Die Grundwerte der Frau

Alice Schwarzer und der Papst: Zwei Welten treffen aufeinander

Zwei Welten treffen aufeinander? Falsch. Denn Alice und Johannes Paul treiben nicht nur ähnliche Fragen um. Sie finden am Ende auch ziemlich gleiche Antworten.

Das Editorial der Emma No. 4 diesen Jahres, verfasst wie stets von der Herausgeberin selbst, kreist um eine Frage, eine Unruhe, eine Not. Die von einem Foto herstammt, das man nicht nur im Kölner FrauenMediaTurm, sondern allüberall auf der Welt betrachten konnte: das Foto von der folternden Lynndie England (im Folgenden: LE) im irakischen Abu Graib. Wir erinnern uns: LE hält einen irakischen Gefangenen in demütigender Pose am Hundehalsband. Und Alice fragt bestürzt: "Foltern Frauen wie Männer?"

Ungefähr zur selben Zeit kömmt aus bislang ungeklärten Gründen auch dem Hl. Vater im Vatikanpalast eine Besorgnis an. Und wie die Besorgnis sich anschickt, zur Sorge zu werden, besinnt sich das Kirchenoberhaupt auf das ihm auferlegte Amt, SEINE Botschaft unter die Menschheit zu befördern, weshalb er dortselbst anhebt, seinem Personal (voll Ahnung, dies sei von selbiger Unruhe bedrängt) eine stets aufs Neue heikle Frage aus der Sicht des Allerhöchsten ein für allemal zu beantworten: die "Frauenfrage" nämlich. Und so verfasst der Papst ein "Schreiben über die Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und der Welt" an seine Bischöfe, auf dass diese die elfseitige Klärung im ganzen Erdenrund empfangen, unter ihren Schäfchen verbreiten und diese diesbezüglich bittschön beruhigen möchten.

So was in der Art will auch Alice. "Wer sich im Jahr 2004 Sorgen macht um die ,Unweiblichkeit` der Frau, kann beruhigt werden", schreibt sie (und beantwortet damit ihre eigene Frage: Nein, Frauen foltern nicht wie Männer). Und diese Sorge um die noch vorhandene oder doch schon abhanden gekommene Weiblichkeit "der Frau", die stiftet zwischen Rom und Köln eine ganz spezielle Glaubensgemeinschaft.

Johannes Paul verweist in SEINEM Auftrag auf die Existenz zweier Sorten Frau: eine wahre und eine unwahre. Die wahre hat ein prominentes Vorbild, genauer gesagt anderthalb. Nämlich einmal Maria, logo, und dann noch die halbe Eva. Denn Eva ist zwar aus der Rippe des "Menschen" (das ist Adam) entstanden, aber anschließend hat sie eben, die Geschichte ist so weit bekannt, in einen Apfel gebissen. Daraufhin passierte etwas, was ER via Johannes Paul tief bedauert, für das ER aber im Grunde nix kann, weil es eben Eva war mit ihrem Apfelbiss, die das eingebrockt hat, und alles, was vorher so schön ausgedacht und von Mensch Adam auch nicht gefährdet worden war, ging darob den Bach hinunter. Es ward nämlich vom Sündenfall an "die Beziehung von "Mann und Frau verdorben". Und so richtet ER sein Wort an Eva: "Du hast Verlangen nach dem Mann, er aber wird über dich herrschen". Doch es kommt noch dicker. Denn sowie Eva dem göttlichen ich-Mensch-du-Rippe-Gleichheitsprogramm entsagt hatte, da kam (wie kurz danach die Sintflut) das Patriarchat über die Welt. Aus der wahren Eva-Frau wurde also nicht nur die unwahre Apfel-Eva, sondern auch noch ein allgemeines Welt-Elend, und weil Evas Eigenmächtigkeit den ganzen Schlamassel herbeigeführt hat und so was nicht verjährt, kann bis heute nichts Gutes davon kommen, wenn die "Frau auf die Missbräuche der Macht mit einer Strategie des Strebens nach Macht antwortet" und dann am Ende auch noch "Ansprüche ,für sie selber` einfordert.

Alice Schwarzer lässt das mit der wahren und unwahren Frau auch keine Ruhe. LE, wir ahnen es, ist auf den ersten Blick komplett unwahr, weil "vermännlicht". Das erweist sich auf den zweiten Blick aber als zu kurz gegriffen. Genaues Hinsehen zeigt: Auf dem besagten Foto wirkt LEs Körperhaltung "nicht herrisch, sondern eher unschlüssig, fast marionettenhaft". Außerdem: LE "ist die Braut des Haupttäters Graner". Sie selbst müsse folglich weniger "als Subjekt, sondern als Objekt" gesehen werden. Der Fall liegt noch klarer bei ihrer Folter-Kollegin Sabrina Harman. Die nämlich "hat einen Vater, der in der Pathologie arbeitet und seinen Kindern am Feierabend Fotos von zerstückelten Leichen zu zeigen pflegte". Kurz: Frauen, die foltern und mit dieser ihrer Tätigkeit vielleicht kein tiefer gehendes Problem haben, sondern es tun, weil das nun mal ihr Job ist oder weil sie gerne mal in die Zeitung wollten, oder weil es ihnen Spaß macht oder weil sie echt was gegen Araberfressen haben, oder weil sie dumm wie Brot sind oder alles zusammen, die gibt es im Grunde nicht. Foltern muss ihnen, so es doch geschieht, von Papa, Mann oder Chef eingeredet worden sein.

Woran das liegt? An den weiblichen Grundwerten. Am wichtigsten ist dabei jener Grundwert der Frau, so heißt es in der römischen Epistel, "den man ihre ,Fähigkeit für den anderen` genannt hat." Nämlich "bewahrt die Frau doch die tiefgründige Intuition, dass das Beste ihres Lebens darin besteht, sich für das Wohl des anderen einzusetzen". Nun würde wohl Alice Schwarzer nicht behaupten, die Sache mit dem Hundehalsband resultiere aus weiblich-christlicher Nächstenliebe. Aber sie weiß trotzdem eines ganz sicher: dass Frauen Menschen im Grunde nichts Böses antun. Obwohl es auf manchen Fotos den Anschein hat, als täten sie's bisweilen doch. Doch das täuscht. Denn, so die Emma-Chefin: "Nur der Starke kann zum triumphalen Täter werden, die Frauen aber sind noch schwach."

Amen.

efa

aus: ak - analyse + kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 486 / 20.08.2004