Religiöser Bekenntnisunterricht gehört in die Kirche, nicht in die Schule

Ärgernis Religionsunterricht

in (26.09.2009)

Die christlichen Kirchen vertrauen nicht allein auf ihre Überzeugungskraft. Das zeigte jüngst die in Berlin angetretene Initiative „Pro-Reli“, die von der katholischen und evangelischen Kirche massiv unterstützt wurde. Die Initiative wollte in einem Volksentscheid erzwingen, dass auch in Berlin konfessioneller Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach von der ersten bis zur dreizehnten Klasse angeboten wird und nicht mehr - wie bisher - ein freiwilliges Lehrangebot ohne Noten und Versetzungsrelevanz ist.

Mit großem Aufwand und viel Geld forderte „Pro Reli“ für die Berlinerinnen und Berliner „Wahlfreiheit“, rief den Tag der Volksabstimmung Ende April zum „Tag der Freiheit“ aus und stellte diesen in eine Reihe mit dem Ende der faschistischen Diktatur in Portugal, der Apartheid in Südafrika und der Nazi-Herrschaft in der Tschechischen Republik. Kleiner geht’s offenbar nicht, wenn man verpflichtenden Religionsunterricht einführen will. Genutzt hat es allerdings nichts: Die Berlinerinnen und Berliner erteilten „Pro Reli“ gleich eine doppelte Abfuhr – denn der Entscheid scheiterte nicht nur am notwendigen Quorum, sondern die Mehrheit stimmte auch gegen den Gesetzesentwurf. So bleibt nun die Berliner Regelung bestehen.

Wie auch in Bremen gilt in Berlin eine Ausnahme vom Artikel 7 des Grundgesetzes, der Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach festschreibt: Die so genannte Bremer Klausel legt in Artikel 141 GG fest, dass Religion in jenen Ländern kein ordentliches Lehrfach sein muss, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GG bereits andere Regelungen galten.
In den Diskussionen um das Grundgesetz 1949 wurde bis zuletzt auch eine viel stärker an Frankreich angelehnte Trennung von Kirche und Staat ohne Religionsunterricht diskutiert. Doch letztlich setzte sich jener Passus durch, der nunmehr seit sechzig Jahren für staatlich finanzierten und verpflichtenden Religionsunterricht an den meisten Schulen der Republik sorgt. Da eine diesbezügliche Grundgesetzänderung nicht in Sicht ist, werden wohl noch eine Reihe junger Schülerinnen und Schüler den von ihren Eltern ausgewählten Religionsunterricht besuchen müssen.

Religiöse Bekenntnisse staatlich finanziert

Der Religionsunterricht wird zwar staatlich – teilweise sogar komplett – finanziert, doch die Inhalte des Unterrichts werden nicht vom Staat vorgegeben. Sie sollen dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften entsprechen. Zwar werden die Lehrpläne von den Ländern genehmigt, doch diese Prüfung beschränkt sich auf grobe Verstöße gegen die elementaren Grundlagen der bundesrepublikanischen Verfassung, also die Menschenwürde und die Grundrechte. Der Unterricht darf die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel nicht dazu anleiten, die Rechte von Andersgläubigen zu verletzen.

Doch ob der katholische Religionslehrer die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zur Aidsprophylaxe (Enthaltsamkeit statt Kondome) in Afrika als unfehlbare Weisheit preist, das bleibt ihm überlassen. Auch müssen katholische Religionslehrer und -lehrerinnen so leben, wie es ihre Kirche vorgibt: Unverheiratet zu sein und dennoch einen Lebenspartner zu haben, kann schnell zum Problem werden. Mancherorts wird die Lehrerin einfach freigestellt, bis die sittliche Ordnung wieder hergestellt ist. Schließlich darf sie kein schlechtes Vorbild sein.

Auch ob und wie andere Religionsgemeinschaften im Unterricht behandelt werden, liegt hauptsächlich in der Hand der jeweiligen Lehrer: Ist die katholische Lehrerin eher ökumenisch orientiert, wird sie beispielsweise der evangelischen Kirche nicht den Kirchen-Status absprechen, wie es jüngst der Papst tat. Doch genauso gut kann man auf einen Religionslehrer treffen, der die Juden als zu missionierendes Volk beschreibt, das nur durch die Anerkennung der katholischen Glaubensgrundlagen „erlöst“ werden wird – wie es in der Karfreitagsfürbitte heißt, die der Papst wieder hervorgeholt hat.
Denn auch wenn die Religionsunterrichtsbefürworter nicht müde werden zu betonen, wie wichtig die „Religionskunde“ für das Verständnis der hiesigen Kultur ist
– hierzulande dient Reli vor allem der religiösen Unterrichtung der eigenen Schäfchen, die man fürchtet, in den Gottesdiensten nicht mehr zu erreichen.

Ein Unterrichtsfach Philosophie, in dem tatsächlich sowohl überkonfessionelle Religionskunde als auch nichtreligiöse ethische Grundprinzipien diskutiert werden, wäre demgegenüber auch hierzulande angesagt – wie es beispielsweise Frankreich vormacht. Denn Religion ist Privatsache – und wer wirklich das Bedürfnis hat, sich religiös unterweisen zu lassen, der oder die wird auch am Nachmittag den Weg in die Gemeinde oder die Moschee finden.

 

erschienen in Tendenz 1/2009