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Studienkonten sind Studiengebühren

in (10.08.2004)

Seit Jahren ist die Diskussion über Studienkonten - als eine Facette von Studiengebührenmodellen - wichtiger Bestandteil der Politik zur Privatisierung öffentlicher Güter.

Studienkontenmodelle beinhalten gewöhnliche Gebühren, die nach einem öffentlich zur Verfügung gestelltem Umfang zu zahlen sind. Während in einigen Bundesländern die Studiendauer als Limit für ein kostenfreies Studium gesetzt wird, soll dies in Berlin über sogenannte "Credits" für besuchte Lehrveranstaltungen geschehen. Sind Studienzeit oder Semesterwochenstunden ausgeschöpft müssen schon im Erststudium Gebühren bezahlt werden.
Findigen Wissenschaftspolitiker schien jedoch der Begriff der Studienkonten geeigneter, um Studierenden den Erwerb von Bildung - samt unsozialer Nebenwirkungen - schon im Erststudium schmackhaft zu machen. Er soll das Geschwätz transportieren, die Qualitätssteigerung der Lehre und eine verstärkte Mitbestimmung der Studierenden seien durch künstliche Marktmechanismen an Hochschulen zu erreichen. Diese Heilserwartungen sind vollkommen illusorisch. Sie gründen auf die verstärkte Steuerung der Mittelvergabe an die Hochschulen über nachgefragte Studienleistungen und die Verwandlung der Studierenden von Mitgliedern in Kunden der Hochschulen.
Der Wettbewerb der Universitäten besteht nach diesem System darin, möglichst viele Studierende schnell und mit wenig Aufwand durch ihre Studiengänge zu schleusen und über die Studienkonten der Studierenden möglichst viel finanzielle Mittel ab zu rechnen. Lehrveranstaltungen abseits des Mainstream, kleinere exotische Studiengänge und übergeordnete Leistungen wie Bibliotheken und Sprachzentren haben in dieser Wettbewerbslogik äußerst dürftige Chancen auf ausreichende Finanzierung.
Studierende als Kunden können dabei nur zwischen verschiedenen Hochschulen und Lehrangeboten wählen, was schon durch die enorme Verschärfung des NCs in den letzten Jahren konterkariert wird. Vor allem aber haben sie auf das Zustandekommen der Lehre nicht den geringsten Einfluss.
Als zahlende Kunden sollen Studierende mit Geld abstimmen - sie verlören ihren Anspruch auf selbstverwaltete Strukturen und Stimmrecht in Hochschulgremien.
Stattdessen schränkt der eng bemessene Umfang an öffentlich zur Verfügung gestellten Studiensemestern bzw. Lehrveranstaltungen individuelles Studierverhalten ein und verhindert interdisziplinäre, kritische und selbstbestimmte Wissenschaft. Lehrveranstaltungen außerhalb der eigenen Studienordnung, werden zu einem Luxus, den sich nur wenige leisten können. Studienkonten bringen eine betriebswirtschaftliche Umgestaltung der Hochschulen mit sich, die den individuellen und gesellschaftlichen Nutzen von Bildung hinten anstellt.

Entweder: Auch eine offene Hochschule wird es nicht mehr geben, wenn zukünftig zur Vorbeugung von "Bildungsdiebstahl" Eingangskontrollen an Seminaren und Vorlesungen eingerichtet werden. Die Errichtung dieses ungeheuren Überwachungs- und Verwaltungsaufwandes weist deutlich auf das Ziel perspektivisch höherer Gebührenforderungen über die schönfärberischen Studienkonten.

Oder: In den Streiks des vergangenen Semesters hat sich an den Hochschulen massiver Widerstand gegen die Einführung von Studienkonten formiert. Neben Forderungen nach Demokratisierung und ausreichender Finanzierung der Hochschulen muss ein gebührenfreies Studium wichtigstes Ziel linker Hochschulpolitik bleiben.