Couragierte Beiträge

in (21.02.2007)

Couragierte Beiträge

Emma feiert Geburtstag. Die 30jährige Printmedien-Geschichte der Neuen Frauenbewegungen in Deutschland hat aber durchaus noch anderes zu bieten.

Die 1970er Jahre waren die Zeit der Projektgründungen, der feministischen Gegenkulturen. Dazu gehörten auch die Zeitungen und Zeitschriften, wie z. B. die am 17. Juni 1976 mit ihrer Nullnummer erscheinende Courage. Sie wurde als selbst verwaltetes Projekt gegründet und diente als Informations-, Kommunikations- und Diskussionsforum für die Akteurinnen der autonomen Frauenbewegungen - gewissermaßen als "Sprachrohr". Ein halbes Jahr später kam Emma auf den Zeitschriftenmarkt, die von Anfang an von Alice Schwarzer als Chefin abhängig war und heute noch existiert.

Die Idee für die autonome links-feministische Zeitung Courage kam von einer kleinen Gruppe von Berliner Frauen, die so unterschiedlich waren, wie Frauen zu allen Zeiten gewesen sind. Sie kannten sich aus dem Frauenzentrum in der Kreuzberger Hornstrasse und kamen alle mit ihrer eigenen Geschichte in die Bleibtreustraße 48, wo Courage ihren Sitz hatte. Einig waren sie sich darin: "Wir brauchen eine Zeitung, die Frauen darin unterstützt, politische Verantwortung zu übernehmen und sie ermutigt, Privilegien und Macht zu beanspruchen."
Politisch unzufriedene Frauen, die die herrschende Gesellschaft, die auf der Unterdrückung der Frauen und von "Minderheiten" basiert, in Frage stellten und die auch Perspektiven zur Veränderung einläuten wollten, sollten mit der noch zu schaffenden Zeitung angesprochen werden. Staatliche Institutionen sollten einer radikalen Kritik unterzogen werden, wenn sie frauenfeindliche Politik betrieben. Mit Institutionen, die wie Kirche oder Familie die Frauen direkt in den Fesseln moralischer "Werte" halten, wollte frau ebenso verfahren. Frauen jeden Alters und jeder Berufsgruppe sollten erreicht werden, auch solche, die nicht in der Frauenbewegung aktiv waren, wollte man anstecken.
Und so geschah es dann auch. Die Frauen schlugen die warnenden Stimmen von FreundInnen, Eltern und sonstigen Menschen, die immer ihr Bestes gewollt haben, und sie nun darauf aufmerksam machten, dass man für ein solches Vorhaben Geld brauchte, in den Wind und luden zu einem Frauenfest in das Berliner Lokal Wintergarten ein. Die Frauen kamen in Scharen. Von den Eintrittsgeldern und dem Verkauf der Nullnummer (Auflage 5000 Stück) konnte die erste Druckereirechnung bezahlt werden.
Die Frauen hatten sich selbst ermächtigt und bestimmten ihr Programm selbst. Sie hatten wenig praktische Vorkenntnisse und noch weniger Geld, waren aber voller Idealismus, Selbstbewusstsein und Leidenschaft. Alle Arbeiten sollten von allen erledigt werden und als gleich wertvoll betrachtet werden. Hierarchien unter den Frauen sollte es nicht geben. Dieser Anspruch wurde jedoch bald modifiziert. Ressorts und Hefteinteilung nach festen Seiten wurden schon früh festgelegt und später an einigen Punkten erweitert.
Jedes Heft hatte ein Schwerpunktthema. Es war nicht nur eine arbeitsame Zeit, es war auch eine leidenschaftliche Zeit. Auf die Erfahrungen, die die Frauen damals sammelten, möchten die meisten bis heute nicht verzichten. Eine "Courage-Frau" zu sein, sah man als Ehre an.
Fortan informierte die Courage schonungslos über Ereignisse, deckte Missstände auf, prangerte sie an und griff dabei bisher tabuisierte Themen auf, wie z. B. Gewalt, sexuellen Missbrauch, Vergewaltigungen, Frauenmedizin, § 218, Sexualität, Frauenkunst und Literatur, Frauenopposition in Osteuropa, Klitorisbeschneidung in Afrika. Der Anspruch, die Frauenbewegungen in die hintersten Winkel zu tragen, schien zu gelingen. Bei der Sichtung der Hefte überrascht, wie "modern" und aktuell die Themen heute noch sind.
Im Februar 1977, 14 Tage nach dem Erscheinen der Emma (Auflagenhöhe 20.000) betrug die Auflage der Courage 35.000 Exemplare. Ab 15. Februar 1977 wurde der Vertrieb auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet. In den späten 1970er Jahren hatte die Zeitung eine Auflage von 70.000 Exemplaren. Der überwältigende Anfangserfolg konnte sich jedoch nicht halten.
Courage war bald Anfeindungen von zwei Seiten ausgesetzt: Von der Männerpresse und von Emma. Hinzu kamen Konflikte innerhalb des Kollektivs. Nachdem sich die Krise abzuzeichnen begann, stellten die Kollektivistinnen auf wöchentliches Erscheinen um. Ein schwerer Fehler, wie sich bald herausstellte. Zweieinhalb Monate erschien sie als Wochenzeitung, dann war sie weg vom Fenster, das einstmals so euphorische Kollektiv hatte sich zerstritten, die Courage musste 1984 Konkurs anmelden. Die Konkurrenz auf dem Frauenzeitschriftenmarkt, die wirtschaftliche Krise und Konflikte im Kollektiv verhinderten eine Rettung. Seitdem fehlt den Frauenbewegungen ein wichtiges Sprachrohr.

1978 brachte der "Verein sozialwissenschaftlicher Forschung und Praxis für Frauen" die erste Nummer der Zeitschrift "beiträge zur feministischen theorie und praxis" heraus. Die beiträge bestehen noch heute. Sie wollen nicht nur feministische Forschung publizieren, sondern vor allem ein Diskussionsforum darstellen, das theoretische Auseinandersetzungen über eine feministische politische Praxis der zahlreichen, im Zuge der Frauenbewegungen entstandenen Frauenprojekte vernetzen sollte. Die Schwerpunkthefte enthalten ein breites Spektrum an nationalen und internationalen feministischen Erkenntnissen und Diskussionen. 1983 wurde das bis dahin übliche Rotationsverfahren eingestellt und es bildete sich eine Redaktionsgruppe, die drei Hefte jährlich im Eigenverlag produziert. Im Laufe der Jahre haben sich die beiträge zu einem anerkannten Forum und Arbeitsmittel entwickelt, das sowohl in den Frauenbewegungen als auch in der politischen Bildungsarbeit, in gewerkschaftlichen, kirchlichen und anderen Zusammenhängen sowie an Universitäten vielfältig genutzt wird. Die Themen der Schwerpunkthefte sind vielfältig, sie umfassen alles, was Frauen in besonderer Weise betrifft, aus feministischer Sicht. In der Zeitschrift kommen ausschließlich Frauen zu Wort. Große Kongresse und Tagungen, öffentliche Veranstaltungen und Vortragsabende gehen auf ihre Initiative zurück.
Im Laufe der Jahre wurden die beiträge fester Bestandteil einer feminis- tischen Gegenöffentlichkeit. Sie schreiben gegen hegemoniale Politik, gegen eine oft politisch geglättete Wissenschaft und gegen die Verlockung der vereinfachenden Darstellung komplexer Zusammenhänge und sitzen deshalb oft zwischen allen Stühlen: Den Wissenschaftlerinnen sind sie zu politisch, den Praktikerinnen zu abgehoben und theoretisch.
Nach zahlreichen Auseinandersetzungen, nicht nur innerhalb der beiträge, sondern auch innerhalb der Frauenbewegungen, um den "weißen Mittelschichtsfeminismus", verstehen sich die beiträge als antirassistisch und fühlen sich dem Schwarzen Feminismus verbunden. Andere Themen, für die die beiträge ein wichtiges Diskussionsforum bilden, sind Gewalt gegen Frauen und Mädchen und Frauenarbeit. Auf diese Weise ist die Zeitschrift auch heute noch ein wichtiges Medium der Vernetzung von Frauenprojekten und ein politisches Diskussionsforum der autonomen Frauenbewegung, soweit sie noch existiert. Vom ursprünglichen Kollektiv von 1983 ist nur eine Frau übrig geblieben. Trennungen, auch wegen inhaltlicher Kontroversen, waren oft schmerzlich.

In beiden Projekten wurden feministische Utopien der selbst bestimmten Zusammenarbeit erprobt. Die agierenden Frauen haben sich mit diesen Medienprojekten Freiräume geschaffen, die einen herrschaftsfreien Diskurs und die Entfaltung bisher oft verschütteter Potenziale garantieren sollten. Geradezu erschreckend wird an den Beispielen Courage und beiträge deutlich, wie unfähig die Frauenstrukturen zu sein scheinen, wenn es darum geht, konstruktiv mit Konflikten umzugehen. Courage scheiterte u. a. an dieser Unfähigkeit. Die beiträge haben bis jetzt mehr schlecht als recht überlebt, es kam zu vielen Trennungen. Indem Frauen Autoritäten negieren wollten, haben sie sich vor allem an ihnen abgearbeitet. Die Hoffnung, dass Frauen, weil sie Frauen sind, weniger elitär, weniger konkurrenzorientiert und mehr an zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen interessiert seien, musste zu Enttäuschungen führen.
Die Ziele der Neuen Frauenbewegungen haben sich keinesfalls erledigt, auch wenn sie unter den herrschenden Bedingungen (zum Beispiel die hohe Erwerbslosenrate, Hartz IV) und angesichts starker Gegner (zum Beispiel der international organisierten "Lebensschützer") nicht durchzusetzen sind. Um ihnen näher zu kommen, braucht es Räume und Medien zur Vernetzung für und von Feministinnen; es bräuchte sichtbare beiträge und effiziente Methoden damit die Frauenbewegung wieder Courage bekommt.

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at