PID oder nicht PID

Statements aus den Bundestagsfraktionen

PID oder nicht PID...
 
... das ist jetzt die Frage. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Präimplantationsdiagnostik (PID) grundsätzlich als zulässig erklärt. Jetzt ist die Politik gefragt.
 
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Zurückgekehrt aus der Sommerpause, erwartete die Parlamentarier und Parlamentarierinnen im Bundestag eine bioethische Überraschung. Seit dem 1991 beschlossenen Embryonenschutzgesetz (EschG) galt es als sicher, dass die PID in Deutschland verboten ist. Doch das BGH hat anders entschieden und Reprodukti­ons­medizinern und -medizinerinnen einen weiten Spielraum eingeräumt, die PID anzuwenden (siehe GID 201, Seite 40).
Die PID ist die genetische Untersuchung an einem außerhalb des Mutterleibs - im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation (IVF) - erzeugten Embryo. In Großbritannien wird die PID sehr liberal gehandhabt - mit dem Ergebnis, dass die Anzahl der genetischen Untersuchungen sukzessive ausgedehnt worden ist. Auch in Frankreich ist die PID erlaubt, aber nur für wenige, als schwerwiegend gekenn­zeichnete genetische Erkrankungen, deren Vorliegen in der Familie bekannt sein muss. Doch was heißt „schwerwiegend“? Und wie kann langfristig eine Ausweitung verhindert werden? Diese und andere Fragen stellen sich.
Wir haben deshalb Vertreter und Vertreterinnen der Par­teien im Bundestag befragt, welche Position sie einneh­men: Sehen sie nach dem BGH-Urteil Handlungsbedarf, halten sie ein Verbot der PID für notwendig? Wie wollen sie eine unkontrollierte Ausweitung der Selektion von unerwünsch­ten Embryonen in Zukunft verhindern? Die Abgeordneten sind sich vor allem in einem Punkt einig: Niemand will Designer Babys. Doch die entscheidende Frage bleibt offen: Wie soll eine Eingrenzung vernünftig geregelt werden, ohne in genetischer Diskriminierung zu enden?
 
 
Rudolf Henke - Berichterstatter für alle bioethischen Themen für die CDU-Fraktion:
„Das BGH-Urteil hat viele neue Fragen aufgeworfen. Manche haben die Entscheidung so interpretiert, als wäre nun jede PID zulässig. Das entspricht sicher nicht dem Urteilstext. Meiner Meinung nach wird nur eine gesetzliche Regelung wieder Rechtssicherheit schaffen.
Die CDU ist die Partei, die am entschlossensten für ein Verbot der PID eintritt. Insofern hat die Unions-Fraktion geradezu einen Auftrag aktiv zu werden. Dabei müssen die Mehrheitsmöglichkeiten und die verfassungsrechtlichen Spielräume genau bedacht werden.
Ich verstehe den Embryo als Mensch von Anfang an. Somit kommt ihm die Würde als Mensch zu. Gemäß unserer Verfassung ist gerade unschuldiges menschliches Leben wertvoll und uneingeschränkt schützenswert. Die PID schafft die Voraussetzung dafür, Embryonen als Träger einer Krankheit oder Behinderung gezielt auszusondern. Die Tötung von Embryonen mit solchen Merkmalen wird in Kauf genommen. Das ist der Grund, warum die Union das Verbot der PID in ihr Grundsatzprogramm von 2007 aufgenommen hat.
Es gibt eine breite Ablehnung für den Vorschlag, Listen von Krankheiten aufzustellen, für die eine PID zulässig sein soll. Das BGH-Urteil spricht ungenau von „schweren“ Behinderungen. Eine abschließende Definition darüber, was eine „schwere“ Behinderung ist, wird mehr als schwierig. Man ist dann schnell bei einer negativen Selektion, in der darüber befunden wird, welche Erkrankungen oder Behinderungen zum Verwerfen des Embryos führen dürfen. Eine solche Entscheidung könnte letzten Endes nur der Gesetz­geber treffen. Er muss sich aber fragen, welche Wirkung er allein mit einer Debatte darüber auslösen würde.“
 
 
René Röspel (SPD) - letzter Vorsitzender des Ethik-Beirats:
„Ich halte es nach dem Urteil des BGH für erforderlich, die rechtlichen Grenzen der PID eindeutig gesetzlich zu regeln. Der beste Weg hierfür wäre die Ausarbeitung eines modernen Fortpflanzungsmedizingesetzes.
Ich werde mich in den nächsten Wochen mit Kolleginnen und Kollegen austauschen, die sich ebenfalls mit dem Thema befassen. Je nachdem, wie sich diese Gespräche gestalten, werde ich dann über mein persönliches Verhalten und Vorgehen entscheiden.
Seit Jahren befinde ich mich in dem Dilemma, dass ich einerseits glaube, dass die Auswahl von Embryonen aufgrund ihrer genetischen Beschaffenheit ethisch nicht zu rechtfertigen und eine Beschränkung auf wenige Fälle weder zu definieren noch zu halten ist und ich auf der anderen Seite sehr wohl die Not betroffener Eltern nachempfinden kann. Solange ich keinen gangbaren Weg sehe, um beides zu verbinden, halte ich ein gesetzliches Verbot der PID für sinnvoll.
Die Gefahr, dass es nach einer Zulassung der PID zu einer schleichenden Ausweitung der Indikationen kommen wird, ist hoch. Notwendig wäre in jedem Fall eine sehr enge und begrenzte Indikation und hierbei müsste man insbesondere versuchen, etwa ein ‚Massenscreening’ mittels PID aufgrund der Indikation ‚hohes Alter der Mutter’ zu verhindern. Sollte man eine Liste ‚schwerer Fälle’ erstellen wollen, so müsste der Bundestag über diese Liste entscheiden. Man sollte eine existentielle Frage von Leben und Tod nicht in irgend­­­ein Expertengremium ‚outsourcen’.“
 
 
Ulrike Flach - Stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion:
„Das Urteil des BGH bestätigt die Position, die die FDP seit über zehn Jahren vertritt. Wir haben mehrere Anläufe unternommen, das Embryonenschutzgesetz zu ändern und die Präimplantationsdiagnostik (PID) - in engen rechtlichen Grenzen - zuzulassen. Der BGH hat auch auf den Widerspruch zwischen der Zulässigkeit der Pränataldiagnostik (PND) und dem bisherigen Verbot der PID hingewiesen. Eine Abtreibung nach PND ist für die Frau körperlich und seelisch eine erheblich größere Belastung als ein Verwerfen eines genetisch belasteten Embryos in der Petrischale. Deshalb ist nicht verständlich, warum die PND erlaubt, die PID verboten sein soll. Das Gericht hat auch deutlich gemacht, dass PID dem Ziel des Embryo­nenschutzgesetzes entspricht, nämlich eine Schwangerschaft herbeizuführen.
Eine Arbeitsgruppe der FDP arbeitet an einem Vorschlag zur Regelung der PID. Wir wollen keine Designer Babys mit Wahl der Haar- und Augenfarbe. Die Verwerfung eines Embryos ist nur zu rechtfertigen bei schweren Krankhei­ten, die das Leben des Kindes und/oder der Mutter gefähr­den oder zu einer untragbaren Belastung machen. Einen Katalog solcher Erkrankungen soll nicht die Politik, sondern ein Fachgremium festlegen, beispielsweise die Bundesärztekammer. Außerdem muss geregelt werden, in wel­chen Zentren PID vorgenommen werden darf, wer die Kosten dafür trägt und wie eine unvoreingenommene Beratung der Eltern erfolgen soll.
Ich glaube, es ist Zeit für eine neue, sachliche Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik.“
 
 
Dr. Petra Sitte - Sprecherin für Forschungs- und Technologiepolitik der Bundestagsfraktion Die Linke:
„Es melden sich engagiert Stimmen, die mit berechtigter Sorge mögliche Folgen einer Zulassung der PID für die Gesellschaft thematisieren. Die Zunahme von Gentests bei Erwachsenen beispielsweise oder auch Erwartungen unserer stark leistungsfixierten Gesellschaft könnten den Druck auf Paare erhöhen, die PID zu erwägen. Nach und nach, so die Befürchtung, könnten auch weniger schwere Diagnosen Berücksichtigung finden.
Niemand aber kann die Lebensrealität und Erfahrungen von Paaren mit schwer behinderten Kindern ausblenden. So brechen viele Partnerschaften, und Frauen sind dann zumeist als Alleinerziehende in der Verantwortung.
Insofern greift es zu kurz, Paare, die die PID in Betracht ziehen, pauschal dem Verdacht der „Lebensstil-Optimierung“ auszusetzen. In der Gesellschaft muss sich ein Einstellungswandel vollziehen und bessere konkrete Unterstützung für diese Familien gesichert werden.
Dennoch können auch optimale Bedingungen die emotionalen, sozialen und familiären Grundkonflikte nicht auf­lösen. Man darf die Betroffenen in schwerster Entscheidung weder allein lassen noch darf man es völlig frei stellen, unter welchen Voraussetzungen die Anwendung der PID denkbar sein könnte. Zweifelsfrei besteht ein Entscheidungskonflikt zwischen dem Selbstbestimmungsrecht von Eltern und Frauen einerseits und dem Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung andererseits. Nur im Einzelfall kann verantwortungsvoll entschieden werden.
Ob und wie es möglich ist, dieses Spannungsverhältnis sachgerecht rechtlich und institutionell abzusichern, ohne dabei einseitig Tendenzen zu setzen, sollte insbesondere auf Basis von Erfahrungen anderer Länder diskutiert werden.“
 
 
Priska Hinz - Sprecherin für Biotechnologie der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:
„Mit dem Urteil des BGH ist der Gesetzgeber nun gefordert zu handeln. Die schlechteste Lösung ist, wenn die PID zulässig, aber ungeregelt bleibt. Das geltende Embryonenschutzgesetz hat das Ziel zu verhindern, dass Embryonen für Forschungszwecke genutzt werden, es regelt jedoch nur in Ansätzen Aspekte der Fortpflanzungsmedizin. Inzwischen ist die technologi­sche Entwicklung weiter vorangeschritten. Ein eigenes Fortpflanzungsmedizingesetz muss neben der PID auch die Frage nach dem Umgang mit eingefrorenen, befruchteten Eizellen, der Eizellspende, dem Single-Embryo-Transfer und der Beratung und Qualität der Anbie­ter regeln.
Aufgrund der neuen Ausgangslage durch das Urteil des BGH bedarf es nun einer intensiven Diskussion über die Zulässigkeit der PID - in der Gesellschaft und der Politik. Diese muss in eine Gesetzesinitiative münden. Wir Grünen haben bereits eine Stellungnahme des TAB initiiert, um die Debatte im Bundestag voranzubringen. Die Wiedereinsetzung des Ethikbeirates könnte die parlamentarische Diskussion vorbereiten. Bisher verweigert dies die Koalition.
Vor dem Urteil des BGH hielten die Grünen die PID nach dem Embryonenschutzgesetz für verboten. Jetzt aber ist eine Auswahl für ein ganz bestimmtes Kind möglich. Ich bin klar gegen eine exzessive Anwendung der PID und kann mir die Anwendung nur in einem genau definierten Rahmen vorstellen, der sich auf schwere Erbkrankheiten beschränkt.
In Großbritannien ist das Einsatzspektrum der PID zu unscharf definiert. Ein deutsches Gesetz müsste klare Vorgaben zum Anwendungsbereich beinhalten. Als Vorbild für eine gesetzliche Grundlage könnte Frankreich dienen. Wir stehen aber erst am Anfang der Diskussion.“