Über den Wahlkampf der USA hieß es bereits frühzeitig, es werde eine „Schlammschlacht“. Das wird in aller Regel mit dem republikanischen Kandidaten Donald Trump und seinen diversen Ausfälligkeiten verbunden. Nachdem Hillary Clinton als Kandidatin der Demokraten feststand, merkten Beobachter an, jetzt habe sie die Samthandschuhe ausgezogen und werde entsprechend reagieren.
Bisher war es überwiegend so. Die ersten Runden nach den Parteikonventen im Juli 2016 gingen an Clinton. Zunächst hatte sie auf dem Nationalkonvent der Demokraten die Eltern eines im Irak-Krieg gefallenen Offiziers auftreten lassen, die aus Pakistan stammen und Muslime sind. Da auf einer solchen Nominierungsveranstaltung nicht diskutiert wird, sie vielmehr als große Propagandashow inszeniert wird, gehörte auch dieser Auftritt zur Gesamtregie Clintons. Herr Khan griff Trump wegen seiner Ankündigung eines Einreiseverbots für Muslime an und verwies auf den Tod seines Sohnes im Dienste der USA. Trump konnte nicht an sich halten, antwortete und verstieß rasch gegen die Regel, dass Kriegsveteranen in den USA als heilig gelten. Dabei kritisierte er, dass Frau Khan auf dem Demokraten-Parteitag wortlos neben ihrem Mann gestanden hatte, was Beleg für die mindere Stellung der Frau im Islam sei. Das hatte deren scharfen Protest zur Folge, der als Gastbeitrag in der Washington Post abgedruckt wurde. Ein allgemeiner Protest schlug Trump entgegen, auch aus den Reihen der Republikanischen Partei. Das kolportierten die Großmedien, auch in Deutschland. Dass Trump als erstes gesagt hatte, er sei die falsche Adresse: Es war Hillary Clinton, die als Senatorin für den Irak-Krieg gestimmt hatte, wurde in nahezu allen Medien unterschlagen oder nur beiläufig erwähnt.
Kurz darauf redete Trump in North Carolina wieder zur Frage des Waffenbesitzes oder dessen Verbot – nach dem Zweiten Verfassungszusatz ist jedem unbescholtenen Bürger der USA der Besitz und das Tragen von Waffen erlaubt. Dieses Thema spielt nach den vielen Amokläufen eine wichtige Rolle; Trump steht auf der rechten Seite und sucht Unterstützung durch die Waffen-Lobby. In diesem Sinne hatte er gesagt, Hillary wolle den Verfassungszusatz abschaffen, und wenn sie als Präsidentin die nächsten Richter des Obersten Gerichts aussuchen kann, „könnt ihr da nichts machen, Leute. Obwohl, die Unterstützer des Zweiten Verfassungszusatzes, vielleicht doch.“ Das wurde ihm in der liberalen Presse rasch als Aufruf zu Waffengewalt gegen Clinton ausgelegt. Er meinte, er habe lediglich auffordern wollen, ihn zu wählen. Am Ende verebbte die Welle, sollte aber erneut Trump verunmöglichen.
Die nächste Kampagne verband sich mit dem Namen Paul Manafort. Ein berufsmäßiger Politiker-Berater, Lobbyist und Kampagnen-Entwickler. Der hatte einst für die erfolgreichen republikanischen Präsidentenkandidaten Ronald Reagan und Bush senior gearbeitet. Da er auch weiterhin mit derlei Arbeit sein Geld verdienen wollte, verdingte er sich für Dienste zugunsten des Diktators Mobutu Sese Seko in Kongo, den westlich unterstützten Rebellenführer Jonas Savimbi in Angola und schließlich für Viktor Janukowitsch in der Ukraine. Da stand er auf der falschen Seite, der Präsident wurde bekanntlich unter Zutun der CIA gestürzt, unter einem Präsidenten Barack Obama. Nachdem Trump diesen Manafort zu seinem Wahlkampfchef für die Präsidentenwahl (nach den Vorwahlen) gemacht hatte, wurde sofort die antirussische Karte gezogen: mit Beratung von Janukowitsch habe Manafort im Dienste Putins gehandelt und deshalb seien Trumps Aussagen, als Präsident der USA mit dem russischen Präsidenten eine Vereinbarung über die beiderseitigen Interessen treffen zu wollen, Ausdruck russischer Einflüsse. Am Ende wurde Manafort von Trump aus der Schusslinie genommen. Clinton hatte eine weitere Auseinandersetzung für sich entschieden. Hauptargument war, die Finanzquellen, aus denen Manafort bezahlt wurde, sei dubios, sie führten nach Russland. Das behauptete zumindest eine „Anti-Korruptionsbehörde“ der derzeitigen Machthaber in Kiew, die von der Obama-Regierung und Clintons Wahlstab gern zitiert wurde
Inzwischen wird Hillary Clinton jedoch von ihrer Vergangenheit eingeholt. Nachdem der FBI-Chef vor ihrer Nominierung zur offiziellen Kandidatin der Demokraten das Verfahren wegen ihrer E-Mail-Affäre (Vermischung von privaten und dienstlichen Mails in ihrer Zeit als Außenministerin) eingestellt hatte, sind jetzt weitere 15.000 Mails aufgetaucht, die von der Bundespolizei und vom Außenministerium ausgewertet werden. Der entscheidende Punkt ist die Clinton-Stiftung, die ihr Mann, der frühere Präsident Bill Clinton, 2001 gegründet hat und an der sie beteiligt ist. Bisher wurde in den Medien mitgeteilt, dass der ukrainische Milliardär Viktor Pintschuk, der zweitreichste Oligarch des Landes, der auch den Maidan-Aufruhr 2014 mitfinanziert hatte, der Clinton-Stiftung seit 2006 etwa 13 Millionen Dollar gespendet hat. Hatte das Folgen für die Ukraine-Politik der USA und ihrer früheren Außenministerin? Großspender dieser Stiftung sind auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Kuweit. Diese Staaten wurden wegen Verstößen gegen die Menschenrechte von vielen Nichtregierungsorganisationen verurteilt. Und die Regierung der USA unter Obama und Clinton? Fest steht inzwischen auch, dass der Kronprinz von Bahrein, der auf offiziellem Wege 2009 keinen Termin bei der Außenministerin bekommen hatte, ihn nach einem Insistieren bei der Stiftung erhielt.
Als WikiLeaks-Gründer Julian Assange vor wenigen Wochen in einem Interview gesagt hatte, die neuen Mails zeigten eindeutig, dass Saudi-Arabien der größte Spender für die Clinton-Stiftung ist, wurde das allenthalten, auch in den deutschen Großmedien, totzuschweigen versucht. Trump betonte jetzt: „Die Clintons haben Jahrzehnte damit zugebracht, als Insider in die eigene Tasche zu wirtschaften und sich um Spender zu kümmern statt um das amerikanische Volk.“
Das eigentlich Erstaunliche ist, weshalb die deutsche Politik und die hiesigen Medien in dieser Auseinandersetzung stets auf der Seite Clintons und gegen Trump zu finden sind. Aufschluss gibt, was etwa Friedrich Merz – früherer CDU-Spitzenmann und seit 2009 Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“, einer Lobby-Organisation für besonders gute Beziehungen zu den USA – kürzlich gesagt hat: „Bei Hillary Clinton weiß man, woran man ist.“ Das meint, die global orientierte, interventionistische Politik bleibt, wie sie seit Jahrzehnten ist, mit all ihren Folgen, die man in Irak, Libyen, Syrien, Afghanistan, in der Ukraine besichtigen kann. Die Volksrepublik China agiere „zunehmend aggressiv im Südchinesischen Meer“. Das Verhältnis zu Russland nennt er im Handelsblatt in einem Atemzug mit „immer dreister werdenden Angriffe(n) auf unsere Datennetze“, die von russischen und chinesischen Geheimdiensten gesteuert würden. In Sachen NATO, TTIP, „Kampf gegen den Terrorismus“ sei engere Kooperation zwischen der EU und den USA nötig.
Wenn Trump „America First“-Politik macht, kann Deutschland in seiner imperialen Politik nicht mehr mit dem Militärpotenzial der USA rechnen. Dann kann der deutsche Außenminister auch künftig in Jekaterinburg sagen, was er will, es spielt weltpolitisch keine Rolle. Deshalb wünscht sich die Berliner Regierung so sehr Clinton im Weißen Haus.