Nach Genua

Die Trauer in Aktionen umwandeln

in (22.08.2001)

Vom 20. bis zum 22. Juli trafen sich die Regierenden dieser Welt in Form des sog. G8-Gipfels in Genua.

Verlogen gaben sie vor, sich mit den von ihnen verursachten bzw. verwalteten Problemen dieser Welt beschäftigen zu wollen. In Wirklichkeit aber ging es ihnen wie immer nur um die Zurschaustellung und Präsentierung ihrer mörderischen, kapitalistischen Weltordnung.

Bereits im Vorfeld waren zwei Formen der Entwicklung festzustellen. Erstens war es nach Seattle, Prag und Göteburg der bürgerlichen Presse mittels "totschweigen" und dem Staatsapparat durch Repression nicht gelungen, die weltweite Anti-Globalisierungsbewegung zum Schweigen zu bringen. Vielmehr hat sie in ihrer Form, Größe und Vielfältigkeit bisher unbekannte Ausmaße erreicht. Mehr als 700 Organisationen und Gruppen, ob Gewerkschaften oder Anarchisten, ob Umweltschutzgruppen oder Kommunisten, sie alle riefen auf, den Widerstand nach Genua zu tragen. Zweitens reagierten die Regierenden mit einem in diesem Zusammenhang noch nicht gekanntem Ausmaß an Repression. Ob der Öffentlichkeit bereits im Vorfeld Särge präsentiert wurden, die PDS wieder einmal als verfassungsfeindliche Organisation bezeichnet oder das Schengener Abkommen kurzfristig einfach mal außer Kraft gesetzt wurde; es war bereits im Vorfeld abzusehen, dass den Regierenden langsam mulmig wurde und sie mit äußerster Brutalität reagieren würden.

Trotz aller Hetze der bürgerlichen Presse machten sich 200.000 Menschen auf nach Genua, um auf vielfältige Art und Weise ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Von Anfang an setzten Polizei und Militär auf Eskalation. Dem Bürgermeister von Genua, der hinter dem Anliegen der Protestierenden stand, wurde einfach seine demokratische Legitimation entzogen und durch das Militärrecht ersetzt.

In Folge dessen kam es zu unglaublichen Greueltaten durch Polizei und Militär. Während die bürgerliche Presse weiter versuchte die Protestierenden in den sog. "schwarzen Block" und in "Friedliche" zu spalten, gibt es Filmaufnahmen die sog. "Autonome" beim Betreten von Polizeiwachen, und wenig später diese, wieder als Polizisten verlassend, zeigen. Als "Autonome" verkleidete Polizisten und ganz offen agierende Faschisten griffen Pazifisten und Gewerkschaften an, worauf dies die Polizei in Genua als Vorwand nutze, um mit Tränengas, Wasserwerfern und Knüppeln die genehmigten Demonstrationszüge anzugreifen.

In Folge dieser offen zur Schau gestellten Aggression durch Militär und Polizei, wurde der Demonstrant Carlo Giuliani durch zwei direkte Kopfschüsse und anschließendes Überfahren, am Freitag, dem 20. Juli 2001, durch die Polizei auf offener Straße ermordet. In der Nacht des 21./22. Julis wurden beim Sturm der Diaz-Schule in Genua durch die Polizei mindestens 50 von den dort 70 friedlich schlafenden Demonstranten schwer verletzt. Berichte über Kessel, die durch Demonstranten mit blutig erhobenden Händen verlassen wurden, stellen da eher schon fast "Normalität von Genua" dar. Ebenfalls fanden bereits in dieser Nacht, allein in über 50 Städten der BRD, Solidaritätsdemonstrationen und Trauerzüge statt. Vereinzelt kam es auch hier wieder zu Ausschreitungen und Provokationen von Seiten der Polizei.

In der darauf folgenden Woche gingen wieder, allein in Italien, Hundertausende auf die Straße, um ihrer Trauer und Wut Ausdruck zu verleihen. An der Beisetzung von Carlo nahmen allein über zehntausend Menschen teil. Auf Wunsch seiner Eltern, selbst aktive Gewerkschafter, waren dabei weder Fahnen noch Abzeichen von Organisation zu sehen.

Jetzt ist es an uns die Trauer und Wut, die wir zur Zeit empfinden, nicht in Frust und Hilflosigkeit umschlagen zu lassen. Im Gegenteil, das Andenken an Carlo hoch zuhalten kann nur bedeuten, jetzt weder zu resignieren noch die Bewegung in "guten" und "bösen" Widerstand spalten zu lassen. Die einzigen, die daraus einen Vorteil ziehen könnten, sind die Regiernden und Mörder von Genua. Nur gemeinsam wird es uns möglich sein, dass allen Demonstrienden gemeinsame Ziel einer gerechten und besseren Welt, auch wirklich zu erreichen.