Aus fürs Ladenschlussgesetz

Länder preschen vor bei der liberalen Deregulierung

Oft sind die Läden, in denen Betriebsräte Mitbestimmungsrechte wahrnehmen können, die ersten, die die Öffnungszeiten ausdehnen. Betriebsräte, die dies verhindern, müssen unterstützt werden.

Mit der sog. Förderalismusreform ist die Gesetzgebung über den Ladenschluss auf die Bundesländer übergegangen. Damit war eine neue Stufe zur weiteren Deregulierung im Einzelhandel erklommen.

Insbesondere die großen Handelskonzerne wie Metro, Karstadt, Rewe, Lidl und C&A drängen seit langem darauf, alle Begrenzungen beim Ladenschluss zu beseitigen. Im Jahr 2003 brachte der Vorstandvorsitzende von Kaufhof, Mandac, ein Verfahren bis vors Bundesverfassungsgericht; dieses empfahl schließlich, die Zuständigkeit für den Ladenschluss auf die Bundesländer zu übertragen.

Mit dem Herannahen des Weihnachtsgeschäfts bemühten sich eine ganze Anzahl von Landesregierungen, den Wünschen der Handelskonzerne nachzukommen. Als erste seien hier Nordrhein-Westfalen und Berlin genannt. Nordrhein-Westfalen ist Sitz mehrerer Zentralen von marktbeherrschenden Konzernen.

Die Pflege der Handelskonzerne gehört seit langem zu den Eckpfeilern der Wirtschaftspolitik in NRW. Folglich bemühte sich auch die NRW-Landesregierung, die erste zu sein, die dem alten Ladenschlussgesetz den Todesstoss versetzt. Unmittelbar nach Verabschiedung der Förderalismusreform beschloss sie einen ersten Gesetzentwurf zum neuen Ladenöffnungsgesetz, der vorsah, von Montag bis Samstag jede Begrenzung aufzuheben. Der Sonntag sollte weitgehend geschützt bleiben, was seinem besonderen Schutz durch das Grundgesetz und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes geschuldet ist.

Doch bei aller Mühe, die sich die Landesregierung von NRW gab, der neu gewählte Berliner Senat ging noch ein wenig weiter und war noch schneller. Er überbot NRW bei der Genehmigung von Sonntagsöffnungen um Längen: statt der vier Sonntage, die in NRW vorgesehen sind, gab der Berliner Senat zehn Sonntage frei, wobei ausdrücklich die Adventssonntage noch in diesem Jahr zum Shoppen für die gelangweilten Berliner und für Touristen freigegeben wurden.

Dem Berliner Senat gelang es auch, eine halbe Woche früher das Gesetz in Kraft treten zu lassen: am 17.11. konnte in Berlin erstmals rund um die Uhr dem Konsum gefrönt werden, in NRW erst am 22.11.

Die Gewerkschaft der Handelsbeschäftigten, Ver.di, war ob dieser geballten Macht von Politik und Kapital einigermaßen hilflos. Die Erfahrungen mit der Aushöhlung des Ladenschlussgesetzes seit 1989 machten es schwierig eine aktive Mobilisierung der Beschäftigten zu betreiben. In NRW z.B. blieb es bei kleinen Aktionen der gewerkschaftlich Aktiven im Rahmen der parlamentarischen Termine. In Thüringen gab es mehrere von Ver.di organisierte Demonstrationen, deren Teilnehmerzahlen sehr übersichtlich waren.

Hinzu kommt dass die politische Unterstützung äußerst gering ist: nur Teile von Linkspartei/PDS und WASG haben sich mit der Frage überhaupt beschäftigt. Die radikale Linke oder auch Attac und die Erwerbslosenbewegung haben genug mit ihren eigenen Problemen zu tun. Die SPD steht praktisch komplett im Lager des Kapitals und treibt dort, wo sie in der Landesregierung ist (Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Brandenburg), nichts anderes als CDU und FDP. Dass die LPDS in Berlin dies mitträgt, ist nur ein weiterer Beweis für ihre Ergebenheit gegenüber der SPD. Die anderen DGB-Gewerkschaften verhalten sich zu dieser Frage eher indifferent.

Ver.di wird in der anstehenden Tarifrunde versuchen, die gröbsten Angriffe der Unternehmer abzuwehren und die Bedingungen für die Beschäftigten, die bis spätabends arbeiten müssen, akzeptabel zu gestalten.

Ob die Gewerkschaft damit erfolgreich sein wird, hängt von der Mobilisierungsfähigkeit der Beschäftigten und davon ab, ob ernsthaft gekämpft wird. Inzwischen gilt es, überall dort, wo es möglich ist, Spätöffnungen zu verhindern. Oft sind die Läden, in denen Betriebsräte die Möglichkeit haben, Mitbestimmungsrechte wahrzunehmen, die ersten die die Öffnungszeiten ausdehnen. Betriebsräte, die dies verhindern, müssen unterstützt werden. Untermauert werden muss dies durch eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, um eine Veränderung der öffentlichen Meinung zu bewirken.

Wie wäre es denn mit einer aktiven Boykottkampagne, für die zu werben man innerhalb der Gewerkschaften anfängt? Dies wäre sicherlich eine gute Gelegenheit, den ganzen Quatsch der neoliberalen Deregulierung in Frage zu stellen.