kapitalismus eine qualitativ neue Situation, denn die Finanzkrise hat mit dem neoliberalen Kurs staatlicher Regulierung das internationale Wirtschaftssystem direkt an den Abgrund geführt. Die Folgen für die gesamte Gesellschaft sind noch gar nicht absehbar, zumal sich der Zusammenbruch der Finanzmärkte mit den schon länger wirkenden Faktoren der konjunkturellen Rezession immer enger verknüpft. Die bedrohliche Lage stellt daher für das dominante Großkapital und ihre politischen Interessenvertreter eine große Herausforderung an die Entwicklung des staatsmonopolistisch geprägten Wirtschaftssystems dar. Dass die Weichen für eine andere Richtung im Regulierungsmechanismus gestellt werden müssen, wird vor allem angesichts der internationalen Dimension der Krise immer offensichtlicher. Eine neue richtungweisende Strategie aber ist überhaupt noch nicht angedacht oder sichtbar. Das Umdenken im bürgerlichen Lager darüber hat erst begonnen. „Eines ist sicher“, sagte Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz in einem Interview11, „die Philosophie der Deregulierung ist tot.“ Dennoch weisen die ersten Verlautbarungen der Herrschaftseliten und die beschlossenen Maßnahmen bereits darauf hin, dass die bisherige neoliberale Variante als radikalisiertes Modell der Kapitalverwertung für das Finanzkapital modifiziert fortgesetzt werden wird.

Die Aktivitäten der Staats- und Regierungschefs der führenden kapitalistischen Staaten und der Banken- und Unternehmerverbände dazu sind atemberaubend und hektisch, was die Vielzahl der Treffen, Gipfel und Pläne dokumentiert. Auch wenn sich solche Vorschläge wie die des französischen Regierungschefs Nicolas Sarkozy zur Bildung einer gemeinsamen EU-Wirtschaftsregierung aufgrund der nationalen Konkurrenzinteressen als ein Luftschloss erweisen, so versuchen doch die Staatchefs der Industriestaaten angesichts der bedrohlichen Situation stärker zu Gemeinsamkeiten zu finden. Zwar konnten sich die EU-Länder in Vorbereitung auf den Washingtoner Weltfinanzgipfel G20 im November 2008 zumindest auf die Forderung nach einer Strategie zum Umbau des Weltfinanzsystems einigen. Mehr als eine Erklärung mit einigen Grundsätzen zu „verhältnismäßiger und angemessener Regulierung oder zumindest Aufsicht“ und der Ankündigung zu einer „umfassenden Reform der internationalen Finanzmarktarchitektur“ hat allerdings der internationale Finanzgipfel von Vertretern der wichtigsten Länder, die etwa 85 Prozent der Wirtschaftskraft der Welt vertreten, bisher nicht gebracht. Aber er unterstreicht, dass sich angesichts der internationalen ökonomischen Krisen- und politischen Kräftesituation in der Welt die von der monopolkapitalistischen Konkurrenz getragene Balance zwischen Gemeinsamkeiten und Rivalitäten etwas mehr zugunsten „internationaler Koordinierung“ und „geordneter Märkte“ neigt. Dies ergibt sich sowohl aus dem Interesse am Erhalt dieser auf Profit orientierten Ordnung als auch an der Entwicklung gegenseitiger ökonomische Beziehungen in der sich wandelnden Welt. Trotzdem bleiben die Interessenkonflikte zwischen den Staaten immanent, denn die jetzigen nationalen Lösungen werden vor allem auch im Interesse der Stärkung der Konkurrenzfähigkeit des jeweiligen dominierenden Großkapitals getroffen.

Wie prekär die ganze Situation für die weitere Existenz des kapitalistischen Systems geworden ist, wird an den gigantischen Mitteln und Maßnahmen deutlich, um den Absturz ihrer Volkswirtschaften zu verhindern. Noch nie hat es in der Geschichte der kapitalistischen Krisen einen solchen massiven staatlichen Eingriff in die Wirtschaft gegeben. Und eines wird hierbei klar: So notwendig die Pläne zu einer raschen Stabilisierung des Finanzsystems auch sein mögen, die Kosten des Finanzdebakels haben nicht die Profiteure, sondern die Steuerzahler zu tragen.

Gerungen wird zunächst um eine Krisenbewältigung der Finanzsphäre auf nationaler Basis. Es sind Unsummen, die von den Staaten für die Rettung ihres Finanzmarktes für Bankgarantien, Eigenkapitalfinanzierung und den Aufkauf fauler Kredite bereitgestellt werden – insgesamt bisher mit über 3200 Mrd. Euro beziffert. Für die USA werden 519, für Großbritannien 571, für Deutschland 500, für Frankreich 360, für die Niederlande 220 und für Spanien 100 Mrd. Euro genannt12. Auf der Ebene der Europäischen Union will die EU-Kommission den angeschlagenen Mitgliedstaaten mit einem europäischen Rettungsfonds in Höhe von 25 Milliarden Euro helfen. Ungarn, als erstes Mitgliedsland, erhält nicht nur eine Milliarde aus diesem Fonds, sondern auch noch einen Kredit von 6,5 Mrd. Euro sowie 12,5 Mrd. vom IWF und 1 Mrd. von der Weltbank. Auch andere Staaten wie Russland und China sind von der in den USA ausgelösten Finanzkrise betroffen und reagieren darauf mit staatlichen Maßnahmen zur Absicherung ihrer Wirtschaft.

Bei aller Differenziertheit getroffener Maßnahmen wird in den führenden Industriestaaten die finanzkapitalistische Ausprägung der massiven Staatsinterventionen sichtbar. So wurde von der Bundesregierung im Oktober 2008 ein bis 2009 datierter „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ vorgestellt und innerhalb einer Woche vom Bundestag beschlossen. Er soll mit einem dafür vorgesehenen „Risikoschutzschirms“ in Höhe von 400 Mrd. Euro und einem bereitgestellten Kreditvolumen von 80 Mill. Euro sowie 20 Mrd. Euro für eventuelle Ausfälle den Geldfluss zwischen den Banken wieder ankurbeln und die Eigenkapitalbasis der Kreditinstitute stärken. Der Plan enthält eine Reihe technischer Regelungen, so zum Rechtsanspruch, zur Garantie- und Kreditermächtigung, zur Rekapitalisierung der Banken und Änderung der Bilanzierung. Mit den allergrößten Vollmachten für den Finanzminister stellen sie zwar staatliche Eingriffe in den Finanzmarktmechanismus dar, sind dennoch klar auf die Stabilisierung und Stärkung finanzkapitalistischer Strukturen ausgerichtet. Dies ist kein Wunder, denn an diesem Konzept arbeitete die Bankenlobby mit. Neben Vertretern des Kanzleramtes, des Finanzministeriums und der Bundesbank waren der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Klaus-Peter Müller, der Vorstand der Deutschen Bank, Josef Ackermann, und der Chef der Commerzbank, Martin Blessing, beteiligt.13 Damit findet der Plan zugleich auch die Unterstützung der gesamten herrschenden Wirtschaftselite. Hervorgehoben wird von den Unternehmerverbänden, dass man die „richtige Orientierung“ gefunden habe, um die „systemstützenden Banken“ mit Kreditmitteln abzusichern.

Obwohl die Folgen und die finanziellen Kosten dieser Krise noch unabsehbar sind, wird mit großer Medienwirksamkeit der Öffentlichkeit dieses in aller Eile geschnürte Rettungspaket als eine im Interesse der gesamten Bevölkerung liegende Maßnahme vermittelt. Dahinter verschwindet ganz der Inhalt dieser Aktion als eine kapitalistische Form zur Sicherung des Renditesystems des monopolistischen Bankwesens. Weil die Lage am Finanzmarkt alle betrifft, wird um „Vertrauen“ geworben, „Zuversicht“ zu vermitteln gesucht und mit Blick auf den „sozialen Frieden“ mit solchen staatsmännischen Floskeln der Bundeskanzlerin Angela Merkel unterlegt: „Wir tun das nicht im Interesse der Banken, sondern im Interesse der Menschen.“ 

Eine Rolle in all den Aktionsplänen verschiedener Länder spielt die Verstaatlichung oder Teilverstaatlichung der Banken auf Zeit. In den USA hat die Regierung bereits einige Finanzinstitute unter staatliche Kontrolle gestellt und nun 250 Mrd. Dollar aus dem Haushalt für den Einstieg in die Banken bereitgestellt, hat Aktien der acht größten Banken übernommen und ist mit 80 Prozent auch Mehrheitseigner der größten Versicherungsgesellschaft, der American International Group (AIG). In Großbritannien wird der Staat zum Banken-Großaktionär. Die Regierung ist dabei, acht der größten Banken teilweise zu verstaatlichen. Die Finanzierung durch Steuergelder soll sich nach Berechnungen von Finanzanalysten auf 2 000 Pfund pro Kopf der Bevölkerung belaufen. Die italienische Regierung will „im Notfall“ Aktien kriselnder Institute übernehmen. In Spanien wird ein 50 Mrd. Euro schwerer Staatsfonds geschaffen, der sich auch an Banken beteiligen kann.14 Auch im „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ der Bundesregierung Deutschland ist eine Option zur staatlichen Beteiligung enthalten, d. h. der Staat kann sich an einer Rekapitalisierung der Banken beteiligen, indem er wie ein Aktionär Anteile oder stille Beteiligungen erwirbt. In Island steht aufgrund der riesigen Auslandsverschuldung mittlerweile das ganze Banksystem unter staatlicher Kontrolle.

Ganz sicher ist die Verstaatlichung für das Finanzkapital eine Horrorvorstellung und löst Schrecken aus, sieht es sich doch dadurch in seiner Existenz bedroht. Aber Verstaatlichung ist generell keine sozialistische Maßnahme. Staatseigentum hebt, wie Friedrich Engels im Anti-Dühring schreibt, das Kapitalverhältnis nicht auf, treibt es auf die Spitze, „aber es birgt in sich das formelle Mittel, die Handhabe zur Lösung“15. Die Banken fürchten daher diese Maßnahme wie der Teufel das Weihwasser. Selbst in den Teilbeteiligungen des Staates sehen sie einen Einfluss auf ihre Geschäftsstrategie. „Natürlich ist das ordnungspolitisch katastrophal. Aber wenn das Haus brennt, kann man keine Grundsatzdebatten mehr führen“, so die Meinung eines Bankmanagers. Die Regierungen beeilen sich daher auch mit Erklärungen, dass staatliche Beteiligungen keine Zielsetzung, sondern nur eine Notmaßnahme seien, die bei wirtschaftlicher Gesundung des Marktes wieder rückgeführt werde. 

Das unterstreicht den Fakt, dass diese staatlichen Eingriffe zur Rekapitalisierung der Banken in erster Linie Maßnahmen zur Sicherung des finanzkapitalistischen Eigentums sind, um die „mögliche Kernschmelze des Systems“ zu verhindern.

Dass die staatlichen Beteiligungen auf Sozialisierung der Verluste der Banken hinauslaufen, zeigt sich beim ersten Anlaufen der Rettungspakete für die Banken in zweierlei Hinsicht. Einmal sind die Sicherungsleistungen des Staates mit keinerlei Entscheidungsrechten über die Strategie oder Geschäftspolitik der Bank verbunden. Zum anderen ist das Führungsgremium des Finanzmarktstabilisierungsfons, der Lenkungsausschuss, bei der Bundesbank angesiedelt und diese hat als Refinanzierungsquelle der Geschäftsbanken einen kurzen Weg zu den haushaltspolitischen Entscheidungen der Regierung.

Die massiven Staatsinterventionen berühren nicht die Ursachen der Krise, die in der Dominanz des Profitsystems begründet ist. Sie dokumentieren vor allem die Unfähigkeit für eine Erfolg versprechende Lösung der Finanzkrise im Interesse der von wirtschaftlichen Unsicherheiten bedrohten Bevölkerung. Aber sie unterstreichen zugleich die Notwendigkeit zu einem Wandel im Regulierungssystem. Die herrschenden wirtschaftlichen Eliten orientieren daher auf einen neuen „politischen Ordnungsrahmen“, auf „besseres Regelwerk“, das weiterhin die „Freiheit der Märkte“ sichert. So plädiert Josef Ackermann von der Deutschen Bank für ein äußerst enges Verhältnis von Staat, Bundesbank und Banken, um den Standortvorteil des Finanzplatzes Deutschlands in der Welt zu sichern. Als Chef des internationalen Weltbankenverbandes IIF forderte er zugleich in einem Schreiben an den Präsidenten der Vereinigten Staaten und an die Vertreter des Weltfinanzgipfels G20: „Hilfspakete dürfen nicht die Grundlage für eine dauerhaft größere Rolle des öffentlichen Sektors im internationalen Finanzsystem sein.“16 Die „Handhabe zur Lösung des Problems“ muss jedoch eine völlig andere sein, denn wir haben es heute mit einem bedeutenden Einschnitt in die Entwicklung des Kapitalismus, mit einer großen Instabilität des gesamten Systems zu tun. Nicht nur dass das Volumen der Verstaatlichungen – bisher die größte in der Geschichte des Kapitalismus – mit der Sozialisierung der Verluste auf Kosten der Steuerzahler geht und weitere gravierende Folgen für die sozialen Sicherheitssysteme hat. Die Finanzkrise mit ihrer staatsmonopolitischen Lösung leitet weltweit ein neues System der Enteignung und Ausbeutung ein. Firmenzusammenbrüche, Rationalisierungsschübe, Veränderungen von Konzernstrukturen verbunden mit Arbeitsplatzverlusten, Lohndruck und die drohende Abwälzung der Lasten auf die Entwicklungsländer sind dafür die Rahmendingungen. Die Zeit ist reif für eine neue Regulationsweise des Wirtschafts- und Finanzsystems. Diese muss – wenn man nur an die großen Herausforderungen wie Armut und Hunger, Klima und Energie in der Welt denkt – demokratisch und international sein. Radikal wie die Wirklichkeit sollten die Linken und alle demokratischen Kräfte in die Offensive gehen und mit Nachdruck in der Öffentlichkeit auf einen Kurswechsel zu einer staatlichen Regulierung drängen, in der nicht die mächtigsten Konzerne die Richtung bestimmen und die nicht auf der alten, überholten finanzkapitalistischen Grundlage mit ihren Machtverhältnissen fußt. 

Gewinne der größten 1000 Bankenkonzerne in der Welt
 Jahr    Mrd. US-Dollar
 1998   174,4
 1999   309,7
 2000   317,0
 2001   222,8
 2002   252,4
 2003   417,4
 2004   544,1
 2005   645,1
 2006   786,3
 2007   780,8
Quelle: The Banker  


1 Horst Heininger, Monopolkapital und staatsmonopolistische Regulierung heute – Zur Aktualität der Herforder Thesen, in: Topos, Napoli, Heft 16, Dezember 2000, S. 41 ff.  
2 Rudolf Hilferding, Das Finanzkapital, Berlin 1947, S. 408 
3 Rudi Gündel, Horst Heininger, Peter Hess, Kurt Zieschang, Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, das europäische buch, Westberlin 1967, S. 323
4 vgl. Horst Heininger, Lutz Maier, Internationaler Kapitalismus, Tendenzen und Konflikte staatsmonopolistischer Internationalisierung, Berlin 1987
5 isw-Report Nr. 75: FINANZKAPITAL „Entwaffnet die Märkte“, München September 2008, S. 4
6 Peter Hess, Das Finanzkapital – Eigentumsform der Produktivkraftentwicklung im gegenwärtigen Kapitalismus, in: IPW-Berichte, 9/1989
7 Vgl. diebank, Berlin Nr. 10/Oktober 2008
8 Siebzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2006/2007 a. a. O., S. 168
9 vgl. Jürgen Elsässer, Die gefährlichste Bank Deutschlands, Neues Deutschland, Berlin v. 8.10. 2008
10 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, DS 16/10140, Siebzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2006/2007 19.08.2008, S.34
11 Berliner Zeitung, Berlin v. 9.10.2008
12 Der Spiegel, Hamburg 46/2008, S. 61
13 FTD, Hamburg v. 12.10.2008
14 vgl. dazu : Volkseigene Bank, in Berliner Zeitung, Berlin vom 10.10.2008
15 Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, Berlin 1957, S. 345
16 FTD, Hamburg, v. 11.11.2008