Anuscheh Farahat
Die Einführung des Elterngelds soll nach Angaben des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFJ) dazu dienen, "jungen Müttern und Vätern einen Schonraum zu geben, sich ohne finanziellen Druck Zeit für ihr Neugeborenes zu nehmen". Dabei macht der Kontext der Debatte durchaus deutlich, welche Mütter und Väter hier im Mittelpunkt stehen. Vor dem Hintergrund der Diskussion um demographische Entwicklung und Überalterung wurde der Geburtenrückgang und insbesondere der angeblich extreme Geburtenrückgang bei Akademikerinnen als das Grundübel der Familienpolitik identifiziert.
Gewinner und Verlierer des Elterngeldes
Angesichts dieser Problemanalyse verwundert es nicht, dass die neue gesetzliche Regelung zum Elterngeld rund 240.000 Haushalte unter den Geringverdienenden und EmpfängerInnen von ALG II finanziell deutlich schlechter stellt als bisher. Während nämlich das frühere Erziehungsgeld über 24 Monate gezahlt wurden, verkürzt sich der maximale Bezugzeitraum nun auf 14 Monate. Für all jene Familien, die bisher die 300 Euro (Maximalbetrag des Erziehungsgeldes), und auch jetzt 300 Euro (Grundbetrag des Elterngeldes) erhalten, bedeutet dies eine deutliche Einbuße. Hinzu kommt, dass das alte Erziehungsgeld nur an Paare gezahlt wurde, die weniger als 30.000 Euro bzw. an alleinverdienende Eltern, die weniger als 23.000 Euro im Jahr verdienten. Auf das Elterngeld haben dagegen alle Anspruch, es beträgt immer 67 Prozent des letzten Nettogehalts, aber maximal 1800 Euro. Haushalte mit mittlerem oder höherem Einkommen, die bislang keine oder nur eine geringere Förderung erfahren haben, sind somit die Gewinner der Neuregelung. Für Geringverdienende gilt dagegen einmal mehr die Feststellung des Armutsberichts: Wer Kinder hat, unterliegt
einer deutlich größeren Gefahr arm zu werden und es dauerhaft zu bleiben.
Diese soziale Selektivität ist politisch gewollt, um nach den Worten des Spiegel, "den produktiven Kern der Gesellschaft" zur Reproduktion zu motivieren. Dabei ist die Rede vom Gebärstreik der Akademikerinnen empirisch kaum haltbar: Entgegen der verbreiteten Behauptung, 40 Prozent der Akademikerinnen seien kinderlos, kommt die Forschung darüber, wie solche Zahlen überhaupt zustande kommen, zu einem anderen Ergebnis. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Demographie hat dargelegt, dass die bisherigen statistischen Erhebungsmethoden zur Erfassung der Geburtenentwicklung insgesamt mangelhaft sind. So wird beispielsweise nach den im Haushalt lebenden Kindern gefragt - statt nach der Anzahl der Geburten einer Frau. Schätzungsweise sind etwa 30 Prozent der Akademikerinnen kinderlos, und damit kaum mehr als Frauen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen. Von Geburtenstreik kann also keine Rede sein.
Nur eine finanzielle Frage?
Jenseits dieser falschen Datenanalyse ist aber fraglich, ob sich die Entscheidung für oder gegen ein Kind tatsächlich auf eine finanzielle Frage reduzieren lässt. So ist das Problem der Kinderbetreuung und der Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Anforderungen auch über den ökonomischen Aspekt hinaus gerade für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger nach wie vor ungelöst. Solche Unsicherheitsfaktoren erschweren die Entscheidung für ein Kind - auch unabhängig von der finanziellen Ausstattung.