Leichter, langsamer, leiser, sparsamer...

Immer wenn die "Queen Mary 2", einer der größten Luxusliner der Welt, im Hamburger Hafen festmacht, wird sie von Land aus mit elektrischer Energie beliefert.

Der Ozeanriese könnte sich selbst nur versorgen, wenn seine Maschinen laufen. Aber im Hafen ist ihm das verboten, denn Schiffsmotoren verbrennen ungereinigtes, mit vielen Schad- und Giftstoffen belastetes Schweröl. Die "Queen Mary 2" würde die Hamburger Stadtviertel Altona und St. Pauli verpesten. Der Strombedarf des Schiffes ist bereits im "Ruhezustand" so groß wie der von 200.000 Bundesbürgern.

Auch der neue Airbus 380 wird, wenn er endlich doch in den regulären Flugbetrieb kommt, den Reisenden in der Ersten Klasse allen erdenklichen Komfort einschließlich Blick auf einen eingebauten zweieinhalb Meter hohen Wasserfall bieten - ein Symbol für unseren Reichtum an Energie. Beziehungsweise für Energieverschwendung.

In diesem Jahr werden voraussichtlich weltweit 66,5 Millionen Autos gebaut, zwei Millionen mehr als im Jahr 2006. Der Benzinbedarf steigt, der Kohlendioxydausstoß auch.

Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber, Kandidat für den Parteivorsitz der CSU, nennt zwar den Klimaschutz ein "wichtiges Anliegen". Dann aber folgt ein ganz starker Huber-Satz: "Die Deutschen dürfen von Brüssel nicht zu einem Volk von Kleinwagenfahrern degradiert werden." Denn wir Deutschen - das muß endlich mal wieder gesagt werden - brauchen Autos groß, schwer und stark wie Panzer, damit wir über alles in der Welt hinwegwalzen können: Das Auto erst macht ein Wesen zum Menschen, nur das große Auto den Menschen zum deutschen Herrenmenschen.

Wenn ein Politiker Ja zum Klimaschutz sagt, folgt meistens schnell das Aber. Sogar Gewerkschafter erliegen dem Totschlag-Argument des Kapitals vom Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Arbeitsplatzsicherung. Der gewerkschaftseigene Automobilclub Europa (ACE) meint seine Mitglieder ängstigen zu sollen: "... jede Pauschallösung (zur CO2-Begrenzung; V.B.) würde in der deutschen Autoindustrie mit ihrem hohen Anteil an Modellen der Mittel- und Oberklasse zur Gefährdung von zigtausend Arbeitsplätzen führen." Zigtausend Arbeitsplätze bei deutschen Autobauern sind jedoch nicht deshalb in Gefahr, weil die Europäische Union zu hohe Umweltauflagen macht, sondern weil Deutschland die falschen Autos auf den Markt bringt und Zukunftschancen verschläft.

Die Nachrichten über Energieverschwendung und Klimagefährdung haben aber auch ermutigende Aktivitäten ausgelöst. Der gesellschaftliche Diskurs über den "Klimawandel" scheint inzwischen so viel Eigendynamik entwickelt zu haben, daß keine Auto-Lobby strengere Gesetze zum Schutz der Umwelt mehr verhindern kann. Die Mehrheit der Bundesbürger (gut 60 Prozent) befürwortet laut einer Forsa-Umfrage zugunsten des Klimaschutzes sogar ein Tempolimit von 120 km/h auf den Autobahnen. Solche Diskussion bewirkt Veränderung.

Nicht alle multinationalen Konzerne erweisen sich, wie die deutschen Autobauer, als bornierte Umweltsünder. Der schwedische Multi IKEA will seine mehr als 40 Niederlassungen in Deutschland nicht mehr von Yellow-(Atom)-Strom versorgen lassen, sondern wechselt trotz aller Mehrkosten zu Ökostrom. Zugleich sollen die IKEA-Betriebe, wie derzeit schon in Regensburg, mit den jeweiligen Gemeindeverwaltungen über eine Beteiligung an biogasbetriebenen Anlagen und Wärmenetzen verhandeln.

"Weltmarktführer" mit luxuriösen, großen, schweren und schnellen Personenautos zu sein, dürfte sich schon bald nicht mehr als respektgebietend, sondern als Feuermal der Dummheit und Rückständigkeit erweisen. Volkswagen mußte seinen Superschlitten "Phaeton" bereits vom US-amerikanischen Markt nehmen, weil er selbst dort nicht gut zu verkaufen war. Auch bei den Supermächten von morgen, Indien und China, heißt die Gewinner-Formel für das Transportwesen: leichtere, langsamere, leisere, spritsparende Autos für den Individualverkehr im Nahbereich, Umstieg auf schnelle öffentliche Massenverkehrsmittel im Fernverkehr.

Unzählige Arbeitsplätze würden entstehen, wenn es gelänge, neue Antriebskonzepte für Kraftfahrzeuge zu realisieren. Entsprechende Ideen gibt es längst. Das Institut für Verbrennungsmotoren an der Technischen Hochschule Aachen ist nicht das einzige, das an der Entwicklung äußerst sparsamer Motoren arbeitet. Solche Forschungseinrichtungen müßten kooperieren.

Japan hat beim Bau von Hybrid-Fahrzeugen die Nase weit vorn. Solche Autos mit einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor verbrauchen weniger Sprit. Einen Teil der Energie, die sonst beim Verlangsamen und Bremsen eines Autos verloren geht, gewinnen sie zurück.

Französische Wissenschaftler stellen aus Pflanzenresten Kondensatoren her, die elektrische Energie viel effizienter speichern als herkömmliche Blei-Akkumulatoren; in den Hybridfahrzeugen der Zukunft sollen sie als Zwischenspeicher dienen. Möglicherweise gelingt bald sogar der Durchbruch zur industriellen Produktion synthetischer Kraftstoffe aus Biogas; das wäre fast ein Quantensprung weg vom einfachen Biodiesel.

Das alles sind jedoch nur Teilaspekte eines umweltverträglicheren Transportwesens. Intelligente Verkehrsorganisation und -lenkung könnten wesentlich mehr zur Klima- und zur Ressourcenschonung beitragen. Beispielsweise könnte man auch - wie die schweizerische Stadt Zermatt - ganze Orte für den Individualverkehr sperren. Touristen, die das Matterhorn besichtigen wollen, können die Stadt nur per Bahn, mit dem Fahrrad oder zu Fuß erreichen. Progressive (am Spritverbrauch bemessene) Besteuerung und schließlich vollständiges Verbot des überörtlichen Individualverkehrs, dafür jedoch Ausbau eines leistungsfähigen, dichten überörtlichen Massenverkehrsnetzes, Tempobegrenzung für den lokalen Individualverkehr bei 50 km/h Â… - an realistischen Vorschlägen fehlt es nicht. Aber immer und überall stellen sich Machtfragen einschließlich der Eigentumsfrage. Die Privatisierung der Bahn löst keine Zukunftsprobleme, sie verursacht nur neue.