Haßprediger in Aktion

Das Lob des Präsidenten ließ nicht lange auf sich warten. Kaum hatten die "Südlichen Baptisten" auf ihrer Jahrestagung im Juni bekräftigt, ihren Kampf gegen

Abtreibung und Homosexualität verstärkt fortzusetzen und sich dabei auch nicht durch das Thema "Klimawandel", der ja ohnehin nicht von den Menschen verursacht werde, "ablenken zu lassen", da erreichte sie eine per Satellit übertragene Videobotschaft George W. Bushs. Er dankte ihnen für ihre vielfältigen Aktivitäten und betonte seine Verbindung mit ihrem "Eintreten für eine ›Kultur des Lebens‹, die die Zahl der Abtreibungen vermindern wolle".

Der Präsident weiß, wieviel Lob und Dank er den "Südlichen Baptisten", der mit 16 Millionen Mitgliedern größten protestantische Kirche in den USA, schuldet. Ohne ihre Unterstützung, der sich auch die meisten anderen protestantischen Gruppierungen mit großer Mehrheit anschlossen, wäre seine Wiederwahl 2004 nicht zustande gekommen.

Der Aufstieg der "Südlichen Baptisten" von einer christlichen Randgruppe zu einer Organisation, die Wahlen entscheiden kann, begann im 19. Jahrhundert, als sie sich den drei großen weltoffenen Glaubensrichtungen, den Anglikanern, Presbyterianern und Congregationalisten, die bis dahin in den USA als der Protestantismus galten, entgegenstellten. Ihr Credo war: Zurück zum Fundament unseres Glaubens, zurück zum Evangelium des Alten und Neuen Testamentes, dem jedes Wort von Gott persönlich eingegeben ist.

Daraus ergibt sich nach ihrem Verständnis, das bis heute gilt und inzwischen von 27 Prozent der organisierten weltweiten Christenheit geteilt wird: Die Bibel muß wortwörtlich geglaubt werden, irgendwelche Kritik daran ist verboten. Wer sich daran hält, wird gerettet für alle Zeit und Ewigkeit, er gilt als einer der "born-agains", zu denen sich auch George W. Bush, ein Methodist, zählt. Hauptpunkte ihrer Lehre sind diese: Ablehnung der Evolutionslehre Darwins, die den Schöpfungsmythen (1. Buch Mose Kap. 1 und 2) widerspricht, Kampf gegen Homosexualität (gemäß 3. Buch Mose 20 Vers 13) und gegen Abtreibung (vgl. 2. Buch Mose 21 Vers 23), für die Todesstrafe, die an unzähligen Stellen in der Bibel verfügt wird (z.B. 2. Mose 21 Vers 17), Kampf gegen die Gottlosen (Psalm 46) und so weiter. Aus dem calvinistischen Glauben der ersten Siedler der USA haben die "Evangelikalen" und ihr militanter Arm, die "Fundamentalisten", zudem noch das Bewußtsein ihrer göttlichen Erwählung in "Gottes eigenem Land" übernommen. Als "Gesegnete Gottes" glauben sie, daß sie "die beste Demokratie auf Erden" und "die größte Nation der Weltgeschichte" sind.

Wortgewaltige Prediger, die zugleich hervorragende Organisatoren von Massenevangelisationen waren, trugen im 20. Jahrhundert ihre Botschaft vom Kampf gegen das Böse, das sich, wie sie behaupteten, in den sozialistischen Staaten eingenistet habe, in geistlichen Kreuzzügen rund um den Erdball. Billy Graham, Baptistenpfarrer, Stammvater aller späteren evangelistischen Prediger und als "Maschinengewehr Gottes" auch in der alten Bundesrepublik gefeiert, soll es auf 210 Millionen Zuhörer in 185 Ländern gebracht haben.

In den frühen 50er Jahren diente Graham sich dem Präsidenten Eisenhower als Berater an. Seitdem ist er aus dem Weißen Haus nicht mehr wegzudenken. Er kennt sich darin so gut aus, daß Präsident George Bush sen. ihn einmal bat, es einer Besuchergruppe von höheren Juristen als Fremdenführer zu erläutern.

Mit seiner Hilfe wurde dort auch viel gebetet, vor allem mit den Präsidenten Nixon, Reagan und den Bushs. Mit Bush sen. betete er vor dem Irakkrieg 1991 mit dem Ergebnis: Es darf geschossen werden. Um dessen Sohn George W. hatte er sich einige Jahre zuvor erfolgreich bemüht und ihn zu seinen 40.Geburtstag (1986) von der Alkoholflasche abgebracht. Damit war die Voraussetzung für dessen spätere Präsidentschaft geschaffen.

Inzwischen ist Graham sen. 88jährig "von der Bühne abgetreten, auf der nun andere agieren". Sein Sohn Franklin, ebenfalls Baptistenprediger, hat den millionenschwere Glaubenskonzern übernommen. Gleich nach "9/11" fand er für seine weitere geistliche Arbeit das angebliche Gotteswort "Der Islam ist ein Übel und eine böse Religion". Der damalige Chefredenschreiber des Präsidenten, Michael Gerson, Absolvent der führenden fundamentalistischen Schule des Landes, des Wheaton College, schuf daraus für die weitere politische Praxis den Ausdruck "Achse des Bösen", auf der man die "Schurkenstaaten" versammelt findet, die bekämpft werden müssen. Graham jun. konnte das Nötige dazu in einem Karfreitagsgottesdienst erläutern, den er 2003 kurz nach dem Überfall auf den Irak im Verteidigungsministerium abhielt. Derweil standen Mitarbeiter seiner als Wohlfahrtsorganisation auftretenden "Samaritian`s Purse" an der Grenze zum Irak bereit, um gleich nach Ende der Kampfhandlungen dort das Neue Testament auf arabisch verteilen zu können.

Aus dem Heer evangelikaler Prediger, die nach Art des "Maschinengewehrs Gottes" arbeiten, sollen noch zwei besonders einflußreiche vorgestellt werden: Jerry Falwell und Pat Robertson. Falwell verstand es, im Präsidentenwahlkampf 1980 mit dem Thema Abtreibung seine Fernsehgemeinde zugunsten Ronald Reagans so zu mobilisieren, daß der amtierende Präsident Jimmy Carter (übrigens auch ein Laienprediger der "Südlichen Baptisten") die Wahl verlor.

Pat Robertson, baptistischer Fernsehprediger, der mit seiner TV-Show "700 Club" in 90 Ländern präsent ist und allein in den USA täglich eine Million Zuschauer erreicht, erregte 2005 weltweit Aufmerksamkeit, als er den US-Geheimdienst vor laufender Kamera aufforderte, den venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chavez zu ermorden. Seine Begründung: Ein Attentat sei billiger als ein Krieg für 200 Milliarden Dollar. Chavez kommentierte diesen Mordaufruf vor der Generalversammlung der UNO im September 2005 folgendermaßen: "... Das einzige Land, das sich den Luxus leisten kann, zum Mord an einem Staatschef aufzurufen, sind die Vereinigten Staaten. So ist dies kürzlich geschehen mit einem Pfarrer Pat Robertson, der ein großer Freund des Weißen Hauses ist; er forderte öffentlich vor der Welt zu meiner Ermordung auf und läuft frei herum. Das ist ein Verbrechen! Internationaler Terrorismus!" Freunde hat Robertson auch noch woanders: In Guatemala war es der ehemalige Präsident Rios Montt, unter dessen Herrschaft über 200 000 Menscher ermordet wurden, in Liberia der Baptistenprediger Charles Taylor, der es dort 1997 zum Präsidenten brachte, seit kurzem nun aber in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Sondergericht steht.

Die fundamentalistischen Prediger sind mit der anfangs erwähnten Erklärung für den bevorstehenden US-Wahlkampf gut gerüstet. Ob ihr Einfluß allerdings ausreicht, einen Präsidenten ihrer Vorstellung wie 2004 noch einmal ins Weiße Haus zu bringen, muß bezweifelt werden. Inzwischen fühlen sich viele Evangelikale von dem "Wiedergeborenen" Bush getäuscht - wegen seiner Lügen zum Irakkrieg, vor allem aber, weil er die Finanzzusagen für ihre Wohlfahrtseinrichtungen nicht eingehalten hat. Statt der im Wahlkampf versprochenen acht Milliarden Dollar waren bis November 2006 nur 16 Millionen ausgezahlt worden.

Insgesamt ist die Zustimmung zu den Kirchen, die sich in ihrer Mehrheit eng an den Präsidenten gebunden haben, in den letzten beiden Jahren um sechs Prozent auf 46 Prozent gesunken; das ist unter den 16 einflußreichsten Institutionen nach dem Militär, den Kleinunternehmern und der Polizei der vierte Platz.

Zwar kann in den USA, wo fast 70 Prozent der Erwachsenen ihr Volk als "christliche Nation" verstehen, bis auf weiteres nur derjenige die Wahl zum Präsidenten gewinnen, der sich ausdrücklich als Christ bekennt; die Frage ist, welche Aussagen der Bibel für ihn selbst wichtig sind: Nächsten- und Feindesliebe und Erhaltung der Schöpfung oder: Kampf gegen das Böse, in dem die Welt zugrunde gerichtet wird. Der demokratische Senator Barack Obama, der sich um die Kandidatur für das Präsidentenamt bewirbt, wird seinen Wahlkampf auch als Kampf gegen die Evangelikalen führen. "Ich weiß nicht, welche Bibel sie lesen, aber das stimmt mit meiner Ausgabe nicht überein." Die deutschen Kirchen sollten seine Position beherzt unterstützen; es könnte sonst sein, daß der evangelikale Irrsinn auch über unser Land kommt.