Das neue Unternehmen heißt Hochschule

Der Markt als Leitmotiv für den Umbau der Hochschulen.

in (22.08.2001)

ettbewerb, Effizienz und Management gibt’s jetzt auch an den Hochschulen.

Der Markt ist das Leitmotiv für den Umbau der Hochschulen. Die erzwungene Mittelknappheit an Hochschulen soll der Motor für die Neuerungen sein. Parteiübergeifend ist die Maxime, dass die Hochschule sich an der Vermark-tungsfähigkeit ihrer Forschungsergebnisse und an ihren Qualifikationsprofilen messen lassen muss. Das Ren-nen um die knappen finanziellen Ressourcen ist von der Bildungspolitik bewußt eröffnet worden. _Eine Hochschulreform für den Weltmarkt. Leistungsorientierung, Effizienz und Wettbewerb sind die neuen Schlagwörter, die durch alle Hochschulen wabern. Mit weniger Geld in den staatlich zugewiesenen Hochschul-etats soll nun mehr Leistung erbracht werden. An der Definition, was eine Leistung ist und was nicht, an deren Art und Umfang, sind wie immer nur wenige beteiligt. Beispielsweise müssen nun mehr AbsolventInnen in kürzerer Zeit durch die Hochschule geschleust werden, es soll mehr publiziert werden, mehr Menschen sollen ihren Doktor machen, mehr Mittel von außerhalb eingeworben werden und mehr Forschung für den Markt betrieben werden. Von der Erfüllung dieser Voraussetzungen ist abhängig, wie sich der Bund und die Länder weiter an der Finanzierung der Hochschulen beteiligen. Dieser Erpressungsversuch greift durchaus. Die Grundausstattungen der Hochschulen, insbesondere Personal- und Sachmittel, sinken weiter. Kurz gesagt: Die Hochschulen werden nach einem Menge-Zeit-Faktor bezahlt. Das sagt allerdings noch nichts über die Qualität von Lehre und Forschung und deren gesellschaftliche Relevanz. Denn man könnte bspw. in kürzester Zeit jede Menge Schafe klonen und viel Geld damit machen, aber ist das für die Gesellschaft wünschenswert? _Bildung als Ware, der Student als Kunde. Üblich in der kapitalistischen Welt ist auch, dass man für eine Leistung bezahlen muss. Nicht umsonst werden deshalb private Studiengänge eröffnet, Gebühren kassiert. Inzwischen scheint es aber fast parteiübergreifender Konsens zu sein, dass die Studierenden an staatlichen Hochschulen für erbrachte Dienstleistungen zu zahlen haben. Sei es für die Bücherausleihe, für die Einschreibung und Rückmeldung oder für die Exkursion laut Studienordnung. Suggeriert wird dabei: "Was kostet, ist etwas wert." Schließlich ist es ja eine Investition ins eigene Humankapital und der Kunde König. In der Konsequenz bedeutet dies aber nicht, dass sich Studienbedingungen verbessern. Vielmehr wird die zahlende Elite herausgefiltert. _Alles muß verwertbar werden. Der gegenwärtige Bildungssparkurs ist mit zielgerichteten Entwicklungen an jeder Hochschule verbunden. So werden gezielt Fachbereiche geschlossen, Stellen gestrichen oder nicht wiederbesetzt, Mehrarbeit des Personals verlangt, wis-senschaftlicher Nachwuchs nicht gefördert sowie Studienzeiten verkürzt. Durch den Druck immer knapper werdender Finanzen sind die Hochschulen gezwungen, die Vielfalt der Tätigkeiten einer Hochschule nach Kern- und Randaufgaben, wesentlichen und dringlichen sowie entbehrlichen Dingen zu bewerten. Die weltmarktorientierte Verwertbarkeit von Forschung und Lehre steht hierbei ganz oben. Entbehrlich in diesem Zusammenhang erscheinen hierbei in der aktuellen Umstrukturierungspolitik kritische Wissenschaft, Sozial- und Geisteswissenschaften. Aber auch grundlegende Studiengänge wie Volkswirtschaft fallen dem Kürzungsdruck zum Opfer. Statt dessen tritt die Kommerzialisier-barkeit der Wissenschaft an die erste Stelle. IT- und Managementstudiengänge werden als die neuen Heilsbringer angepriesen, Milliardensummen in Rüstungsforschung und Biotechnologien investiert. _Rankings und Evaluationen am Markt orientiert. Was effizient und verwertbar ist, wird derzeit mit sogenannten Rankings und Evalutionen festgestellt. Rankings, d.h. statistische Leistungsvergleiche von Hochschulen oder Hochschulfächern, sind sogar im FOCUS und STERN zu finden. Dabei sind die Kriterien beliebig. So kommen in den Hochglanzmagazinen, Hochschulen in Bayern grundsätzlich besser beim Ranking weg als norddeutsche Hochschulen, weil dort die Leistungsanforderungen an die Studierenden vermeintlich härter sind. Ganz besonders beliebt sind derzeit Drittmittelrankings. Wenn eine Hochschule bspw. viel Geld von Wissenschaftsverbänden oder Forschungsförderungsorganisationen bekommt, erhalten sie aus öffentlichen Haushalten noch eine "Belohnung" oben drauf. Dabei wird all zu gern vergessen, daß der bloße Umfang an Verbrauch von Drittmitteln noch gar nichts über die Wichtigkeit und Güte der Forschung selbst aussagt. Der Geldrauswurf für den Abbau und Forschung von Genmais dürfte bspw. wohl gesellschaftlich umstritten sein, liegt aber auf der Verwertbarkeitsskala ganz oben. An vielen Hochschulen lautet das neue Schlagwort Evaluation. Evaluation bedeutet Bewertung. Im Rahmen von Evaluationen werden etwa Studiengänge, Fachbereichseinrichtungen oder sogar ganze Hochschulen durch beliebige Personen und Unternehmensberatungsfirmen jenseits der normalen Entscheidungsgremien begutachtet. Die derzeitigen Evaluationsverfahren dienen in aller Regel dazu, festzustellen, dass irgend etwas ineffizient sei oder das sogenannte Doppelangebote abgebaut werden müssten. Die Entwicklung des "Unternehmen Hochschule" scheint düster für das 21. Jahrhundert. Wäre es nicht sinnvoll, wenn wir für die Zukunft Leistungen, Forschung und deren Ergebnisse sowie Lehre und Hochschulorganisation an Transparenz, Demokratie, sozial-ökologischer Nachhaltigkeit und Er-schliessung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten messen las-sen würden? Andernfalls könnte sich die neue Hochschul-Formel-Eins bald als ein "Race to the bottom" entpuppen.

‘Ökonomischer SachverstandÂ’ statt Demokratie:

Da eine effiziente Hochschule vermeintlich auch eine effiziente Leitung braucht, werden derzeit im Rahmen der aktuellen Hochschulenreformen Machtbefugnisse auf die höchste Ebene der Hochschul-leitungen verlagert: Der ökonomische Sachverstand wird dabei der demokratischen Beteiligung von Hochschulangehörigen und somit auch den Studierenden übergeordnet. Der Rektor heißt nun Präsident und darf über die Verwendung des Hochschulhaushalts alleine entscheiden. In diesem Zusammenhang werden in einigen Bundesländern Hochschulräte eingeführt. Die Konstruktion der Hochschulräte orientiert sich am Modell einer Unternehmensführung. "Sachverstand und Effizienz" sollen durch hochschulexterne Menschen aus Wirtschaft und Wis-senschaft institutionalisiert werden. In Bayern findet man deshalb vorzugsweise BMW und in BaWü MERCEDES oder BASF in den Hochschulräten. Die Mitglieder der Hochschulräte werden natürlich nicht etwa gewählt, sondern von den jeweiligen Landesregierungen ernannt. Das bedeutet den Abbau demokratisch legitimierter, politischer Souveränität und eine Repräsentation der Kapitallogik, die in die Hochschulen getragen wird.