Paradigmenwechsel im Sozialstaat?

Der Sozialstaat ist ›ins Gerede gekommen‹. Wurde die Idee des Sozialstaats früher assoziiert mit einem expandierenden Wohlfahrtsstaat,so scheint heute mehr und mehr Skepsis eingekehrt zu sein.

Der Sozialstaat ist ›ins Gerede gekommen‹. Wurde die Idee des Sozialstaats in den sechziger und siebziger Jahren vor allen Dingen assoziiert mit einem expandierenden Wohlfahrtsstaat, der sich auch in den achtziger Jahren noch sektoral weiterentwickelte (vgl. Blanke et al. 2000: 24 ff.), so scheint mit dem Rückbau des Wohlfahrtsstaates im Neoliberalismus der neunziger Jahre (vgl. Butterwegge et al. 1999) nunmehr auch auf sozialdemokratischer, gewerkschaftlicher und sozialwissenschaftlicher Seite eine Skepsis eingekehrt zu sein, die der wohlfahrtsstaatlichen Versorgung und Steuerung alter Provenienz mehr und mehr mißtraut. Die Rede ist zum Beispiel von "mehr Eigenverantwortung, die zu Gemeinwohl führt" (Schröder 2000: 201) oder vom aktivierenden Sozialstaat, der "eine ›neue‹ Verantwortungspartnerschaft zwischen Staat und Gesellschaft anstrebt" (Mezger/West 2000: 8) beziehungsweise man spricht von "der Maxime ›Fördern und Fordern‹, die die Rechte und Pflichten gesellschaftlicher Akteure in eine neue Balance bringt" (Heinze/Strünk 2001: 164).

Das Aktivierungskonzept - Positionen und erste Einschätzungen

Mit dem Kampf um die politischen Mehrheiten wurde in den neunziger Jahren dem herrschenden neoliberalen Konzept des sozialpolitischen Lean-Managements und der Privatisierung aus der Thatcher- Kohl-Ära in Westeuropa seitens der ›neuen Sozialdemokratie‹ - ausgehend von Anthony Giddens und Tony Blair (New Labour) - der sogenannte Dritte Weg (vgl. Giddens 1999) gegenübergestellt, der sich selbst als eine Art ›Privat-Public-Partnership‹ eines neu zu verortenden Staates mit einer sich zunehmend selbst bestimmenden Zivilgesellschaft verstand. ›Dritter Weg‹ meinte hier die Abgrenzung von der schlichten Privatisierung der Neoliberalen einerseits und eine deutliche Distanzierung von der traditionellen Wohlfahrtsstaatlichkeit der herkömmlichen Sozialdemokratie andererseits.

Doch was ist im einzelnen nun gemeint mit dem Konzept des ›Dritten Weges‹ und der Idee des ›Aktivierenden Sozialstaats‹? Heinze und Strünk formulieren dies in einem neueren Aufsatz von Mai 2001 wie folgt: "Aktivierende Politikstrategien zeichnen sich dadurch aus, dass sie unter der Maxime ›Fördern und Fordern‹ die Rechte und Pflichten gesellschaftlicher Akteure in eine neue Balance bringen. In diesem Sinne zielt das Prinzip des ›Förderns‹ darauf ab, Hemmnisse für gesellschaftliche Eigentätigkeit und Koproduktion abzubauen und förderliche Rahmenbedingungen für gesellschaftliche Initiativen Â… zu installieren" (Heinze/Strünk 2001: 164).

Dieses Konzept läßt sich aus sozialhistorischem Blickwinkel so verstehen, daß es die völlig zutreffenden Reformideen von Oskar von Nell-Breuning Ende der fünfziger Jahre am herkömmlichen Subsidiaritätsprinzip noch einmal reanimieren will: Damals wies der katholische Sozialethiker zu Recht darauf hin (vgl. Frerich 1996: 30 ff.), daß das traditionelle Subsidiaritätsprinzip, wie es Papst Pius XI. in der Sozial-Enzyklika Quadragesimo anno noch 1931 formuliert hatte (vgl. Schöpsdau 2001: 1563), speziell in dem modernen Sozialstaat nur dahingehend zu verstehen sei, daß dieser Staat gerade für die gesellschaftlich Benachteiligten zuerst einmal die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Selbsthilfe zu schaffen habe (vgl. Nell-Breuning 1957: 219 ff.). (1)

Nur, was ist dann entscheidend Neues an dem derzeit heftig ventilierten Aktivierungs-Konzept, wenn es nichts anderes meint, als daß der Staat aktiv zu werden habe, um die Voraussetzungen zu schaffen, daß benachteiligte Bürger aktiv werden können? Warum heißt es dann nicht aktiver Sozialstaat, statt aktivierender Sozialstaat?

Möglicherweise ist es die zivilgesellschaftliche Komponente, die das Spezifikum des Aktivierungsbegriffs ausmacht und ihn damit vom schlicht aktiven Sozialstaat unterscheidet. Heinze und Strünk führen dazu aus: "›Fordern‹ ist auch im zivilgesellschaftlichen Sinne so zu verstehen, dass Bürger sich ihrer Verantwortung für das Gemeinwesen klar werden und von staatlicher Politik aufgefordert werden, sich zu engagieren" (Heinze/Strünk 2001: 164).

Doch aus sozialwissenschaftlicher Sicht wirkt diese Denkfigur vom Appell des Staates zur Zivilgesellschaft einigermaßen ungewöhnlich beziehungsweise fachlich sehr befremdlich: Denn spätestens seit Max Weber ist der Soziologie hinlänglich bekannt, daß sich Vergemeinschaftung typischerweise eben nicht erzwingen oder durch Aufforderung herstellen läßt, sondern sich nur dann einstellt, "wenn und insoweit die Einstellung des sozialen Handelns Â… auf subjektiv gefühlter (aktueller oder traditionaler) Zusammengehörigkeit der Beteiligten beruht" (Weber 1976: 21). Schon einer der Väter der deutschen Soziologie, Ferdinand Tönnies, erkannte, daß die Gemeinschaft - also kommunitaristische und zivilgesellschaftliche Elemente, wie wir heute sagen würden - durch die Einheit des menschlichen Willens gekennzeichnet ist, der empfunden wird, also nicht von staatlicher Politik zu verordnen ist (vgl. Tönnies 1920: 16 ff).

Wenn demnach die sozialwissenschaftlichen Prämissen des Aktivierungskonzepts eher mit Fragezeichen zu versehen sind, dann führt die Suche nach dem tragenden Spezifikum der neuen Konzeption zu einem dritten Aspekt der Aktivierungsprogrammatik, der beispielsweise bei Ewers und Leggewie in den Gewerkschaftlichen Monatsheften stark akzentuiert wird. In Abgrenzung des - wie sie sagen - "ermunternden Staates" zum traditionellen Staat heißt es bei Ihnen: "Noch schwerer tut sich eine traditionelle Sozialpolitik mit dem Ansatz, Rechte oder auch nur Optionen Â… mit Verpflichtungen oder mit positiven und negativen Sanktionen zu verbinden, die eine effektive Verhaltensänderung der Adressaten beziehungsweise Anspruchsberechtigten bezwecken" (Ewers/Leggewie 1999: 337). Hier geht es offensichtlich um eine Art ›Umerziehungsprogramm‹, worauf jedoch an anderer Stelle noch einmal zurückzukommen sein wird.

Untersucht man zuerst genauer die Hypostasierung wohlfahrtsstaatlicher Unverbindlichkeit, so zeigt sich, daß diese Unterstellung fehlender Sanktionen sowohl de jure als auch de facto falsch ist: So werden offensichtlich zum Beispiel die Bestimmungen der §§ 2 und 147 SGB III beziehungsweise 18 und 25 BSHG schlichtweg ignoriert. Die Arbeitslosen haben gemäß geltender Rechtslage im SGB III spätestens nach einem halben Jahr jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, auch wenn sie dort nicht mehr verdienen sollten, als die Höhe ihres Arbeitslosengeldes beziehungsweise ihrer Arbeitslosenhilfe ausmacht, was letztlich sogar mehr als die Halbierung des zuvor erzielten Einkommens bedeuten kann. Ein Qualifikationsschutz hinsichtlich des zuvor erlernten oder ausgeübten Berufs existiert ausdrücklich nicht. Fehlt die Bereitschaft dazu, eine solche Arbeit anzunehmen oder weiter auszuführen, verhängt das Arbeitsamt die sogenannten Sperrzeiten (über 300 000 im Jahr 2000), die im Wiederholungsfalle schließlich den Verlust des gesamten Anspruchs auf Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe nach sich ziehen (17 000 im Jahr 2000). Ist dann im letzten Schritt Sozialhilfe erforderlich, wird auch diese "auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche eingeschränkt" (§ 25 Abs. 2 BSHG), das heißt zumeist eine Kürzung von 25 Prozent der beispielsweise 287 Euro für den Alleinstehenden im Monat. Sowohl für das SGB III als auch für das BSHG gilt in letzter Konsequenz, daß eine andauernde Verweigerung des Antritts einer zumutbaren Arbeit zwangsläufig zum vollständigen Verlust von allen Geldleistungen zu führen hat (vgl. § 147 Abs. 1 SGB III; § 25 Abs. 1 BSHG), da hier der Gesetzgeber den Sozialbehörden keinerlei Ermessensspielraum einräumt. (2)

Wer also angesichts des bereits vorhandenen Instrumentariums des derzeit geltenden Leistungsrechts nach noch mehr Repressionsmöglichkeiten zur Aktivierung von bereits marginalisierten Bürgern ruft, wie es sich das neosoziale Konzept zum Teil zu eigen macht, provoziert entweder die Frage nach seinem Sachverstand und der Kenntnis der bestehenden Gesetze oder aber provoziert die Frage nach der bewußten oder unbewußten Mitwirkung bei sozialen Selektionsprozessen über Arbeitszwang und drohenden Existenzsicherungsverlust.

Neben den gesellschaftspolitisch gefährlichen Konsequenzen solcher Selektions- und Exklusionsprozesse ist es zudem verwunderlich, wie führende Vertreter aus der Sozialwissenschaft mit ihrem Plädoyer für eine Aktivierung unter anderem auch durch negative Sanktionierung weit hinter die Erkenntnisse der eigenen Disziplin zurückgefallen sind.

Insbesondere in der Labeling-Approach-Theory ist auf das Problem sozialer Etikettierung schlüssig hingewiesen worden (vgl. statt anderer Keckeisen 1964; Keupp 1974), und die gesellschaftlichen Konsequenzen einer Stigmatisierung sozialer Minderheiten sind hinlänglich bekannt. Hier liegt die Gefahr des ›blame the victim‹ auf der Hand, das heißt, daß die Opfer der Arbeitsmarktkrise zu Tätern umdefiniert werden, indem man das Strukturproblem (Massenarbeitslosigkeit) auf ein Individualproblem (Arbeitsunwilligkeit) reduzieren zu können meint, und damit die wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse der empirischen Arbeitsmarktforschung unzulässig ausgeblendet bleiben. (3)

Auch in den Handlungsempfehlungen ignoriert das Aktivierungskonzept basale Erkenntnisse der Human- und Sozialwissenschaft, so zum Beispiel auch des Behaviorismus, der seit langem weiß, daß negative Sanktionen allenfalls zur kurzfristigen Verdeckung unerwünschter Verhaltensmuster führen können, aber in der Regel nicht zu nachhaltiger Verhaltensänderung (vgl. Heckhausen 1989). Solche Änderungen sind - so wurde empirisch nachgewiesen - dauerhaft viel eher durch positiv verstärktes Lernen zu erreichen, wobei dies das Gegenteil von Abstrafungen und sozialem Ausschluß ist.

Überdies wird das aus der Lerntheorie weithin bekannte Phänomen der ›Erlernten Hilflosigkeit‹ in dem Konzept des Aktivierungsansatzes völlig außer acht gelassen: Durch lange Phasen der erlebten Unkontrollierbarkeit und Unbeeinflußbarkeit der eigenen Situation - so etwa bei erzwungenem Nichtstun in individuell unüberwindbarer Arbeitslosigkeit - verlernt der Betroffene seine früher vorhandenen Handlungs- und Überwindungsstrategien und er lernt statt dessen eine generalisierte Indifferenz als neues Grundverhaltensmuster (vgl. Seligmann 1999), das tiefgreifend und langfristig wirkt. Hier geht es nicht mehr - wie so oft fälschlich unterstellt - um das Nicht- Wollen von Langzeitarbeitslosen, sondern um verlernte/verlorene Kompetenzen des überhaupt noch ›Wollen-Könnens‹, die erst wieder durch langfristige Empowermentstrategien aufzubauen beziehungsweise zu reaktivieren sind. Auch die nun wahrlich nicht mehr neuen Ergebnisse der differentiellen Arbeitslosenforschung (vgl. Wacker 1983; Kieselbach/Wacker 1985) werden von den Aktivierungsansätzen schlichtweg ignoriert, was erst recht für die aktuellen Untersuchungen aus diesem Forschungsfeld gilt (vgl. statt anderer Kieselbach 2000). Diese machen fachlich überzeugend deutlich, welche psychosozialen Deprivationsprozesse durch Langzeitarbeitslosigkeit verursacht und verfestigt werden, die jenseits der im Aktivierungsansatz semiprofessionell unterstellten Unwilligkeit erhebliche Beeinträchtigungen zur Folge haben können, wie etwa der Fähigkeit des Umgangs mit Zeit, des stabilen Selbstwertgefühls oder auch der bewirkungsorientierten Handlungsattribuierung.

Aktuelle Aktivierungstrends in der Arbeitsmarktpolitik

Trotz dieser sozialwissenschaftlich wenig überzeugenden Basis des Aktivierungskonzepts ist es sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik allerorten verbreitet und beliebt. So schlagen zum Beispiel Günther Schmidt, Heide Pfarr, Gerhard Fels, Rolf Heinze und Wolfgang Streek als Benchmarkinggruppe des Bündnisses für Arbeit der Bundesregierung vor, daß ein "grundsätzlicher Ausschluss des Erwerbs neuer Leistungsansprüche durch Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (also auch für ABM) Â…" vorzusehen sei, und empfehlen einen Spiegelstrich weiter die "Zuweisung (solcher - A. T.) zumutbarer Beschäftigung und Sanktionen bei Ablehnung " (Schmidt et al. 2001: 12). Konkret heißt dies, daß es zum Beispiel nach ein- oder zweijährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr geben soll, was letztlich der finanziellen Marginalisierung der Arbeitslosen durch die kontinuierlich sinkende Arbeitslosenhilfe gleichkommt, wobei dieserart Beschäftigung nicht abzulehnen ist.

Auch das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Job-AQTIV-Gesetz (Aktivieren, Qualifizieren, Trainieren, Investieren, Vermitteln) verfolgt bewußt und konsequent die Aktivierungsprogrammatik, wie dies im Titel des Gesetzeswerks auch schon zum Ausdruck kommt. Jedoch gerade dieser Tenor der Reform des Arbeitsförderungsrechts beruht auf einer schiefen Analyse, die in der Konsequenz zu probleminadäquaten Praxisfolgerungen führt. Wer unterstellt, daß Arbeitslosigkeit mit der Aktivierung von Arbeitslosen bekämpft werden kann, hat die strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit und damit auch das derzeitige Fünf-Millionen-Defizit (vgl. Bach et al. 2001; Emmerich et al. 2001) fachlich aus dem Blick verloren, denn Massenarbeitslosigkeit ist weder durch die Passivität der Arbeitslosen bedingt oder gar entstanden noch ist diese Individualisierung des Problems für ursachenorientierte Lösungen und solidarische Strategien förderlich, zumal die Prognosen bis ins kommende Jahrzehnt noch eine Arbeitsplatzlücke von über drei Millionen Stellen ausweisen. Notwendig sind demnach arbeitsplatzschaffende Strategien, die die vorhandenen Bedarfe an ortsnaher und kleinräumiger Versorgung, Umweltschutz und Infrastruktur systematisch in Erwerbsarbeit für bisher ausgegrenzte Arbeitslose umsetzen. Weder durch die ›Aktivierung‹ der Arbeitslosen mittels schriftlicher Eingliederungsvereinbarung (§§ 6 und 35 SGB III) noch durch die Sanktionierung mutmaßlicher Pflichtverletzungen gegen diese Vereinbarungen (§ 38 SGB III) und schließlich auch nicht durch den Entzug von Leistungen (§ 144 SGB III) bei ›unangepaßtem Verhalten‹ während der ›Anbahnung‹ eines Arbeitsverhältnisses (Vorstellungsgespräch etc.) lassen sich arbeitsplatzgenerierende Effekte erzielen, wobei allerdings andererseits die Gefahr sozialer Exklusion kaum zu vermeiden ist. (4)

Zudem ist darauf hinzuweisen - und dies hat grundsätzliche Bedeutung auch für die noch zusätzlich in Planung befindlichen Sozial-reformen (zum Beispiel die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe) -, daß die Behauptung des ›fairen Ausgleichs‹ zwischen Rechten und Pflichten für Bürger und Staat in der Fördern-und-Fordern-Konzeption, wie es zum Beispiel der rot-grüne Bundestagsantrag zum Job-AQTIV-Gesetz formuliert (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6944: 25), allerdings solange unrichtig und irreführend bleibt, wie beispielsweise den Pflichten des Bürgers, jedwedes Arbeits- und Eingliederungsangebot annehmen zu müssen, nicht auch eine Pflicht des Staates gegenübersteht, in ausreichendem Maße solche paßgenauen Angebote auch tatsächlich vorzuhalten. Das Gegenteil ist nach wie vor - auch im Job-AQTIV-Gesetz - der Fall. Alle Angebote der aktiven Arbeitsmarktpolitik (zum Beispiel Orientierungs-, Qualifizierungs-, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) bleiben wie bislang grundsätzlich Ermessensleistungen, auf die kein individueller Rechtsanspruch besteht.

Haushaltssanierung und Aktivierung - Leistungs- und Kostensteuerung durch ›Fördern und Fordern‹

Der Entwicklungsstrang der Kosteneinsparung und Haushaltskonsolidierung scheint nach wie vor einer der vitalsten Trends in der Aktivierungsprogrammatik zu sein, was allerdings gerade auch vor dem Hintergrund fiskalischer Engpässe beim Bund, der Bundesanstalt für Arbeit und auch nicht zuletzt bei den Kommunen kaum verwundern kann. So gewinnt das Aktivierungskonzept eine fiskalpolitische Dimension, die von den Vertretern dieses Ansatzes auch offen postuliert und ausgewiesen wird. Matthias Schulze-Böing formuliert dies sogar im Sammelband Aktivierender Sozialstaat und politisches Handeln als eine Art programmatischen Anspruch. "Der Rechtstitel auf die Sozialhilfe einerseits und die technokratische Routinisierung ihrer ›Zahlbarmachung‹ Â… andererseits verhindern, dass der Hilfeempfänger in irgendeiner Weise die prekäre Finanzlage des Gemeinwesens in seinen unmittelbaren Erfahrungshorizont eingespiegelt bekommt. Das basale Prinzip des Gleichgewichts von Geben und Nehmen ist gewissermaßen systematisch gestört. Das den sozialen Konsens tragende Gerechtigkeitsempfinden schwindet. Schon aus diesem Grunde müssen Wege gefunden werden, den kommunalen ›Sozialkontrakt‹ in sinnvoller Weise zu erneuern Â…" (Schulze- Böing 2000: 53 f.).

Angesichts der steigenden Sozialhilfeaufwendungen auf kommunaler Ebene (von 1,7 Milliarden Euro im Jahr 1970 auf zuletzt 25,2 Milliarden Euro im Jahr 2000) und angesichts der Zuschußpflichten des Bundes zum Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit bei steigenden Ausgaben durch zunehmende Arbeitslosigkeit sind die fiskalischen Zwänge auf pragmatischer Ebene nachvollziehbar, gleichwohl programmatisch wenig überzeugend. So ist nämlich inhaltlich zu fragen, ob es sich bei dem zu schließenden Kontrakt um eine Vereinbarung über Transferleistungen und Gegenleistungen aktiver Selbsthilfe handelt oder aber um einen Vertrag über öffentliche Haushaltsführung. Ist letzteres der Fall, so muß es doch verwundern, warum unter den Vertragsparteien nur jene einbezogen werden, die auf Leistungen aus dem öffentlichen Haushalt angewiesen sind und nicht auch jene, die in der Lage sind, Leistungen als Input für die öffentlichen Haushalte zu erbringen. (5)

Jenseits dieser programmatischen Bedenken ist jedoch auch die Praxis nicht zu ignorieren, die immer wieder die Dominanz von finanziellen Fragen über fachpolitische Reformansätze zeigt. Hierüber gibt es zwar keine systematisch angelegten wissenschaftlichen Untersuchungen, da sich das Forschungsfeld empirisch repräsentativen Analysen weitgehend verschließt. Aber an einem Beispiel aus der praktischen Sozialpolitik kann gleichwohl verdeutlicht werden, was mit der These der Prädominanz der finanziellen vor fachpolitischen Gesichtspunkten gemeint ist.

Das Beispiel bezieht sich auf das Bundesmodellprojekt zur Pauschalierung von einmaligen Leistungen der Sozialhilfe (gem. § 101 a BSHG), was unter anderem das Ziel verfolgt, daß durch Pauschalierung eine größere Selbstbestimmung und Autonomie der Hilfeempfänger ermöglicht werden soll. Hier kommt es an einigen Standorten zum Beispiel dazu, daß die Höhe der Geldleistungen für die bisher einmaligen Zahlungen deutlich abgesenkt wird, da man über die verstärkte Inanspruchnahme bei den Auszahlungen, die dann nämlich ohne Antrag erfolgen, entsprechende Mehrkosten für den kommunalen Haushalt erwarten muß. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, wenn unter anderem der Prozentsatz dieser Kürzungen zum Teil genau dem Prozentsatz der erwarteten Steigerung der Inanspruchnahme von Leistungen entspricht, so als ob beispielsweise nun der Einkauf von Matratzen und sonstigem Hausrat etwa 10 Prozent billiger geworden wäre, nur weil 10 Prozent mehr Hilfeempfänger hierfür Leistungen bekommen.

Es hat den Anschein, daß - nicht nur hier, sondern auch andernorts - sozialpolitische Reformvorstellungen unter das Diktat des Abbaus oder der Einsparungen von öffentlichen Leistungen geraten, so daß die eigentlichen Ideen zunehmend zu mehr oder weniger elaborierten Haushaltssanierungskonzepten degenerieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist auch die sogenannte Eingliederungsbilanz nach § 11 SGB III, die die Arbeitsverwaltung und damit auch die von ihr beauftragten Träger seit 1998 verpflichtet, nach Abschluß von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nachzuweisen, inwieweit die ehemaligen Teilnehmer sich dann nicht mehr im Leistungsbezug beim Arbeitsamt befinden. Dieser Mechanismus löst ›Creaming-the-poor-Effekte‹ aus, indem eher jene Arbeitslosen für die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgesucht und zugewiesen werden, die auch das positivere Eingliederungsergebnis für die Träger und die Finanziers erwarten lassen. Dies und vor allem die Publikation der Jahreseingliederungsbilanz und ihre Besprechung mit den örtlichen Akteuren (§ 11 Abs. 3 SGB III) sowie ein antizipierter Quasi-Wettbewerb der Arbeitsämter und der Träger untereinander um die optimalen Quoten verletzt das Gebot der allokativen Effizienz (vgl. Badelt 1996). Denn gerade diejenigen, die einer Förderung durch Arbeitsmarktpolitik am nötigsten bedürfen, haben durch die Konkurrenz um jeweils bessere Vermittlungsquoten systematisch überdurchschnittlich schlechte Chancen, das für sie vergleichsweise viel wichtigere Angebot zur Unterstützung zu erhalten. So wird nicht nur das klassische Hauptziel der Sozialpolitik, das heißt die allokative Effizienz, durch arbeitsmarktorientierte Aktivierungsstrategien verfehlt, sondern man verschärft noch die bereits vorhandene Selektion der Arbeitsmarktprozesse zusätzlich um die administrative Aussonderung, und zwar speziell für die eben nicht so einfach Integrierbaren. (6)

Das Aktivierungskonzept verspricht der Politik Antworten auf zentrale Herausforderungen des Sozialstaats, das heißt zum Beispiel auf die Ressourcenverknappung, das Steuerungs- oder auch auf das Legitimationsdefizit. Der bisherige, auf Schutz und soziale Sicherung durch Transferleistungen konzentrierte Wohlfahrtsstaat scheint - so die These selbst bei den Gewerkschaften - nicht mehr oder nur sehr begrenzt diesen Herausforderungen gewachsen zu sein. So empfiehlt sich - wie man meint - seine "Ergänzung durch Elemente aktivierender Sozialpolitik Â…, um die Funktionsfähigkeit des Sozialstaats und den sozialen Konsens in einer sich verändernden Gesellschaft zu erhalten" (Schulze-Böing 2000: 51).

Die Rede ist hier auch unter anderem von der "Entdeckung der Steuerbarkeit" in den Strategien des Umbaus des Sozialstaats (vgl. Leisering/Hilkert 2001), wobei sich die Frage stellt, ob es die Steuerung von sozialen Leistungen tatsächlich gibt, ohne daß diese letztlich nur zur Aussteuerung aus sozialen Leistungen gerät?

Angesichts des langfristigen Arbeitsplatzdefizits von zirka drei Millionen Stellen noch weit bis in das nächste Jahrzehnt hinein, stellt sich ganz grundsätzlich die Frage der Steuerbarkeit sozialer Leistungen durch workfareorientierte Aktivierungsstrategien. Aber auch die Verfestigungstendenzen in der Arbeitslosigkeit (vgl. Kress et al. 1995; MAGS 1998) stellen offensichtlich überdimensionale Anforderungen an die Aktivierungsstrategien. Denn über ein Drittel aller registrierten Arbeitslosen (36,5 Prozent im September 2000) sind inzwischen Langzeitarbeitslose (ein Jahr und länger ohne einen Tag Beschäftigung); 1977 betrug diese Quote noch 14,3 Prozent und stieg seitdem kontinuierlich über 12,9 (1980) und 29,7 Prozent (1990) auf den derzeitigen Spitzenwert an. Noch extremer ist die Entwicklung bei den Dauerarbeitslosen (zwei Jahre und länger ohne einen Tag Beschäftigung): Betrug ihr Anteil 1977 noch 4,4 und 1980 5,1 Prozent, belief er sich 1990 bereits auf 15,2 und im September 2000 dann sogar auf 18,9 Prozent. Damit ist inzwischen der Anteil dieser Dauerarbeitslosen größer als der Anteil der ›gemäßigten Arbeitslosen‹, die ›erst‹ ein bis zwei Jahre von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Diese Verfestigung der Arbeitslosigkeit und das globale Stellendefizit provozieren sicherlich zu Recht die Frage, mit welchem Aufwand und wohin denn eigentlich noch zu aktivieren ist.

Das zweite Problem der Steuerbarkeit der Ausgaben für Transferleistungen über eine Aktivierungsstrategie ist das Aufwand-Ertrags- Dilemma einer qualitativ optimierten Dienstleistung, die individuell paßgenaue Angebote und Unterstützungsstrategien liefern will. Die Aktivierungskonzepte der Fördern-und-Fordern-Methodik richten sich derzeit - völlig zu Recht - vor allem auf den Dienstleistungsaspekt, das heißt zum Beispiel auf eine qualifizierte Beratung, ein Profiling, Hilfeplanung, Case-Management, Empowerment, Employability- Trainings sowie nicht zuletzt auf die paßgenaue Vermittlung und Stabilisierung in Beschäftigungsverhältnissen. Das alles ist sehr viel zeit- und kostenaufwendiger als die schlichte Auszahlung von Transferleistungen, wobei es jedoch in aller Regel keine zusätzlichen unsubventionierten Dauerarbeitsplätze schafft. Außerdem bleibt grundsätzlich festzuhalten, daß noch so professionelle Dienstleistungen im Prinzip jedoch den Rechtsanspruch auf Transferleistungen nicht substituieren können, es sei denn, es ist doch nicht Steuerung, sondern Aussteuerung aus sozialen Leistungen gemeint.

Damit verbunden ist der Nebeneffekt, wenn die Dienstleistungen nach dem Prinzip "Fördern und Fordern" tatsächlich optimiert und paßgenauer angelegt werden sowie zur Aktivierung von Menschen in prekären Lebenslagen führen sollen, man dann auch letztlich davon auszugehen hat, daß ein bisher nicht gedeckter Bedarf an sozialen Leistungen offenkundig wird, der bisher latent vorhanden war, jetzt aber kostenträchtig wird. Die Sozialwissenschaft schätzt unter anderem im Abgleich mit Daten aus dem sozioökonomischen Panel, daß die Dunkelziffer in der Sozialhilfe etwa zwischen 54 und 63 Prozent liegt (vgl. Hanesch 2001), und auch die stille Reserve des Arbeitsmarkts von derzeit etwa zwei Millionen Menschen ist bekannt. So ist es insgesamt nicht unwahrscheinlich, daß mit der Aktivierung zusätzliche Bedarfe an Leistungen entstehen, die mit erhöhten Kosten für die öffentlichen Haushalte verbunden sein werden. Insofern ist hier eher skeptische Zurückhaltung angebracht, wenn durch die Aktivierungsprogrammatik die Hoffnung auf Kostensteuerung im Sinne der Einsparung von Leistungen geweckt wird.

Aktivierung und Mißbrauchsbekämpfung - Empirische Hinweise zur sozialpolitischen Relevanz einer Alltagsdebatte

Gleichwohl könnte man - wie es etwa die FDP-Bundestagsfraktion tut (vgl. Bundestagsdrucksache 14/6951: 2) - für eine aktivierende Sozialpolitik auch mit verstärktem Zwang und ausgebautem Repressionsinstrumentarium plädieren, wenn man den Mißbrauch von Sozialleistungen ins Feld führt, der - sollte er sich relevant erweisen - der Gemeinschaft aller Bürger schaden kann.

Doch auch hier gilt es, einen Schritt zurückzutreten und den Blick auf sozialwissenschaftliche Untersuchungen zum Problem zu richten, um das Phänomen empirisch angemessen einzuschätzen. Hierzu sei auf Forschungsarbeiten zu diesem Thema hingewiesen, die sich mit der Frage der Verbreitung von Leistungsmißbrauch anhand empirischer Analysen ausführlicher befassen. (7)

Die eine Untersuchung (Trube/Luschei 2000) ist eine Regionalstudie mit Langzeitarbeitslosen, die aufgrund unzureichender Leistungen der Arbeitslosenhilfe noch zusätzlich auf Sozialhilfe angewiesen waren. Hier wurden drei Interventionsstufen einer Rekrutierung für ein niedrigschwelliges Entwicklungs- und Vermittlungsprojekt analysiert, und zwar von der Einladung zu einer ersten Gruppeninformation über diese Maßnahme (1. Stufe), über die konkrete Zuweisung zu diesem Projekt (2. Stufe) bis hin zum Zeitpunkt ›14 Tage nach Projektbeginn‹ (3. Stufe). Zu jedem dieser drei Zeitpunkte wurde untersucht, inwieweit sich ein empirischer Schwund von Eingeladenen beziehungsweise Teilnehmern ergab, um so eine sozialwissenschaftlich abgesicherte Aussage über sogenannte Drückeberger beziehungsweise Leistungsmißbrauch formulieren zu können.

Die Interventionsstufe 1 zeigte die folgenden Ergebnisse: Von 190 Personen, die zu einer Gruppeninformationsveranstaltung beim Arbeitsamt über die geplante Maßnahme eingeladen wurden, erschienen 87,9 Prozent. In einer dezidierten Nachuntersuchung wurde nun analysiert, welche Gründe bei den ferngebliebenen Personen vorlagen; dies erfolgte im wesentlichen in Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung und zum Teil auch durch aufsuchende Sozialarbeit. Es stellte sich schließlich heraus, daß lediglich bei 3,2 Prozent derjenigen, die zur Veranstaltung eingeladen, aber nicht erschienen waren, Gründe vorlagen, die darauf hindeuteten, daß die erforderliche Mitwirkung fehlte beziehungsweise möglicherweise Leistungsmißbrauch vorlag. Als Indizien hierfür wurde zum Beispiel gewertet, wenn man sich entweder kurzfristig vor dem Termin der Informationsveranstaltung oder unmittelbar danach aus dem Leistungsbezug abmeldete. Die zweite Interventionsstufe bestand in der Einladung zu der Maßnahme selbst: Hier leisteten 90,5 Prozent der Einladung Folge. Die investigativen Analysen zum Verbleib der nicht erschienenen Personen ergaben dann, daß 3,8 Prozent der Eingeladenen mit nachvollziehbaren Gründen ferngeblieben waren, weil zum Beispiel bereits eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt gefunden wurde oder eine Erkrankung vorlag. 5,7 Prozent der eingeladenen Personen hatten nach Rechtslage des SGB III keine nachvollziehbaren Gründe für ihre Abwesenheit, was sich zum Beispiel dann in Abmeldungen aus dem Leistungsbezug etwa wegen fehlender Kinderbetreuung niederschlug. Zuletzt wurde dann noch in der dritten Interventionsstufe 14 Tage nach Maßnahmenbeginn ermittelt, inwieweit die Teilnehmerschaft noch stabil war oder aber nachvollziehbare beziehungsweise nicht nachvollziehbare Abgänge vorlagen: Lediglich bei 2,1 Prozent beziehungsweise zwei Personen ergaben sich Hinweise auf Motivationsdefizite und möglichen Leistungsmißbrauch, da nach dem Maßnahmebeginn eine Abmeldung beim Arbeitsamt erfolgte.

Summa sumarum läßt sich also feststellen, daß bei allen drei Interventionsstufen die allgemeine Schwundquote zwischen 9,5 und maximal 12,1 Prozent lag, wobei dann die genaueren Analysen mit der Arbeitsverwaltung und mit aufsuchender Sozialarbeit die Ursachen des Absentismus im Detail ermittelten. Dabei wurde herausgefunden, daß bei 2,1 bis maximal 5,7 Prozent aller Arbeitslosen Hinweise auf Leistungsmißbrauch oder Arbeitsunwilligkeit vorlagen. Das heißt, wenn über Zwang im Rahmen von Aktivierung zur Mißbrauchsbekämpfung geredet wird, dann spricht man nicht über 95, sondern gerade einmal über fünf Bürger von 100. Ob es sich dafür lohnt, ein Repressionsinstrumentarium einzusetzen, was viele kontraproduktive Effekte nach sich zieht, ist sicherlich mit guten Gründen zu bezweifeln, zumal die psychosozialen Hintergründe von Motivationsproblemen bei Dauerarbeitslosigkeit in Rechnung gestellt werden, auf die bereits verwiesen wurde.

Die zweite Untersuchung zum Phänomen ›Mißbrauch‹ ist eine repräsentative Befragung, die von der katholischen Universität Eichstätt durchgeführt wurde (vgl. Lamnek et al. 2000), und zwar bei rund 2 000 Personen in Ost- und Westdeutschland im Jahre 1997. Hierbei wurde unterschieden zwischen Mißbrauch von Sozialhilfe, Mißbrauch von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, Steuerhinterziehung, Nutzung von Schwarzarbeit und last not least der Durchführung von Schwarzarbeit. Auf die entsprechenden Fragen zum Leistungsmißbrauch, zur Steuerhinterziehung und zur Schwarzarbeit wurde in der anonymisierten Untersuchung wie folgt geantwortet: Leistungsmißbrauch in der Sozialhilfe gaben 1,4 Prozent zu, beim Arbeitslosengeld beziehungsweise bei der Arbeitslosenhilfe 3,5 Prozent; schon einmal eine Steuerhinterziehung begangen zu haben, wurde von 11,6 Prozent eingeräumt, während die Quoten bei Nutzung von Schwarzarbeit mit 24,1 und bei Durchführung von Schwarzarbeit mit 24,9 Prozent schon erheblich höher waren. (8)

Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist nicht zu verschweigen, daß bei solchen Befragungen der Faktor ›Social desirability‹, das heißt Ergebnisverzerrungen durch die ›soziale Erwünschtheit‹ beziehungsweise soziale Sanktionierung von bestimmten Antworten, eine große Rolle spielt. Interessant ist es jedoch allemal, warum wir heute in der Bundesrepublik deutlich mehr über aktivierende Sozialpolitik als über aktivierende Steuerpolitik reden, obwohl hier das Problem der Devianz offensichtlich vielfach höher ist. Es steht zu befürchten, daß dies dann doch eher etwas mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen als mit den empirisch vorfindbaren Problemkonstellationen zu tun hat und auch mit dem Verständnis, was als eine Art ›Kavaliersdelikt‹ und was als sozial schädliches Vergehen gewertet wird. Die tatsächlichen Verluste allerdings für die öffentliche Hand werden vermutlich bei der Steuerdevianz erheblich höher liegen als bei dem Leistungsmißbrauch, da in diesem Fall sowohl die Population als auch das Finanzvolumen für potentielle Schädigungen deutlich größer sind.

Zur Rolle des Staates und zur Frage des Paradigmenwechsels im Verständnis der Sozialstaatlichkeit

Vor diesem Hintergrund gestaltet sich die Rolle des Staates aber auch die der Begünstigten des ökonomischen Strukturwandels der vergangenen Jahrzehnte zunehmend suspekt. Schaut man sich die Arbeitsmarktentwicklung daraufhin noch einmal im Detail an, so fällt auf, daß durch Globalisierung, Flexibilisierung und Rationalisierung gerade jene Arbeitsplätze, die dem Profil der Ausgegrenzten noch am ehesten entsprechen würden, am stärksten dem Strukturwandel zum Opfer fielen. Selbst wenn in der Vergangenheit noch ein allgemeiner Arbeitsplatzzuwachs zu verzeichnen war - wie zum Beispiel im Jahr 2000 von 600 000 Stellen -, so zeigen Detailanalysen, daß die Hälfte dieses Stellenzuwachses nicht mehr auf Normalarbeitsverhältnisse entfiel, sondern auf befristete oder prekäre Arbeit ohne ausreichenden Sozialversicherungsschutz und ähnliches. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse nehmen rasch zu. Gut zehn Prozent aller Erwerbstätigen in den alten Bundesländern und 16 Prozent in den neuen arbeiten in einer der nachfolgenden Beschäftigungsformen: befristet, Leiharbeit, geringfügig, freie Mitarbeit. Die Betroffenheit einzelner Beschäftigungsgruppen ist aber äußerst unterschiedlich: Mit 20,6 in West- und 32,3 Prozent in Ostdeutschland sind Erwerbstätige ohne Bildungsabschluß besonders häufig betroffen (Bach et al. 2001; Schreyer 2000; Hoffmann/Walwei 2000).

Die Chancen und Risiken sind angesichts zunehmender Destandardisierung, Flexibilisierung, Tertiärisierung und vor allem angesichts der Reduzierung der Normalarbeit offensichtlich außerordentlich disparat verteilt. Die persönlichen Spielräume und Unabhängigkeiten sind auf den unterschiedlichen Stufen des Erwerbsarbeitssystems mehr oder weniger groß sowie unterschiedlich frei wählbar. Was den einen Chance und willkommener Freiheitszuwachs sein kann (etwa gut qualifizierten, flexiblen ›Arbeitskraftunternehmern‹ in den Zukunftsbranchen), bedeutet letztlich für die anderen (etwa gering qualifizierte Dienstleister oder Mehrfacharbeitslose) zunehmend auferlegter Zwang und kaum mehr erreichbarer Zugang zu den ›Sicherheitszonen‹ des Normalarbeitsverhältnisses. (9)

So öffnen sich neue Segmentationslinien am Arbeitsmarkt, die auch das Maß gesellschaftlicher Ungleichheit markieren. Nicht nur der Arbeitsmarkt treibt bekanntermaßen Selektion, sondern auch der Staat steht in genau der gleichen Gefahr, wenn er die Bürger, die prekären Arbeitsangeboten nicht (mehr) folgen wollen, aus der Solidargemeinschaft auszuschließen bereit ist.

Ralf Dahrendorf (2000) sieht vor diesem Hintergrund der zunehmenden gesellschaftlichen Segmentation eine Art "globale Klasse" entstehen, die eigentlich die (ungelernte) Arbeit der Marginalisierten nicht (mehr) braucht, weil sie von High-Tech und Informationstechnologie längst substituiert worden ist. Dies nimmt den Betroffenen aber auch die Möglichkeit der kämpferischen Gegenwehr - wie sie im klassischen Kapitalismus durch Streik gegeben war -, weil nichts zu verweigern ist, was nicht gebraucht wird. Gleichwohl fordert die globale Klasse (und mit ihr die neosoziale Aktivierungspolitik) ›Arbeit für alle‹, da sie die transfer- und ordnungspolitischen Kosten der Massenarbeitslosigkeit nicht tragen will, wobei diese ›Neue Arbeit‹ allerdings nicht zusätzlichen Finanzaufwand erfordern soll.

Der zum Teil schwindende Sinn und der Verlust der Existenzsicherungsfunktionen dieserart neu generierten ›Light-Version‹ von Erwerbsarbeit erfordert offensichtlich immer mehr Zwang, da sie zumeist weder intrinsische noch extrinsische Motivatoren zu bieten in der Lage ist. Demgemäß steht die Forderung nach Zwang zu einer wie auch immer gearteten Arbeit bei Drohung des Entzugs von Leistungen zur Existenzsicherung massiv im Raum. So forderte schon 1999 Matthias Schulze-Böing in den Gewerkschaftlichen Monatsheften, "für Personen Â… zwischen 18 und 25 Jahren den Anspruch auf Sozialhilfe zu streichen und durch Â… eine Beschäftigung in einem Übergangsarbeitsmarkt zu ersetzen Â…" (Schulze-Böing 1999: 362), wobei die Existenzsicherung jedoch an eine aktive Mitwirkung gekoppelt werden soll.

Doch bei solchen Forderungen koppelt der Staat die Gewährleistung der existentiellen Grundsicherung an Wohlverhaltensklauseln für die Bürger, das heißt an einen Anforderungskatalog für den eigentlichen Souverän, von dem er ja erst seine Staatsgewalt bezieht. Dies kollidiert meines Erachtens erheblich mit dem bisher geltenden Verständnis demokratischer Rechts- und Sozialstaatlichkeit: So folgerte bereits 1954 (das heißt noch vor dem Inkrafttreten des BSHG) das Bundesverwaltungsgericht nur aus den Fundamental-Normen des Grundgesetzes: "Mit dem Gedanken des demokratischen Staates (Art. 20 GG) wäre es unvereinbar, daß zahlreiche Bürger [das waren die damaligen ›Fürsorgeempfänger‹ noch ohne Sozialhilferechtsanspruch - AT.], die als Wähler die Staatsgewalt mitgestalten, ihr gleichzeitig hinsichtlich ihrer Existenzsicherung ohne eigenes Recht gegenüberständen" (BverwGE: 1/161 f.). 1967 konkretisierte das Bundesverwaltungsgericht dann diese Auffassung nochmals hinsichtlich der Anforderungen an die Sozialstaatlichkeit, indem es konstatierte: "Wenn die Bundesrepublik als ein sozialer Rechtsstaat verfaßt und dem Staat die Menschenwürde anvertraut ist, so kann die Fürsorge nicht mehr als polizeiliche Armenpflege verstanden werden. Sie ist ein Teil der der staatlichen Gewalt aufgegebenen aktiven Sozialgestaltung Â…" (BverwGE: 27/63).

Unter der Ägide der aktivierenden Sozialstaatlichkeit und eines restriktiven Verständnisses von Fördern und Fordern ist die Gefahr kaum mehr von der Hand zu weisen, daß die Sozialadministration wieder zu einer Art Armenpolizei degenerieren könnte - wie dies in der Geschichte der Fürsorge der Fall war (vgl. Sachße/Tennstedt 1980) -, die würdige und unwürdige Arme für staatliche Hilfe zu selektieren hat. Das würde aber letztlich kollidieren mit dem sozialrechtsstaatlichen Grundprinzip, daß das Recht auf Sozialhilfe nicht unter einem Schuldvorbehalt steht beziehungsweise bei persönlicher Schwäche oder Unfähigkeit zur Disposition stünde. Das Bundesverfassungsgericht stellte hierzu schon 1973 eindeutig fest: "Von der Gemeinschaft aus betrachtet, verlangt das Sozialstaatsprinzip staatliche Für- und Vorsorge für Gruppen der Gesellschaft, die aufgrund persönlicher Schwäche oder Schuld, Unfähigkeit oder gesellschaftlicher Benachteiligung in ihrer persönlichen und sozialen Entfaltung behindert sind" (Bundesverfassungsgericht: 35/236). Diese Grundauffassung der Offenheit der modernen Sozialstaatlichkeit ist das entscheidende Paradigma des sozialpolitischen Konsenses seit Entstehung der Bundesrepublik, das nur schwerlich kompatibel ist mit einer moralisierenden Konditionalprogrammatik des Fördern-und- Fordern-Konzepts, was bei restriktiver Praxis schnell in die Falle ordnungs- und polizeirechtlicher Selektionslogik gerät, wenn administrativ vorgefertigte Förderangebote von den Betroffenen nicht als solche verstanden und angenommen werden. (10)

Was bleibt dann noch? Aus der Diskussion um die Aktivierungsprogrammatik verbleibt im Resümee die grundlegende Erkenntnis, daß strukturelle Probleme - sprich Massenarbeitslosigkeit - auf individueller Ebene der Verhaltensänderung von Arbeitslosen nicht zu lösen sind, zugleich sich aber hieraus eine gewisse Unduldsamkeit der Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft ergibt. Wer glaubt oder glauben machen will, daß strukturelle Arbeitslosigkeit durch die Bekämpfung der ›individuellen Defizite‹ beziehungsweise der ›Unwilligkeit‹ der Betroffenen angehbar wäre, betreibt bewußt und oder unbewußt ein ›Blame-the-victim-Spiel‹, das die Opfer der Entwicklung zu Tätern umdefiniert, die entweder umzuerziehen oder aus der Solidargemeinschaft auszuschließen sind. Aussonderung und ›Umerziehung‹ durch Arbeit ist ein historisch belastetes Projekt, das zulässige und vice versa unzulässige Menschenbilder impliziert, zumal wenn intendiert ist, daß Â›Arbeit frei macht‹, und zwar von unerwünschten Defiziten nach einer Art global oktroyierten Form.

Wenn die identifiziert ›Unangepaßten‹ dann nur noch so ›frei‹ sind, das Arbeitsangebot anzunehmen oder sich letztlich gegen die Gewährleistung ihrer materiellen Existenz zu entscheiden, so sollte gerade die kritische Sozialwissenschaft aufs höchste alarmiert sein. Denn sie ist die letzte unter allen Disziplinen der Wissenschaft, die sich darauf berufen kann, daß der gesellschaftliche Verwendungszusammenhang der theoretisch ausgearbeiteten Ideen, das heißt konkret des Aktivierungsparadigmas, nicht schon vorab mit in die wissenschaftlichen Überlegungen einzubeziehen und verantwortungsvoll abzuwägen ist. Ein nachträgliches Schulterzucken in dem Sinne, ›das haben wir ja nicht gewollt‹, wäre aus meiner Sicht ein bedrückendes Armutszeugnis gerade für die Gesellschaftswissenschaft, zumal wenn es um den Umgang der Gesellschaft mit ihren Minderheiten geht. Eine solche Auseinandersetzung ist nicht nur ein Postulat der Forschungsethik, sondern der sozialwissenschaftlichen Professionalität schlechthin.

Anmerkungen

Achim Trube - Jg. 1952; Dr. sc. pol., Professor für Sozialverwaltung und Sozialpolitik an der Universität Siegen, studierte Soziologie, Wirtschafts- und Politikwissenschaften an den Universitäten Duisburg, Bochum und Bielefeld; Forschungsschwerpunkte: Arbeitsmarktpolitik, Evaluation sozialer Dienste und das System sozialer Sicherung. Publikationen unter anderem: "Zur Theorie und Empirie des Zweiten Arbeitsmarktes" (Münster 2001; 3. Auflage).

(1) "Wie würde ein in radikaldemokratischer Perspektive reformierter Wohlfahrtsstaat - der Sozialinvestitionsstaat in der positiven Wohlfahrtsgesellschaft - ...aussehen? Ausgaben für Wohlfahrt ... würden nicht ausschließlich vom Staat, sondern vom Staat in Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, unter anderem der Wirtschaft, aufgebracht. (...) Da die Selbstbestimmung des einzelnen und die Entfaltungsmöglichkeiten der Person - durch die sich die Verantwortung des Individuums vergrößert - in der positiven Wohlfahrtsgesellschaft zu zentralen Anliegen werden, wandelt sich der Vertrag zwischen Individuum und Staat. (...) Positive Wohlfahrt sollte ... negative Begriffe ... durch positive ersetzen: Selbstbestimmung statt Not; nicht Krankheit, sondern aktive Gesundheitsvorsorge; Bildung als lebensbegleitend anstelle von Unwissenheit; Wohlergehen für Elend; und Initiative anstatt Faulheit." Anthony Giddens: Der Dritte Weg, Frankfurt/M., S. 149.

(2) "Es geht für die Zukunft des Sozialstaats jedoch kaum um Solidarität im Sinne einer anspruchsvollen moralischen Ressource, sondern um Rationalität im Umgang mit Erfahrungen und - manchmal späten - Einsichten vergangener Generationen. (...) Wenn jede Generation erst durch eigene Erfahrungen lernt, daß private Unternehmen Gewinne machen wollen, daß man sogar selbst irgendwann alt wird, daß dann die private Krankenversicherung teurer und die Rente aus der Lebensversicherung spärlicher werden kann, hat ein komplexes Gebilde wie der Sozialstaat keine Überlebenschance. " Heiner Ganßmann: Politische Ökonomie des Sozialstaats, Münster 2000, S. 169.

(3) "Es geht für die Zukunft des Sozialstaats jedoch kaum um Solidarität im Sinne einer anspruchsvollen moralischen Ressource, sondern um Rationalität im Umgang mit Erfahrungen und - manchmal späten - Einsichten vergangener Generationen. (...) Wenn jede Generation erst durch eigene Erfahrungen lernt, daß private Unternehmen Gewinne machen wollen, daß man sogar selbst irgendwann alt wird, daß dann die private Krankenversicherung teurer und die Rente aus der Lebensversicherung spärlicher werden kann, hat ein komplexes Gebilde wie der Sozialstaat keine Überlebenschance. " Heiner Ganßmann: Politische Ökonomie des Sozialstaats, Münster 2000, S. 169.

(4) "Arbeitslosigkeit wird es weiterhin geben, aber nicht, weil sie zwangsläufig im Wirtschaftsprozeß entsteht, sondern weil ihre Verhinderung über politischen Druck blockiert wird." Heiner Ganßmann: Politische Ökonomie des Sozialstaats, Münster 2000, S. 77.

(5) "Zumindest hat sich aber die Erwartung Kaleckis erfüllt, daß die Themen Staatsverschuldung, Zinsbelastung der Staatshaushalte und, vor allem, Inflation die wirtschaftspolitische Diskussion weitgehend bestimmen. Die Doktrin der ›sound finance‹, der soliden Staatsfinanzen, dominiert seit den achtziger Jahren die wirtschaftspolitische Rhetorik. Obwohl die keynesianische Theorie schlüssig gezeigt hat, daß die Übertragung hausväterlicher Finanzregeln auf den Staat unsinnig ist, gehört diese Doktrin inzwischen wieder zum normalen Repertoire von Politikern. Ihre Implikation ist, daß der Staat auf Wirtschaftsregulierung mit dem Ziel der Vollbeschäftigung verzichtet." Heiner Ganßmann: Politische Ökonomie des Sozialstaats, Münster 2000, S. 78.

(6) "Alle Politiker und Unternehmerverbände versprechen nach diesen und jenen Maßnahmen neue Arbeitsplätze, aber niemand kann sagen, wo diese entstehen sollen. Der Zwangsoptimismus, der eine Renaissance der klassischen Erwerbsarbeit, des Normal-Vollzeit- Jobs, verkündet, verführt zur Scheinheiligkeit. Niemand hat den Mut, die Menschen darüber aufzuklären, daß die Gleichung - mehr Wachstum bedeutet mehr Arbeitsplätze - nicht mehr gilt, weil das Wachstum auf wesentlichen Technologiesprüngen beruht." Ulrich Beck: Wohin führt der Weg, der mit dem Ende der Vollbeschäftigungsgesellschaft beginnt?, in: Ders. (Hrsg.), Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt/ M. 2000, S. 21 (Hervorhebung im Original).

(7) "Eine nicht so abwegige Erkenntnis ist, daß nicht Arbeitslosigkeit, sondern Geldlosigkeit das eigentliche Problem ist. Da dies aber nicht offen ausgesprochen werden darf, sind alle dazu gezwungen, einen Heißhunger auf oft sinnlose Arbeit zu bekunden, um das eigentlich drohende Schicksal der Geldlosigkeit abzuwenden. " Ulrich Beck: Wohin führt der Weg, der mit dem Ende der Vollbeschäftigungsgesellschaft beginnt?, in: Ders. (Hrsg.), Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt/M. 2000, S. 33.

(8) "Wer sich ... aufgrund des Verhaltens anderer in dem aus Steuern und Sozialabgaben finanzierten System Sozialstaat auch selbst unsolidarisch verhalten möchte, wird nicht nur deshalb eher Steuern hinterziehen, schwarz arbeiten oder Schwarzarbeit nutzen, weil es sich dabei um Kavaliersdelikte handelt, sondern weil dabei die wenig erstrebenswerten Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit bzw. Armut entfallen. Dies wiederum könnte Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und ihre Nutzung überhaupt erst zu Kavaliersdelikten werden lassen." Siegfried Lamnek, Gaby Olbrich, Wolfgang J. Schäfer: Tatort Sozialstaat, Opladen 2000, S. 265 (Hervorhebungen im Original).

(9) "Die Tatsache muß allgemein bewußt, öffentlich anerkannt und akzeptiert werden, daß weder die Lohnarbeit noch die gesicherten Vollzeitarbeitsplätze die gesellschaftliche Normalität darstellen. Vielmehr sind die bezeichnenden Gestalten einer neuen Normalität all die prekär Beschäftigten, die manchmal arbeiten und manchmal nicht; die zwischen mehreren Berufen wechseln, von denen keiner ein anerkannter und noch weniger eine Berufung ist; deren Beruf es eigentlich ist, keinen zu haben; die sich folglich mit ihrer Arbeit weder identifi- zieren können noch wollen und die alle ihre Kräfte in die ›eigentliche‹ Tätigkeit einbringen, die sie während der Unterbrechungen ihrer Erwerbsarbeit ausüben." Abdré Gorz: Arbeit zwischen Misere und Utopie, Frankfurt/M. 2000, S. 77.

(10) "Schröder und seine Mitstreiter werden weitere Wahlniederlagen einstecken müssen, wenn sie sich nicht endlich an die große Aufgabe machen, auch das Soziale und das Demokratische gegen den Primat der Wirtschaft glaubhaft neu auszubuchstabieren." Ulrich Beck: Wohin führt der Weg, der mit dem Ende der Vollbeschäftigungsgesellschaft beginnt?, in: Ders. (Hrsg.), Die Zukunft von Arbeit und Demokratie, Frankfurt/M. 2000, S. 17 (Hervorhebung im Original).

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