Wen schützen Flüchtlingslager?

"Care and Control" im jordanischen Lager Azraq

Während der letzten Dekade gab es in der Region des „Nahen Ostens“ zwei schnell aufeinanderfolgende Flüchtlingskrisen: zuerst die Massenflucht aus dem Irak in den Jahren 2005-2010, welche aus dem gesellschaftlichen Zusammenbruch nach dem amerikanischen Einmarsch im Jahr 2003 resultierte, sodann seit dem Jahr 2012 die Flucht von inzwischen mehreren Millionen Menschen vor der eskalierenden Gewalt in Syrien. Eine der Folgen dieser schrecklichen und von den internationalen Medien stark in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückten Krisen ist das Entstehen und anschließend das rapide Anwachsen eines großen humanitären Hilfssektors in der Region.

Keywords: Refugees, refugee camps, Near East, humanitarianism, securitization, UNHCR

Schlagwörter: Flüchtlinge, Flüchtlingslager, Naher Osten, Humanitäre Hilfe, Sicherheit, UNHCR*

Während der letzten Dekade gab es in der Region des „Nahen Ostens“[1] zwei schnell aufeinanderfolgende Flüchtlingskrisen: zuerst die Massenflucht aus dem Irak in den Jahren 2005-2010, welche aus dem gesellschaftlichen Zusammenbruch nach dem amerikanischen Einmarsch im Jahr 2003 resultierte, sodann seit dem Jahr 2012 die Flucht von inzwischen mehreren Millionen Menschen vor der eskalierenden Gewalt in Syrien. Eine der Folgen dieser schrecklichen und von den internationalen Medien stark in die öffentliche Aufmerksamkeit gerückten Krisen ist das Entstehen und anschließend das rapide Anwachsen eines großen humanitären Hilfssektors in der Region.

Zwar gibt es im Nahen Osten schon seit Jahrzehnten die zahlreichen Projekte der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, die in palästinensischen Flüchtlingslagern sehr umfangreiche Hilfsleistungen durchführt. Darüber hinaus gibt es, vor allem in Jordanien, einen kleineren, internationalen Entwicklungshilfesektor, der zumeist in der ländlichen Entwicklung aktiv ist. Doch die Organisationen der internationalen humanitären Nothilfe, insbesondere der Flüchtlingsnothilfe, waren bis zum Jahr 2008 nur in sehr geringem Maß, Nichtregierungsorganisationen (NROen) praktisch gar nicht vertreten. Das lag zum einen daran, dass die örtlichen Regierungen internationalen Organisationen den Einlass erschwerten. Zum anderen liegt in den Ländern der östlichen Mittelmeerregion das Grundeinkommen schon lange auf mittlerem Niveau; die öffentliche Infrastruktur und Wirtschaft dieser Länder sicherte einer breiteren Bevölkerung somit einen mittleren Lebensstandard, auch in Krisenzeiten. Tatsächlich integrierten diese Länder im 19. und 20. Jahrhundert sogar immer wieder Flüchtlingsbevölkerungen, allen voran die der 1948 und 1967 flüchtenden Palästinenser. Aber auch Armenier, Tschetschenen und Tscherkessen und diverse politische Gruppen wurden, manchmal abwechselnd und gegenseitig, aufgenommen (Chatty 2010).

Die Ankunft verfolgter und verarmter Menschen hat im Nahen Osten daher eine gewisse politische und gesellschaftliche Tradition, neu dagegen ist das massive Mitwirken von internationalen humanitären Organisationen bei der Bewältigung der Situation.[2] Ihre Herangehensweise ist stark geprägt vom internationalen Flüchtlingsrecht und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (Office oft he United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR). Dieses Flüchtlingsrecht sowie das Wissen und die Struktur des UNHCR unterscheiden sich zum Teil signifikant von den existierenden Migrationssystemen der Gesellschaften im Nahen Osten. Dieser Artikel beschäftigt sich mit einigen der Veränderungen, die sich aus dem Zusammenspiel zwischen dem regional vorhandenen Umgang mit Flüchtlingen und den internationalen humanitären Sicht- und Handlungs-„Traditionen“ ergeben. Ziel ist es zu erkennen, wie sich diese Veränderungen auf das gesellschaftliche Feld auswirken, das sich derzeit syrischen Flüchtlingen bietet. Der Artikel geht der Frage nach, wie die Normen und Praktiken des internationalen Flüchtlingsregimes im politischen und gesellschaftlichen Kontext des Nahen Ostens wirken, wie sie ihn verändern und wie sie selbst verändert werden. Der innovative Gehalt des Artikels liegt spezifisch in der Dokumentation und Analyse von Entwicklungen im lokalen Flüchtlingsregime Jordaniens, die sich aus dem internationalen Eingriff in dieses Regime ergeben.

Diese breitere Fragestellung untersucht der Artikel im Folgenden an einem bestimmten Thema und Fall. Das Thema lautet „Sicherheit“; der Fall ist das 2013 eröffnete Flüchtlingslager Azraq in Jordanien. Es ist das zweite bedeutende, vom UNHCR geführte Flüchtlingslager im Nahen Osten, das seit 2012 für die syrischen Flüchtlinge gebaut wurde – während der irakischen Flüchtlingskrise wurden keine Lager verwendet. Es stellt somit einen wichtigen Schritt in der Entwicklung des humanitären Sektors in Jordanien dar. Die Frage nach der Sicherheit, die es herstellen soll, erlaubt einen Blick auf alle involvierten Hauptakteure: den jordanischen Staat, die humanitären Organisationen und die Flüchtlinge selbst. Zudem lenkt der Beitrag den Blick auf die Planungslogik, das Design und die physische Infrastruktur des Lagers, denn die Herstellung von Sicherheit in ihren verschiedenen Facetten dient hier immer wieder als eine zentrale Begründung für Entscheidungen. Wessen Sicherheit dient das Lager Azraq, und wessen Vorstellungen von Sicherheit wird es gerecht? Wie und wo überschneiden oder widersprechen sich humanitäre bzw. staatliche Sicherheitsbedürfnisse und -bedingungen?[3]

Der Artikel erklärt die Entstehung des Lagers und seine spezielle Form mit dem Argument, dass es zwei essentielle Elemente der gegenwärtigen, internationalen Flüchtlingshilfe widerspiegelt: zum einen ihre Ausrichtung nach nationalstaatlichen Prinzipien, welche die Verbindung zwischen Staat und den ihm angehörigen Bürger*innen zur politischen Schlüsselbeziehung erhebt, und zum anderen die Tatsache, dass die humanitäre Flüchtlingshilfe drei, einander widerstrebenden Sicherheitsansprüchen gerecht werden muss, nämlich 1) der Sicherheit der Flüchtlingsbevölkerung, 2) der Sicherheit des aufnehmenden Staates und 3) der Sicherheit der humanitären Helfer*innen selbst. Sicherheit ist hier sowohl als dinghaft als auch als imaginiert zu verstehen.

Als Folie für die nachfolgende Analyse dienen die Erkenntnisse jüngerer und älterer Forschung zu Flüchtlingslagern, die zeigen, dass dies Orte der Fürsorge und der Kontrolle sind und dass sich aus Lagerstrukturen bestimmte politische Ordnungen ablesen lassen.[4] Zudem kann man diese Lager als Orte der Staats- und Nationenbildung auffassen, da sie als permanente Abgrenzung zwischen der einheimischen Bevölkerung und der Flüchtlingsbevölkerung wirken (Malkki 1995; Turner 2005). Doch die Literatur, zu der sich der Artikel hauptsächlich in Beziehung setzt und zu der er einen Beitrag leisten möchte, ist die noch relativ junge Diskussion um die Art von Sicherheitsordnung, die humanitäre Hilfe herstellt bzw. um die Praktiken, Technologien und Diskurse, durch die humanitäre Hilfe verschiedene Sicherheitsansprüche integriert. In dieser Diskussion verdeutlichen Konzepte wie „Care and Control“ und „Pity vs. Risk“, inwiefern und wodurch humanitäre Hilfe als Kontrollinstanz über verarmte Bevölkerungen wirkt und das vermeintliche Risiko neutralisiert, das von ihnen ausgeht.

Der erste Teil des Artikels stellt die These vor, wonach humanitäre Flüchtlingshilfe auf einer nationalstaatlich geprägten Politikvorstellung beruht. Anschließend zeichnet der zweite Teil die widerstrebenden Sicherheitsansprüche nach, die von der gegenwärtigen humanitären Flüchtlingshilfe berücksichtigt werden. Schließlich nimmt der dritte Teil den Fall des jordanischen Lagers Azraq in den Blick, gefolgt von kurzen Schlussfolgerungen.

Die politischen Grundlagen der internationalen Flüchtlingshilfe

Weltweit leben etwa 11 Millionen Menschen unter dem humanitären Mandat der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR (UNHCR 2015), davon etwa sieben Millionen seit über fünf Jahren, eine Situation die als „protracted“ oder „langwierige“ Flüchtlingssituation beschrieben wird (UNHCR 2009; US Department of State 2012). Die meisten „langwierigen“ Flüchtlinge wohnen in Lagern, die ihren provisorischen Charakter verloren haben und dauerhaft von humanitären Organisationen verwaltet und betreut werden. Kritiker bezeichnen diese Situation als „warehousing“, womit sie nicht nur fehlende Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge kritisieren, sondern auch den lähmenden Zustand des dauerhaften Wartens auf eine bessere Zukunft (US Committee for Refugees and Migrants 2014). Im Detail unterscheiden sich die Lebensbedingungen in humanitären Lagern, allen gemeinsam ist jedoch, dass sie ein Ausdruck der beschränkten Rechtslage von Flüchtlingen im jeweiligen Empfängerland sind. Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit sind reduziert sowie das Recht auf Arbeit, Besitz und selbstständige Existenz.

Das vom UNHCR geführte internationale humanitäre „Management“ von Flüchtlingen basiert auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, die die Definition eines Flüchtlings festlegt (vgl. das Peripherie-Stichwort „Flüchtling“ in diesem Heft S. 358ff), und den Statuten des UNHCR, welche auch dessen Mandat bestimmen. Der Konvention liegt ein sehr bestimmtes Politikverständnis und Politikideal zu Grunde, das die Aufteilung der Weltbevölkerung in Nationen und Nationalstaaten als naturgegeben und korrekt versteht (Barnett 2001; Haddad 2003). Denn sie impliziert zwei wichtige Grundsätze, die das Ausgrenzen von Nichtbürger*innen als Bedarfsgrund für ein internationales Asylrecht identifizieren und dieses gleichzeitig als naturgegeben bestätigen: 1) Ein Staat muss nur die Menschen schützen, denen er offiziell einen Bürger*innen-Status verleiht. 2) Ein Staat, der seinen offiziellen Bürger*innen diesen Schutz verwehrt oder sie gar selbst verfolgt, stellt eine Ausnahme dar. Flüchtlinge personifizieren diesen Ausnahmezustand, zu dessen Behebung das internationale Flüchtlingsrecht dienen soll, allen voran der UNHCR, welcher als temporärer Quasi-Souverän den Schutz der Flüchtlinge gewährleisten soll (Ashutosh & Mountz 2011; Haddad 2008; Moulin & Nyers 2007).

Das internationale Flüchtlingsrecht beruht demnach auf einer Version von Staatlichkeit, in der Bürger*innen und Staat in einer besonderen, rechtlich bindenden Beziehung zueinander stehen, zu der Nichtbürger*innen zunächst keinen Zugang haben. Gleichzeitig darf sich ein Mensch dem Schutz „seines“ Nationalstaates nicht entziehen, wenn er seine Verfolgung in diesem Staat nicht ausreichend belegen kann. Denn, so schreibt die Konvention:

„Eine Person, […] fällt nicht mehr unter dieses Abkommen, […] wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.“ (UNHCR 1951: Art. 1, Kap. C, Abs. 5)

Die Vorstellung, dass jedem Menschen eine fixe Staatsangehörigkeit zugeordnet ist, der er nur unter besonderen Ausnahmezuständen entfliehen darf, ist hier ebenso verankert wie das Recht von Staaten, rechtlich und gesellschaftlich eine strikte Trennung zwischen den „nationalen“ Einheimischen sowie den Fremden dauerhaft vorzunehmen (Dauvergne 2003). Während in der Forschung recht ausführlich dargestellt ist, dass sich die UN (und damit auch der UNHCR) allgemein an einem westlichen Staatsmodell orientieren (Meyer, 2005), ist die Frage, wie sich die national basierte Legitimationsstrategie dieses Modells konkret auf das vom UNHCR geleitete humanitäre Flüchtlingsmanagement in anderen Ländern bezieht, seltener behandelt worden (Hoffmann 2011).[5]

Um die starke Ausweitung humanitärer Flüchtlingshilfe in Afrika, Asien und nun im Nahen Osten zu verstehen, ist ein weiterer gedanklicher Schluss wichtig, der sich aus der Konvention ergibt: Da hier die offizielle Staatsangehörigkeit und die rechtliche Regelung von Immigration zum Lackmustest des Flüchtlingsschutzes avanciert, gelten Länder ohne offizielles Asylrecht und ohne offiziell geregelte Formen der Einbürgerung immer als unzureichend und prekär, hinsichtlich des Schutzes, den sie Flüchtlingen bieten können (Agier 2010; Dauvergne 2004). Im Nahen Osten trifft dies auf alle Staaten zu, denn hier hat kein Land die Genfer Konvention ratifiziert, und keines verfügt über ein Asylverfahren oder systematisches Einbürgerungsrecht. Obwohl Flüchtlinge sich im Nahen Osten gerade wegen einer nur schwach ausgebildeten rechtlichen und bürokratischen Unterscheidung zwischen Einheimischen und Fremden recht problemlos ein neues Leben aufbauen konnten, rechtfertigt dies ein Eingreifen des UNHCR und internationaler Hilfsorganisationen (Dorai 2009; Kawakibi 2008). So schreibt der UNHCR in seinem globalen Spendenaufruf von 2010:

„Im Nahen Osten sieht sich der UNHCR mit mehreren, komplexen Herausforderungen konfrontiert. Viele Länder in der Region sind der internationalen Flüchtlingsgesetzgebung nicht beigetreten und verfügen über keine nationalen Asylgesetze und -prozesse. Nichtdestotrotz sind Flüchtlinge und andere betroffene Menschen mit hoher Gastfreundschaft aufgenommen worden, doch das Fehlen eines legalen Rahmens bedeutet, dass kurzfristig Ansätze entwickelt werden müssen, um mit Asylbewerbern und Migranten umzugehen. (…) Der UNHCR ist die zentrale Institution, die Flüchtlingen im Nahen Osten Schutz garantiert, mit wenig Beteiligung von Seiten nationaler Regierungen.“ (UNHCR 2010, eigene Übersetzung)

Insgesamt stellen internationale humanitäre Flüchtlingsorganisationen also das systematische Ausgrenzen von Nichtbürger*innen durch rechtlich-bürokratische Maßnahmen nicht in Frage, sondern sind mit ihm „system-konform“. Da sie den national definierten und legitimierten Staat als zentralen und natürlichen politischen Akteur verstehen, schaffen sie damit tatsächlich eine politische Ordnung, die immer wieder Menschen produziert, welche sich keinem solchen Staat zuordnen lassen: Flüchtlinge.[6]

Diese politische Logik setzen die humanitären Organisationen sowohl in ihrer Wissensproduktion als auch in ihren konkreten Praktiken um. So erklären die Webseiten des UNHCR immer wieder, dass Bürger*innen im Regelfall von ihren Regierungen geschützt werden, während die dauerhafte Integration von Flüchtlingen nur unter schwierigen Bedingungen geschehen kann (UNHCR 2014b). Die Kulmination einer solchen Integration ist das Erlangen der nationalen Staatsbürgerschaft. NROen, wie zum Beispiel das Danish Refugee Council, unterscheiden in ihren Broschüren und Webseiten systematisch zwischen Flüchtlingsbevölkerungen und vom Konflikt betroffenen einheimischen Bevölkerungen, deren Gunst gegenüber den Fremden durch besondere Dienstleistungen und Aufmerksamkeit erhalten werden soll (DRC 2014).

In konkreten Hilfspraktiken schlägt sich diese Unterscheidung z.B. darin nieder, dass auch dort, wo die einheimische Bevölkerung selbst keinen signifikanten Schutz durch ihre Regierung erhält, zunächst nur der Flüchtlingsbevölkerung Hilfe angeboten wird. Besonders angesichts jüngster Neuerungen in humanitären Dienstleistungen, die nun zunehmend monatliche Geldzahlungen („cash transfers“) beinhalten, verstärkt humanitäre Hilfe in Ländern, in denen es auch für einheimische Arme und Ausgegrenzte keine systematischen Sozialleistungen vom Staat gibt, die materiellen und imaginären Unterschiede zwischen „Fremden“ und „Bürger*innen“ (Levine 2014). Umgekehrt gilt, dass dort, wo Flüchtlinge die gleichen Vorteile wie Bürger*innen genießen – zum Beispiel das Recht, Kinder unentgeltlich in öffentliche Schulen zu schicken oder unentgeltlich öffentliche Krankenhäuser aufzusuchen – von humanitären Organisation permanent darauf hingewiesen wird, das die „fremde“ Bevölkerung die öffentliche Infrastruktur überlastet und daher internationale Unterstützung nötig ist. Dieser Diskurs ist insbesondere im Nahen Osten zu beobachten, wo er kräftig von den örtlichen Regierungen befeuert wird, die sich dadurch Millionen von US-Dollar in Hilfszahlungen erhoffen (Seeley 2010; 2012). Tatsächlich ist der wirtschaftliche Effekt der Flüchtlingsbevölkerungen unklar und beinhaltet sowohl wirtschaftliche Belastungen als auch Konjunkturaufschwung und Inflationsdruck durch steigenden Konsum und Investitionen.

Schutz und Sicherheit in der internationalen humanitären Flüchtlingshilfe

Schutz und die Herstellung von Sicherheit spielen im humanitären Diskurs und in der humanitären Praxis eine zentrale Rolle. Im Folgenden sollen drei Sicherheitsbereiche, die den internationalen humanitären Flüchtlingsschutz explizit und implizit formen, diskutiert werden. Der erste und offensichtlichste Bereich umfasst das Konzept der „Protection“ (übersetzt als „Schutz“) von Flüchtlingen, welche nach dessen Statuten die Hauptaufgabe des UNHCR ist, worauf also alle Arbeitsbereiche abzielen sollen. „Protection“ bildet einen großen, eigenständigen Arbeitsbereich des UNHCR, sowohl konzeptuell als auch organisatorisch (UNHCR 2014b): eine eigene Arbeitsabteilung mit ausgewiesenen „Protection“-Expert*innen – wie es z.B. auch „Resettlement“- Expert*innen gibt, auch wenn „Resettlement“ ultimativ zu einem verbesserten „Schutz“ beitragen soll. Eine umfassende Expert*innen-Literatur von Handbüchern über Agenden und Konferenzberichte bis hin zu Analysen und Statements zeigt eindrücklich, wie weit verzweigt dieses Thema ist.[7] Das Minimum an Schutz, was Flüchtlingen rechtlich zusteht, ist der Schutz vor unfreiwilliger Rückführung ins Heimatland („refoulement“); in der Praxis hat sich das Verständnis vom Schutz zu einer Ansammlung vielschichtiger, sich dauernd verändernder Anwendungen ausgeweitet. So formuliert die Agenda for Protection von 2002 eine ambitionierte, internationale Deklaration zur Ausweitung des Flüchtlingsschutzes:

„Ein weiteres Ziel des Programmes, nämlich sicherheitsbezogene Bedenken effektiver zu behandeln, konzentriert sich auf die unzähligen Sicherheitsprobleme, denen Flüchtlinge ausgesetzt sind. Der Zusammenbruch sozialer und kultureller Systeme, die Trennung von oder der Verlust von Angehörigen und Gemeinschaft, und die Straflosigkeit mit der Verbrecher gegen Flüchtlinge handeln können, bedeuten, dass Flüchtlinge, und besonders geflüchtete Frauen und Kinder, besonders gefährdet sind, Opfer von Gewalttaten zu werden.“ (UNHCR 2003: 14, eigene Übersetzung)

Um die komplexen Sicherheitsprobleme von Flüchtlingen zu beheben, formuliert die Agenda for Protection vielfältige Maßnahmen, die von Bildungsangeboten für Kinder und Jugendliche über die Beachtung von Prinzipien der „Hilfe zur Selbsthilfe“ bis hin zu Konfliktreduzierung zwischen verschiedenen Flüchtlingsgruppen reichen. Heutzutage umfasst Flüchtlingsschutz also die ganze Bandbreite von Programmen, die es in der Entwicklungshilfe und Nothilfe gibt, von der Bereitstellung von Obdach und lebensnotwendigen Gütern bis hin zu komplexen Interventionen, z.B. zur Wiedereingliederung von Kindersoldaten oder den Heilungsprozessen traumatisierter Frauen.

Der zweite hier zu diskutierende Sicherheitsbereich bezieht sich auf die Sicherheit der Herkunfts- und insbesondere der Aufnahmestaaten. Die Auffassung, dass große Flüchtlingsströme eine Sicherheitsbedrohung für Staaten sind, ist gewissermaßen ein politischer Allgemeinplatz. Dieser lässt sich an der im letzten Jahrzehnt stark angewachsenen Abschottung z.B. der EU vor Flüchtlingen durch bürokratische, bauliche und gewaltförmige Mittel ablesen.[8] Der Diskurs der internationalen Flüchtlingshilfe bildet hier keine Ausnahme, sondern bestätigt generell das souveräne Recht von Staaten, ihre Grenzen und Bevölkerungen zu definieren und vor unkontrollierter Einwanderung zu „schützen“. So hält die oben zitierte UNHCR-Agenda Aufnahmeländer dazu an, Menschen, die keinen Flüchtlingsstatus nachweisen können, rasch abzuschieben, um die Integrität des Asylverfahrens zu bewahren. Das Recht von Staaten, Flüchtlinge zu internieren, wird bestätigt, es gilt nur, diese, vor allem wenn es sich um Kinder handelt, „im Prinzip“ zu vermeiden (UNHCR 2003: 38). Der UNHCR bietet Regierungen auch Beratung an, um z.B. dabei zu helfen, in Situationen der sogenannten „mixed migration“ echte Flüchtlinge mit Schutzanspruch von denjenigen zu trennen, die lediglich Migranten und daher „ohne internationalen Schutzbedarf“ sind (UNHCR 2007). Auf diese Art und Weise wird in vielen Dokumenten des UNHCR die Spannung deutlich, die zwischen dem Anspruch, Flüchtlingen umfangreichen „Schutz“ zu bieten, und dem vom UNHCR anerkannten, international verankertem Recht von souveränen Staaten, ihre Grenzen zu sichern und zu bestimmen, wer auf ihrem Territorium legal wohnen darf, besteht (Barnett 2001; Loescher 2001; Dauvergne 2003; 2004). Michael Barnetts Behauptung, der UNHCR habe sich in den 1990er Jahren zu einer humanitären Organisation mit einem „sovereign face“ gewandelt (Barnett 2001), greift als Erklärung sogar noch zu kurz. Wie vielfach dokumentiert und auch aus Gründungsdokumenten des UNHCR leicht zu entnehmen ist, hat Staatssicherheit immer eine Rolle in der sprachlichen und materiellen Limitierung des gleichzeitig angestrebten Flüchtlingsschutzes gespielt.

Wie oben bereits angedeutet, haben systematische Einwanderungsbegrenzungen und die strenge Ausgrenzung von bereits angelandeten Fremden im Nahen Osten bisher eine geringe Rolle in der dortigen Bevölkerungspolitik gespielt. Stattdessen konnte man eher von kurzfristigen Interessen geleitete Entscheidungen, z.B. zu Grenzöffnungen oder Grenzschließungen, beobachten, die mehr mit geopolitischer, regionaler und internationaler Politik zusammenhingen als mit der unbedingten Notwendigkeit, die nationale Homogenität der einheimischen Bevölkerung zu wahren. Doch im letzten Jahrzehnt zeichnet sich in der Region eine Verstärkung der systematischen Differenzierung zwischen Einheimischen und Fremden ab, die von Behörden und Beobachter*innen als selbstverständliche Reaktion auf die Sicherheitsbedrohung durch Flüchtlingsströme dargestellt und verstanden werden.

Auf die Sicherheitsbestrebungen Jordaniens und die breiteren staatlichen Interessen, die sich aus dem Komplex „syrische Flüchtlinge“ ergeben, kann ich hier nur zusammenfassend eingehen. Denn wie der Artikel zeigt, gibt es keine stabile Interessenlage. Vielmehr verändern sich diese Interessenlage und ihre Umsetzung eben im Zusammenspiel mit der internationalen Flüchtlingshilfe. Zwei Bereiche lassen sich grob unterscheiden: Erstens gibt es die Sorge, es könnte aufgrund der Wahrnehmung, dass die Aufnahme von Syrer*innen zu materiellen Nachteilen für Einheimische führt, zu einer Gefährdung der sich stark auf Patronage aufbauenden Machtbalance zwischen Eliten und ärmeren Schichten kommen. Kleinere Proteste Einheimischer – beispielsweise gegen die Überlastung der örtlichen Wasserversorgung in Mafraq – sowie vielzählige Berichte über Lohndumping durch die Präsenz syrischer Flüchtlinge und über kleinere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Syrer*innen und Einheimischen haben diese Sorge genährt. Die Eskalation der Gewalt im ersten Flüchtlingslager Zaatari im Jahr 2012, durch die jordanische Sicherheitskräfte z.T. schwer verletzt wurden, wird von Beobachter*innen als ein Wendepunkt beschrieben, in dessen Folge ein viel stärker sicherheitspolitisch geprägter Blick der jordanischen Behörden auf den Flüchtlingssektor entstand, z.B. durch die Bildung einer neuen, speziell dafür zuständigen Polizeieinheit (das sog. Syrian Refugees Affairs Directorate, s.u. S. 292ff). Wichtig für die hier vertretene Argumentation ist, dass Nothilfeakteure (sowohl UNHCR, als auch NROen) das vermutete Sicherheitsrisiko durch Flüchtlinge nicht in Frage stellen, sondern durch ihre eigene Rhetorik unterstützen, z.B. durch häufige Hinweise darauf, dass Flüchtlinge eine Überlastung der öffentlichen Infrastruktur verursachen u.Ä. Humanitäre Praxis integriert den Sicherheitsanspruch von Aufnahmeländern, auch wenn dieser im Widerspruch zum Sicherheitsanspruch der Flüchtlingsbevölkerung steht.

Der dritte Sicherheitsaspekt, der in UNHCR-Dokumenten nur selten direkt behandelt, aber in der humanitären Praxis immer wichtiger wird, ist die Sicherheit der humanitären Helfer*innen. Der in den letzten Jahren zu beobachtende Anstieg von bewaffneten Angriffen auf Mitarbeiter*innen humanitärer Organisationen und die zunehmende Verquickung von militärischen und humanitären Interventionen haben dazu geführt, dass diese Organisationen zunehmend Maßnahmen zum Eigenschutz in ihre Programme integrieren (Fast 2014; Schneiker 2014). Während NROen dies in individueller Eigenregie tun, fällt der Eigenschutz der UNHCR-Mitarbeiter*innen unter das Mandat der 2005 gegründeten, eigenständigen Behörde United Nations Department for Safety and Security. Da eine breitere Diskussion der signifikanten Veränderungen im Bereich des humanitären Eigenschutzes den Rahmen dieses Artikels übersteigt, soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass die Sorge um die eigenen Sicherheit immer mehr Ressourcen und Personal verschlingt und zu einem eigenständigen Expert*innenfeld angewachsen ist. Der Eigenschutz ist aktuell eines der zentralen Themen im Bereich der humanitären Hilfe und ein Feld, in dem zurzeit wichtige Neuerungen stattfinden (s. z.B. die Webseiten der Organisation European Interagency Security Forum, https://www.eisf.eu/, letzter Aufruf: 3. 6. 2015).

Diese hier kurz umrissene und faszinierend vielschichtige Rolle von Sicherheit und Sicherung („securitization“) in der humanitären Hilfe wird seit einigen Jahren in einer begrenzten, interdisziplinären Literatur wissenschaftlich untersucht. Kritische Sicherheitsforscher*innen (Huysmans 2006), Anthropolog*innen (Fassin & Pandolfi 2013; Feldman & Ticktin 2010), IB-Wissenschaftler*innen (Watson 2011) und Architekt*innen (Weizman 2012) haben sich im vergangenen Jahrzehnt damit auseinandergesetzt. Ein wichtiges Konzept in dieser Diskussion ist der duale Begriff des „Care and Control“, dessen Übersetzung als „Betreuung“ zusammengefasst werden kann (Pallister-Wilkins 2015). „Betreuung“ umfasst sowohl die Herstellung einer fürsorgenden Pflege als auch das Ausüben von Kontrolle, Überwachung und Supervision, ein Zusammenspiel, das in der Literatur bereits an verschiedenen Fallbeispielen dargestellt wurde. Die physische und konzeptuelle Nähe zu Situationen von Gewalt und sozialem Chaos bedeuten seit jeher eine funktionale Verbindung zwischen humanitärer Fürsorge und polizeilicher oder militärischer Kontrolle, meint der französische Anthropologe Michel Agier (Agier 2010; Pallister-Wilkins 2015).

Dass diese Hilfe auf einem dynamischen, doch strukturierten Sicherheitsfeld beruht, welches eine „eigene Logik der Bedrohung und Verwundbarkeit und historische Praktiken besitzt, die bestimmte Akteure ermächtigen, Sicherheit zu definieren“, schreibt auch der kanadische IB-Wissenschaftler Scott Watson (2011: 5). Die besondere Macht dieser Sicherheitslogik liegt darin, dass humanitäre Hilfe den Ausnahmezustand benennen und legitimieren und große Ressourcen für außergewöhnliche Notstandsmaßnahmen mobilisieren kann. Humanitäre Sicherheitsprinzipien privilegieren so durch ihre Verbindung mit millionenschweren gesellschaftlichen Interventionen die Sicherheitsvorstellungen von globalen Eliten, auf deren transnationalem Know-How diese Interventionen beruhen.

Claudia Aradau (2004) hat den besonderen Widerspruch, der sich ergibt, wenn von der zu versorgenden Bevölkerung selbst vermeintliche Sicherheitsrisiken ausgehen, in einigen Artikeln überzeugend bearbeitet. Sie argumentiert, dass eine vom Erbarmen („pity“) für die Leidtragenden geleitete Politik eigentlich ausschließen muss, diese Menschen für gefährlich oder risikobehaftet zu halten. Doch Aradau zeigt am Beispiel von Frauenhandel, wie sich humanitäre Politik mit Sicherheitsbedenken vermischen bzw. überlagern kann, wenn Akteure in der Identität der Leidtragenden ein Risiko für sich erkennen. Da, wie oben dargestellt, Flüchtlingsbevölkerungen immer auch als eine Bedrohung für die Staatssicherheit und für humanitäre Helfer*innen gesehen wird, passt Aradaus Einsicht, dass sich Erbarmen mit Risikomanagement vermischen kann, auf die folgende Analyse des Lagers Azraq. Denn die Überlagerung von humanitären und sicherheitsbezogenen Maßnahmen produziert eine bestimmte Ordnung: „Versteht man sie als Regierungsformen, dann erscheinen humanitäre und sicherheitsbezogene Maßnahmen als praktische Interventionen mit einem bestimmten Ziel, welche gleichzeitig die zu regierende Subjekte formen und konstituieren.“ (Aradau 2004: 254) Die Analyse soll aufzeigen, welche konkreten Auswirkungen die Überlagerung von Fürsorge und Sicherheitsbedenken auf das Umfeld der syrischen Flüchtlinge in Jordanien hat.

„Welcome to Azraq Camp“: Syrische Flüchtlinge in Jordanien und das Azraq Camp

Das im Sommer 2014 eröffnete Flüchtlingslager Azraq befindet sich in der jordanischen Wüste etwa 120 km östlich der Hauptstadt Amman und 20 km vom nächsten kleineren Ort entfernt (UNHCR 2014d). Es wurde für syrische Flüchtlinge gebaut, nachdem das erste vom UNHCR geleitete Lager Zaatari mit über 80.000 Syrer*innen Ende 2012 überfüllt war. Bereits dieses Lager stellte eine gesellschaftliche Neuerung dar, denn seit der Ankunft der letzten Palästinenserflüchtlinge in den 1960er Jahren waren im Land keine neuen Flüchtlingslager gebaut worden. Während sich palästinensische Flüchtlingslager in der Nähe von Städten befanden und sich aufgrund der Einbürgerung seiner Bewohner*innen in Stadtteile verwandelt haben, die auf den ersten Blick keinen besonderen „Lagercharakter“ aufweisen, liegen die neuen Lager fernab im Niemandsland und sind mit einer komplett eigenständigen Infrastruktur ausgestattet. Die dort untergebrachten Flüchtlinge dürfen die Lager offiziell nur unter strengen Auflagen verlassen. Zudem sehen sie sich wachsenden staatlichen Repressalien ausgesetzt und können nicht auf eine Einbürgerung hoffen (Black 2014). Die Unterbringung eines Teils der syrischen Ankömmlinge in Lagern steht außerdem im Gegensatz zur Politik während der irakischen Flüchtlingskrise (s.o., S. 282; vgl. Chatelard 2009). Wenn das Lager Azraq komplett fertiggestellt ist, soll es etwa 130.000 Menschen Platz bieten; derzeit leben etwa 19.000 Syrer*innen dort.

Während der Bauphase im Frühjahr 2014 sanken entgegen UNHCR-Prognosen die Zahlen der nach Jordanien flüchtenden Syrer*innen. Aus diesem Grund blieb ungewöhnlich viel Zeit für die Fertigstellung des ohnehin bereits sehr sorgfältig geplanten Lagers (Deutsche Welle 2014). So wurde es schließlich zum „womöglich am besten geplanten Lager der Welt“, wie die libanesische Zeitung Daily Star schrieb (The Daily Star 2013, eigene Übersetzung). Aufgrund dieser sorgfältigen Planung und der Tatsache, dass dort die als misslich empfundenen Zustände des Zaatari-Lagers durch Lernen aus Erfahrung verhindert werden sollten, stellt es ein besonders geeignetes Studienobjekt dar, um neueste Entwicklungen in der internationalen humanitären Flüchtlingshilfe zu untersuchen.

Abgrenzung der syrischen Bevölkerung

Die abgeschiedene Lage des Lagers stellt für sich genommen eindrücklich dar, dass es die räumliche Abgrenzung der in ihm lebenden Menschen vom Rest der jordanischen Gesellschaft verwirklicht. Azraq ist zudem von einem Graben und z.T. von Stacheldrahtzäunen umgeben. Die große Entfernung zum nächsten Ort machen ein Verlassen des Lagers ohne Hilfe ohnehin schwierig. Flüchtlinge, die es verlassen wollen, müssen einen jordanischen Bürgen haben und einen Sicherheitscheck durchlaufen – wenn sie sich auf eigene Faust entfernen und keine offiziellen „Ausreise“-Papiere haben, verwirken sie ihr Anrecht auf humanitäre Hilfe und können jederzeit von jordanischen Sicherheitskräften nach Azraq zurückgebracht werden (UNHCR & Syrian Refugees Affairs Directorate 2014).[9]

80 % der ca. 600.000 syrischen Flüchtlinge leben nicht in Lagern, sondern in Unterkünften, die sie auf dem freien Wohnungsmarkt gefunden haben. Ihre strikte räumliche Trennung von der einheimischen Bevölkerung wurde erst durch den Bau der humanitären Lager möglich. Die Einweisung aller syrischen Neuankömmlinge in Lager begann erst mit der Fertigstellung des Zaatari-Lagers im Jahr 2012 und wird seit der Erstellung von Azraq systematisch durchgeführt. Gemäß Medienberichten wurde nach der Eröffnung von Azraq ein neues Verbot für inoffizielle Siedlungen von syrischen Flüchtlinge erlassen; deren Bewohner*innen wurden von der Polizei festgenommen und in das Lager deportiert (Debaja 2014). Hier wird deutlich, wie das humanitäre Know-How von Lagerbau und zentraler Versorgung es dem jordanischen Staat erleichtert oder gar erst ermöglicht, zwischen Einheimischen und Flüchtlingen strikt zu unterscheiden und die letzteren in einem völlig anderen politischen und sozialen Milieu leben zu lassen. Dieses Wissen und diese Praxis verbinden sich so im Azraq-Lager mit den Sicherheitsbestrebungen des Staates, eine strenge Ausgrenzung der syrischen Flüchtlinge durchzusetzen.

Im Lager selbst integrieren humanitäre Organisationen eine Anzahl technischer Steuerungssysteme, die in ihrem Zusammenspiel noch nie so gezielt in einen Lagerneubau eingearbeitet wurden. Sie vereinfachen eine genaue Übersicht über Infrastruktur und Lagerbewohner*innen. Eine der technischen Innovationen ist die Darstellung des Lagers über eine Kartographie-Software, die durch ein Wiki gemanagt wird, zu dem alle humanitären Akteure im Lager online Zugang haben („OpenStreetMap“, Refugee Camp Mapping 2014). In Verbindung mit der schon länger bestehenden UNHCR-Datenbank „ProGres“, in der alle Flüchtlinge bei ihrer Ankunft individuell registriert werden, gibt „OpenStreetMap“ einen schnellen Einblick in aktuelle Bevölkerungsstatistiken des Lagers und ermöglicht es, für Neuankömmlinge sofort eine passende und freie Unterkunft zu identifizieren. Jede Unterkunft besitzt eine spezifische Adresse, die es ermöglichen soll, jede Lagerbewohnerin/jeden Lagerbewohner jederzeit zu lokalisieren (UNHCR Jordan 2014). Auf der Online-Plattform Refugee Assistance Information System wiederum dokumentieren Hilfsorganisationen, wann sie welche Dienstleistungen im Lager vorgenommen haben und wer sie individuell empfangen hat (UNHCR 2014a). Im Idealfall geben diese verschiedenen Datenbanken jederzeit und in Echtzeit alle erfassten Lebensumstände im Lager wieder, dokumentieren Gesundheitszustand der Bewohner*innen, zeigen an, wie viele Kalorien wann und an wen verteilt wurden und wer in welcher Unterkunft wohnt. Diese präzise Kontrolle, die mit einer wohlkalibrierten und individuell abgestimmten Fürsorge einhergeht – bzw. im Idealfall einhergehen soll –, stellt eine neuartige Form der Bevölkerungsversorgung dar, da der jordanische Staat selbst nicht über ein solch präzises Melde- und Dokumentationssystem verfügt. Auch hier kombiniert sich das humanitäre Know-How mit einer nationalstaatlichen Logik, aus der sich die Abschottung syrischer Neuankömmlinge von der jordanischen Bevölkerung ergibt; umgekehrt bestätigt und verstärkt diese Abschottung die nationalstaatliche Logik. Die Einrichtung humanitärer Lager scheint demnach eine zwiespältige Wirkung für das Handlungsfeld von dort lebenden Syrer*innen zu haben: Einerseits sichern die Lager das nackte Überleben, andererseits wirken sie gegen Integration und selbstbestimmte Existenz, denn sie verdinglichen und verstärken die Andersartigkeit von Syrer*innen in Jordanien aufgrund ihrer Nationalität. Zuvor war eine solch extreme Form der Stigmatisierung rein technisch nicht möglich. Als „urban refugees“ mischten sich die Syrer*innen im schlecht zu durchschauenden Dickicht der Städte mit der einheimischen Bevölkerung, von der sie sich im Aussehen, in der Sprache und dem gesellschaftlichen Habitus nicht sehr unterschieden. Die Form, die Abgeschiedenheit, die Regeln und die Techniken des Azraq-Lagers lassen vermuten, dass sich – anders als bei den palästinensischen Lagern – diese herbeigeführte „Andersartigkeit“ der Lagerbewohner*innen verstärken wird, je länger sie dort leben.

Die Überlappung verschiedener Sicherheitsansprüche im Azraq Lager

Planung und Design des Azraq-Lagers zielen laut Expert*innen-Interviews und UNHCR-Dokumenten vor allem darauf ab, den Schutzraum („protection space“) für Flüchtlinge zu verbessern bzw. unter den schwierigen Lebensbedingungen im Lager so angenehm wie möglich zu gestalten (Redvers 2013). Dieser Anspruch spiegelt sich zum Beispiel in Design und Inhalt eines Faltblattes wider, welches neu ankommenden Lagerbewohner*innen zur Orientierung dienen soll. In dem ansprechend gestalteten Faltblatt mit dem Titel Willkommen im Azraq Camp Jordanien heißt es u.a.: „Der UNHCR und alle Partner sind hier, um Sie zu unterstützen“, mit dem Hinweis, dass alle „Service“-Leistungen „kostenlos“ sind (UNHCR 2014c, eigene Übersetzung). Es endet mit der Einladung: „Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich bitte an den UNHCR oder das Care Community Centre in Ihrem Dorf“, denn „alle Mitarbeiter*innen sind darin geschult, Ihnen zu helfen, Ihre Fragen zu beantworten und Sie mit Ihren Rechten und Pflichten vertraut zu machen“ (UNHCR 2014c, eigene Übersetzung). In weiteren Paragraphen informiert es die Leser*innen in freundlichem Ton über den Umgang mit den ihnen zugewiesenen Behausungen, z.B. darüber, dass das Weitervermieten der Unterkunft nicht gestattet oder dass bei Verlassen des Lagers der Schlüssel wieder beim UNHCR abzugeben ist.

Die Ähnlichkeit dieses Faltblattes mit professionellem Marketing oder gar Hotelfach-Jargon mag zunächst satirisch anmuten, denn tatsächlich handelt es sich bei dem Lager ja um eine sehr einfache Unterbringung, aus der man sich nicht nach freiem Willen entfernen darf, inmitten extremer Umweltbedingungen. Doch tatsächlich passt das Faltblatt sehr genau zu dem humanitären Selbstverständnis, bei dem es oberstes Ziel ist, den Flüchtlingen ein menschenwürdiges und möglichst selbstbestimmtes Leben im Exil zu ermöglichen. Aus diesem Verständnis heraus ist es durchaus nachvollziehbar, völlig verarmte Flüchtlinge, die ohne eigene Existenzmöglichkeit in ein Lager in der Wüste eingesperrt werden, in einem Willkommensflyer wie Kund*innen oder Tourist*innen anzusprechen. Denn auf diese Art wird das Recht des jordanischen Staates, syrische Flüchtlinge auszugrenzen, bewahrt, ohne dass der Anspruch, Flüchtlingen so viel Schutz wie möglich zu bieten, aufgegeben werden muss.

Ein weiterer Willkommensflyer betont, Azraq bestehe nur aufgrund der „Gastfreundschaft“ der jordanischen Regierung, während die Rechte, die anerkannte Flüchtlinge international genießen – und auf denen selbstverständlich auch das Lager fußt –, unerwähnt bleiben (UNHCR & Syrian Refugees Affairs Directorate 2014). Ferner heißt es, dass die jordanischen Behörden „zusammen mit Ihnen verantwortlich für Ihre Sicherheit im Lager“ sind. Wenig später teilt das Flugblatt mit, dass „ein nicht vom SRAD [Syrian Refugee Affairs Directorate] autorisiertes Verlassen des Lagers schwerwiegende Konsequenzen hat“ (ebd., eigene Übersetzung). Schließlich informiert es die Bewohner*innen darüber, dass ein „Dorfpolizist“ rund um die Uhr in ihrem Dorf stationiert ist und dass sie sich an die zentrale Polizeistation wenden sollen, falls sie eine Anzeige erstatten wollen. Die Polizeipräsenz im Lager schützt hier einerseits die Lagerbewohner*innen voreinander und andererseits die Souveränität des jordanischen Staates, den Aufenthaltsort der Flüchtlinge zu bestimmen: eine Überlagerung von „Care“ und „Control“.

Die innovative Form und Ausrichtung der in Azraq verwendeten Unterkünfte, lassen sich ebenfalls damit erklären, dass sie die widersprüchlichen Sicherheitsbestrebungen der humanitären Hilfe gleichzeitig erfüllen können. Nachdem die Prüfung des Azraq Geländes ergeben hatte, dass Zelte den extremen Witterungsbedingungen nicht Stand halten würden, debattierten verschiedene humanitäre Organisationen mögliche Alternativen in der dafür einberufenen Shelter Focus Group (UNHCR 2013). Zu den Mitgliedern dieser Shelter Group gehörten internationale und jordanische Organisationen und Consultants; einmalig wurden auch einige syrische Flüchtlinge zu ihren Ansichten befragt. Im Zaatari-Lager waren Zelte durch mobile Wohncontainer ersetzt worden, was jedoch zu einer Reihe von Problemen geführt hatte: Vor allem die Tatsache, dass die Container häufig verschoben oder verkauft wurden, hatte die Lagerordnung durcheinandergebracht und es der Leitung sehr erschwert, die Übersicht über die Lagerbevölkerung zu behalten (A Day in the Life 2013). Ferner war es regelmäßig zu Protesten und Krawallen gekommen, die als eine Bedrohung sowohl für humanitäre Helfer*innen als auch für andere Flüchtlinge wahrgenommen worden (Knell 2014a). Zudem vermutete die Lagerleitung, dass die selbstorganisierte Sicherheitsstruktur im Lager zu mafiösen Verhältnissen geführt hatte (Sullivan & Tobin 2014). All diese Probleme wollte man in Azraq vermeiden.

Das schließlich durch einen monatelangen Prozess für Azraq entwickelte „T-Shelter“ ist ein aus isolierten Metallplatten gebautes Häuschen mit einem Glasfenster und einem Giebeldach (UNHABITAT u.a. 2014). Es bietet einen Grundschutz gegen die im Lager vorkommende extreme Hitze und Kälte und bietet einer Familie mit bis sechs Mitgliedern ausreichend Platz, kalkuliert nach den sogenannten „sphere standards“, einem humanitären Regelwerk. Da es sich abschließen lässt und nur die jeweiligen Bewohner*innen einen Schlüssel erhalten, bietet es eine gewisse Privatsphäre, die durch verschiebbare Innenwände noch verstärkt werden kann. Ein ursprünglich geplanter Windfang vor der Eingangstür, der es Frauen ermöglicht hätte, von außen ungesehen die Tür zu öffnen, musste aus Kostengründen aufgegeben werden, veranschaulicht jedoch, dass das T-Shelter Flüchtlingen einen so effizienten Schutz- und Sicherheitsraum wie möglich zur Verfügung stellen soll (ebd.).

Die T-Shelter sind fest im Boden verankert und lassen es daher nicht zu, dass Flüchtlinge durch Eigeninitiative die Aufstellungsordnung des Lagers verändern. Um diesem Wunsch von vorneherein vorzubeugen, wurde das Lagerdesign überarbeitet: Statt wie in Zaatari in langen Reihen angelegt, bilden die T-Shelter „Dörfer“, die wiederum in kleinere „Blocks“ unterteilt sind, welche jeweils von sechs Familien bewohnt werden (Care International 2014; Beaumont 2014). Neuankömmlinge sollen gleich in der Nähe von Bekannten oder Verwandten angesiedelt werden, um die Privatsphäre und das Sozialgefüge des Lagers zu verbessern. Hier verbindet sich exemplarisch der Anspruch der Lagerleitung, die Wissenshoheit über die Lagerbevölkerung zu behalten und somit das Sicherheitsrisiko zu minimieren, das sich aus einer ihr unbekannten Ordnung ergeben könnte, mit dem Wunsch, den Schutzraum für die Flüchtlinge zu erweitern. „Care“ in der Form einer optimierten und teuren Unterkunft und „Control“ in der Form einer festen Verankerung und einer vorgegebenen Familienstruktur, die von den Flüchtlingen nicht verändert werden kann. Während die Möglichkeit der Flüchtlinge, ihr Leben im Lager selbst zu gestalten und sich dem Blick der Lagerleitung zu entziehen, reduziert wird, wird ihnen auf der anderen Seite eine hochwertigere Unterkunft mit verbesserter Betreuung bereitgestellt.

In Azraq sind nicht nur die T-Shelter nach dem dezentralen Dorf-Prinzip aufgestellt, sondern auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Alltagsgütern und Sanitäranlagen findet dezentral und möglichst sogar individuell statt. Beispielsweise erhalten Flüchtlinge nicht nur standardisierte Lebensmittelpakete, sondern bekommen Gutscheine, mit denen sie im Supermarkt des Lagers ihre Bedürfnisse nach individuellen Wunsch decken können (Knell 2014b). Die Erfahrungen in Zaatari hatten gezeigt, dass eine zentralisierte Struktur regelmäßig zu Situationen führte, in denen, z.B. bei Verteilungsaktionen, Tausende von Flüchtlinge aufeinandertrafen, was als eine Begünstigung von Unruhen wahrgenommen wurde. Auf diese Weise erfüllt das Prinzip der Dezentralität in Azraq einerseits den humanitären Wunsch, den Flüchtlingsschutz auszuweiten, denn mehr Respekt für Individualität gilt als eine Ausweitung der Menschenwürde von Flüchtlingen. Andererseits trägt es der Forderung Rechnung, das vermutete Aggressionspotenzial einer großen, verarmten Bevölkerung einzudämmen und zu neutralisieren. Die Stationierung von jordanischen Sicherheitsbehörden auf verschiedenen Ebenen in Azraq passt ebenfalls in das Prinzip der Dezentralisierung. Die Überlappung eines von Erbarmen geleiteten Verständnisses, das die Lagerbewohner*innen wegen der fehlenden nationalen Zugehörigkeit vor allem als verwundbare Opfer auffasst, mit einem Verständnis, das in diesen Menschen ein Sicherheitsrisiko sieht, wird durch die optimierte Polizeipräsenz noch einmal verdeutlicht.

Schlussfolgerungen

Im Nahen Osten entfaltet sich die politische Logik der humanitären Flüchtlingshilfe in einem Umfeld, in dem nationale Bindung und eine gelebte Beziehung zwischen dem Staat und seinen Bürger*innen relativ gering ausgeprägt sind. Hier genießen die Staats-„Bürger“ nicht nur keinen systematischen Schutz, sondern sind im Extremfall sogar gewaltsamen Übergriffen durch staatliche Autoritäten ausgeliefert, die über jedem Recht und Gesetz stehen. Auf der anderen Seite bedeutete diese geringe Ausprägung einer nationalen Einheit zwischen dem Staat und seinen Bürger*innen in der Vergangenheit, dass Flüchtlinge und Migrant*innen aus Nachbarstaaten relativ leicht integriert werden konnten. In der aktuellen syrischen Flüchtlingskrise verändert sich derzeit diese Integrationspolitik, besonders sichtbar in Jordanien. Der Bau der humanitären Lager geht einher mit wachsenden Repressalien gegen außerhalb der Lager lebende Syrer*innen und trägt zur ihrer wachsenden Ausgrenzung bei. So ist zu beobachten, dass nach einer etwa einjährigen Existenz der Lager jordanische Behörden das Verlassen der Lager zunehmend erschweren oder komplett verbieten. Gleichzeitig haben diese Behörden die Verfahren zur Erstellung von Flüchtlingsausweisen so geändert, dass die neuen Regeln es dem UNHCR erschweren bzw. verbieten, Hilfsleistungen Syrer*innen zukommen zu lassen, die sich „illegal“ außerhalb eines Lagers aufhalten. Jordanische Sicherheitskräfte gehen zunehmend dazu über, diese Menschen zu verhaften und nach Azraq zu deportieren. Hieran sieht man, wie durch die Praxis der Sicherheitsbehörden neue Kategorien der Legalität bzw. Illegalität geschaffen werden. Die wachsende Ausgrenzung von Syrer*innen wird von jordanischen Behörden selten öffentlich kommentiert, doch wird sie von Beobachter*innen generell mit Sicherheitsinteressen erklärt: Die Regierung sei in Sorge, dass die anhaltende Präsenz einer großen Zahl Flüchtlinge z.B. zu Unruhen unter der einheimischen Bevölkerung führen könnte.

Dieser Beitrag hat dargestellt, dass sich die wachsende Ausgrenzung von syrischen Flüchtlingen in Jordanien nicht an vorderster Stelle mit den, von der gängigen Politikwissenschaft oft als selbstverständlich betrachteten Sicherheitsinteressen des jordanischen Staates begründen lässt, sondern dass sich beide – Ausgrenzung und Sicherheitsinteressen – erst im Zusammenspiel mit dem internationalen Flüchtlingsregime und mit den Technologien ergeben, die dieses importiert. Dazu hat er das 2014 eröffnete Lager Azraq untersucht und gezeigt, dass sich dessen Form und Konzept durch zwei Elemente der internationalen Flüchtlingshilfe erklären lassen: erstens ihrem nationalstaatlichen Politikverständnis, nach dem die Ausgrenzung von Nichtbürger*innen ein naturgegebenes staatliches Recht ist, und zweitens ihrer Sicherheitslogik, in der sich die Sicherheit der Flüchtlinge mit der der Aufnahmeländer und der der humanitären Helfer*innen selbst überlappt. Die Fallstudie hat gezeigt, dass humanitäres Know-How, geprägt von diesen Elementen, sich mit staatlicher Ausgrenzungspolitik verbindet und im schlechtesten Fall zur verschärften und dauerhaften Ausgrenzung von Flüchtlingen beitragen kann.

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Anschrift der Autorin
Sophia Hoffmann
sophia.hoffmann@uni-bremen.de

Peripherie, Nr. 138/139, 35. Jg. 2015, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster, S. 281-302
Bestelladresse: info@zeitschrift-peripherie.de



*       Dieser Artikel resultiert aus der ersten Phase einer zweijährigen Forschung über humanitäre Hilfe im Nahen Osten. Er stützt sich auf eine qualitative Dokumentenanalyse humanitärer Publikationen, zehn qualitative Interviews mit humanitären Sicherheitsexpert*innen und einen ersten kurzen Aufenthalt in Jordanien im Oktober 2014. Danken möchte ich an dieser Stelle zwei anonymen Gutachten sowie der Redaktion der Peripherie für wertvolle Hinweise zur Überarbeitung des Textes.

[1]       Die Betitelung „Naher Osten“ wird hier wegen ihrer fehlenden Präzision in Anführungszeichen gesetzt, auch um darauf hinzuweisen, dass es sich ursprünglich um eine koloniale Bezeichnung für die Länder der östlichen Mittelmeerregion handelt (im Englischen häufig als „Levant“ bezeichnet). In diesem Artikel bezieht sich der Begriff „Naher Osten“ auf Syrien und Syriens Anrainerstaaten.

[2]       In diesem Artikel bezieht sich „humanitäre Flüchtlingshilfe“ auf den dominanten, internationalen und vom UNHCR geführten Sektor. Selbstverständlich gibt es auch einen wichtigen, allerdings viel kleineren und finanziell schwächeren „alternativen“ Sektor wie z.B. von den Organisationen No Borders oder Calais Migrant Solidarity vertreten, die für eine revolutionäre und antistaatliche Politik eintreten und nicht dem klassischen humanitären Sektor zuzuordnen sind.

[3]       Der für diesen Artikel zentrale Begriff „Sicherheit“ wird bewusst nicht im Voraus definiert. Der Grund hierfür ist ein wichtiger methodischer und theoretischer Punkt, den die für den Artikel durchgeführte Forschung verdeutlicht, dass sich nämlich die materielle Bedeutung – also die Verdinglichung – von Sicherheit, wie sie sich letztendlich auf Lebensumstände auswirkt, z.T. signifikant von den ideellen Sicherheitskonzepten der Akteure unterscheidet. Die Umsetzung und der Effekt von Sicherheit entsprechen also nicht unbedingt ihrer Planung.

[4]       Agier 2010; Fassin & Pandolfi 2013; Hyndman 2000; Inhetveen 2010; Johnson 2013.

[5]       Als besonders gelungener Beitrag zu dieser Frage gilt das bereits zitierte, 1995 erschienene Buch Purity and Exile, in dem Liisa Malkki analysiert, wie sich die imaginierte „nationale Ordnung der Dinge“ auf die internationale und die lokale Flüchtlingspolitik sowie auf die Politik der Flüchtlinge selbst auswirkt.

[6]       In diesem Zusammenhang ist Folgendes wichtig: Obwohl es beiden an einer staatlichen „Zuordnung“ mangelt, sind Flüchtlinge nicht mit staatenlosen Menschen identisch, weil sich deren Situation aus anderen Zusammenhängen ergibt.

[7]       Das UNHCR Protection Manual, welches eine Sammlung der wichtigsten Publikationen zum Thema darstellt, umfasst mehr als 1.000 Einträge.

[8]       Tatsächlich ist die große Angst vor Fremden als einer Bedrohung der staatlichen Ordnung selbstverständlich nicht naturgegeben, sondern hat sich, wie z.B. Michel Foucault in seinen Vorlesungen „Society must be defended“ erläutert, sogar erst relativ spät nach der Entwicklung der modernen Territorialstaaten in Europa entwickelt (Foucault 2003).

[9]       Diese Praxis hat sich seit etwa Anfang 2015 noch deutlich verschärft.