Wie hängt öffentlicher Raum mit Verdrängung zusammen ? Ein Beispiel aus Berlin-Neukölln.
Mit Zwangsverdrängungen die Wohnsituation verbessern? Roma als "Problemfamilien"? Sicherheitsdienste auf dem Schulhof? Maßnahmen "zur Realisierung stabilisierender und gebietsaufwertender Projekte" haben viele Schattenseiten.
Schillerkiez - Geschichte und Lage
Der Schillerkiez war lange Zeit ein typischer Teil Berlin-Neuköllns, geprägt von Alteingesessenen und MigrantInnen. Zwischen der Hermannstraße und dem Flughafen Tempelhof gelegen, war er mit einer besonderen Randlage "gesegnet". Wer hier nicht wohnte, kam auch nicht her, die Situation also vergleichbar mit Kreuzberg vor der Wende. Flugzeuggeräusche und Kerosingeruch trugen zusätzlich zur Missgunst der Lage bei.
Zum derzeitigen Wandel des Kiezes hat auch die Umwandlung des Flughafen Tempelhofes in einen Park beigetragen. Die frühere Randlage wurde so umgekehrt. Mittlerweile werden Eigentumswohnungen hier mit dem Verweis auf die Internationale Gartenausstellung 2017 beworben. Einen krasseren Wandel der Lagegunst gibt es kaum.
Öffentlicher Raum und Verdrängung
Eine Stütze von Aufwertung des Kiezes und Verdrängung der AnwohnerInnen ist die Herrschaft über den öffentlichen Raum. Dieser sollte weder einer bestimmten Nutzung, noch einer Personen- oder Interessengruppe unterworfen sein. Er ist einerseits Spiegel der ansässigen Kiezbevölkerung, andererseits aber auch Schaufenster für die restliche Bevölkerung. Hier zeigt sich das Gesicht, der Charakter des Kiezes. Praktisch ausgedrückt: Sind die Alkis im öffentlichen Raum erst einmal durch Studis und junge Familien ersetzt, so ist der Imagewandel vollzogen.
Die einzige Bedingung: Damit der Wandel reibungslos ablaufen kann, müssen die unterschiedlichen Nutzungen nebeneinander existieren können. Und genau hier wird häufig Hand angelegt um die Herrschaft über den öffentlichen Raum zu erlangen.
Quartiersmanagement (QM) und andere Akteure
QMs, von der Politik eingesetzte private Akteure, haben das Ziel "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf" zu stabilisieren und eine Bevölkerungsmischung im Kiez herzustellen. Dazu stehen mehrere Fördertöpfe bereit aus denen Maßnahmen auf Antrag finanziert werden. Diese müssen laut Rahmen-Geschäftsordnung "zur Realisierung stabilisierender und gebietsaufwertender Projekte" verwendet werden. Der Quartiersrat entscheidet über die Mittelvergabe von Summen bis zu 10.000 Euro. Obwohl als BewohnerInnenvertretung gefeiert, sind nahezu 50% der Vertreter von Vereinen, Clubs und EigentümerInnen, die hier auch ihre Partikularinteressen vertreten.
Ein QM-Projekt ist Bequit, ein Sozialunternehmen, das seinen Profit aus geringfügig bezahlten Jobs und den öffentlichen Fördertöpfen zieht. Im Schillerkiez beschäftigt Bequit sogenannte KiezläuferInnen, eine Art unterbezahlte SoftSecurity. Die Aufgabe: Durch Präsenzzeigen für Sicherheit und Sauberkeit sorgen, Unruheherde und unnormierte Verhaltensweisen unterbinden.
Ein weiteres Projekt ist die Task force Okerstraße (TAO). Mit QM-Geldern soll die TAO auf die mangelnde Vernetzung der unterschiedlichen Akteure von Jugendamt, Schulen, Polizei, Sozial- und Bezirksamt reagieren und deren Informationen bündeln. Ein internes Positionspapier beruft sich eben auf das Nutzungsrecht des öffentlichen Raumes durch alle Bevölkerungsgruppen um dann sofort die Sündenböcke des Übels auszumachen: "Problemfamilien" (gemeint sind Roma), "Trinker" und die EU-Osterweiterung. Dabei zielen die Handlungsempfehlungen auf die Verdrängung aus dem öffentlichen Raum unter dem Deckmantel sozialer Fürsorglichkeit. Stärkere Kontrolle von Roma durch das Jugendamt, das Sprengen "illegalen" Straßenhandels und die unverhohlene Androhung von Zwangsverdrängung mit dem Argument der Verbesserung der Wohnsituation gehören dazu. Dass so soziale Zusammenhänge und überlebensnotwendige Netzwerke zerstört werden, wird ignoriert.
Auch den "Trinkern" der Schillerpromenade ergeht es im dem Papier der TAO nicht besser. Um sie zu verdrängen wurden einige Sitzbänke der Schillerpromenade abgebaut, von Überwachung ganz zu schweigen.
Auch die Security auf dem Schulhof (gegenüber der Schillerpromenade) dient dazu Angst und Zwietracht zu schüren. Das Signal: Eure Kinder leben gefährlich, aber wir passen auf! Das Ziel: Aus Angst und Verunsicherung sollen die bürgerlichen Normalos sich zunehmend an die Obrigkeit wenden, damit diese eine Legitimation für Kontrollen und Verdrängung im öffentlichen Raum bekommt. So eine "aktive Nachbarschaft" wäre ein weiterer Mosaikstein auf dem Weg zu einem von Prekariat und Elend befreiten, gentrifizierten Kiez.