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Zweite Frauenbewegung und linker Feminismus heute

„Bezeichnest Du Dich eigentlich als Feministin und was bedeutet das für Dich?“ werde ich auf einer Veranstaltung gefragt, bei der ich mit anderen jungen Frauen auf dem Podium sitze. Thema ist „die Gener@tion im Gespräch“, geladen haben Frauen aus der Generation unserer Mütter. Es sind Frauen der zweiten Frauenbewegung, die hören wollen, wo die jungen Frauen heute stehen. Klar, über diese Frage habe ich schon viel nachgedacht und geredet. Ich bin Feministin und nenne mich auch so. Dann aber wird’s schwieriger: Denn was bedeutet es eigentlich für mich, Feministin zu sein?

Ich bin weder Alphamädchen noch Popfeministin, finde Alice Schwarzer gelinde ausgedrückt „schwierig“ und erkenne doch an, dass sie für die zweite Frauenbewegung eine unersetzliche Akteurin war und Großes erreicht hat. Als linker Mensch kann ich meine feministische Arbeit nicht ausschließlich als Arbeit in diesem System — und damit in staatlichen und institutionellen Programmen — aufgehen lassen. Gleichzeitig kann ich nicht ertragen, wie in linken Kontexten queere und dekonstruktivistische Politiken regelmäßig der Analyse realer Diskriminierungserfahrungen von Frauen, der Frage nach Organisierung und nach notwendigem Handeln in diesem System den Raum nehmen. Es ist schwer, sich mit diesem Erbe zu verorten. Aber es ist notwendig, frage ich mich doch selbst: Was macht die gesellschaftliche Situation heute aus und worauf kann ich mich als linke Feministin beziehen? Was sind feministische Anliegen darin, wie kann ich diese benennen und für sie kämpfen? Und was mache ich bei all dem mit dieser übermächtigen zweiten Frauenbewegung?

Zuallererst: Das Wissen um die Kämpfe der zweiten Frauenbewegung ist weiterhin entscheidend! Ich spreche für einen historischen Zugang mit Bezug auf die Kämpfe, wie sie in (West)Deutschland stattgefunden haben. Kontinuitäten stark zu machen, ist deswegen wichtig, weil diese Bewegung das Hier und Heute so sehr geprägt und uns erfolgreich viele Veränderungen erkämpft hat. Viele der „alten“ Themen — und damit die gesellschaftlichen Konflikte — sind die gleichen geblieben. Die Form des Protests ist es aber nicht. Die Frauenbewegung ist heute zu Ende. Sie ist nicht in einer Krise, sie macht keine Atempause, sie steht auch nicht still. Nein, sie ist tot. Doch die Abwesenheit der Bewegung als ihre eigene Schwäche zu benennen, führt sich selbst ad absurdum. Es attestiert auch kein Versagen der jungen Generation. Die Abwesenheit ist vielmehr eine Folge und Zeichen des Erfolgs der Frauenbewegung. Sie hat diese Gesellschaft verändert. Herausforderung heute ist, in dieser Gesellschaft mit diesen Veränderungen eine Praxis zu finden, als linke Feministin agieren zu können.

Ein historischer Zugang ermöglicht es weiterhin, Strukturen von Hierarchisierung und Diskriminierung zu erkennen, und darum geht es. Feministische Fragen sind Fragen nach den strukturellen Diskriminierungserfahrungen von Frauen, die Ausdruck der Geschlechterverhältnisse und Ordnung der Geschlechter sind. Es geht dabei um Themen wie Gewalt gegen Frauen und den Umgang mit dem weiblichen Körper. Der Blick auf ökonomische Abhängigkeiten wirft die Frage nach reproduktiver Arbeit auf und vieles mehr.

Ein linker Feminismus muss heute eine doppelte Strategie verfolgen: Zum einen gilt es, feministisch innerhalb des Systems und seiner Möglichkeiten zu arbeiten und bis an die Grenzen alles auszuloten, um dem alltäglichen Wahnsinn etwas entgegen zu setzen. So ist es schlicht nicht zu ertragen, wie viele Frauen tagtäglich Gewalt erfahren. Zum anderen ist es genauso wichtig, Strategien zu verfolgen, die darüber hinausgehen und an einer Theorie und Utopie für einen ganz anderen Alltag und eine ganz andere Gesellschaft festhalten. Eine radikale Kritik der Verteilung — ob von Arbeit oder Reichtum — ist notwendiger Teil feministischer Diskussionen, die Reflexion der eigenen gesellschaftlichen (Macht)Position ist unverzichtbar. Eben dies fehlt dem „neuen Feminismus“ oft. Alte und junge Feministinnen müssen respektvoll miteinander in Beziehung treten, denn es macht Sinn, auf Erfahrungen zurückzugreifen, Erfolge wie auch Defizite zu benennen. Wenn aber Gespräche nur unter dem Stichwort „Generationenkonflikt“ verhandelt und allzu oft als mediale Schlammschlacht inszeniert werden, wenn jungen Feministinnen nur die Aufgabe bleibt, die „große Geschichte der Macherinnen“ fortzuschreiben, ist dies nicht nur zutiefst unproduktiv; es ist auch ein machtvolles Mittel zum Konterkarieren feministischer Anliegen.

Junge Frauen müssen sich zudem organisieren und Netzwerke bilden. Feminismus lebt durch Organisierungsprozesse von Vielen. Dazu müssen wir Räume schaffen — für offene Diskussionen wie auch dafür, uns die „alten“ Themen im veränderten Kontext anzueignen. Das betrifft beispielsweise so aktuelle Fragen wie die des § 218 ebenso wie die Herausforderungen, die sich nach der neoliberalen Aneignung des Selbstbestimmungsbegriffs stellen.