Education is a right, not a privilige!!!

in (16.11.2001)

Auswirkungen der Globalisierung auf das Bildungswesen

"Die Globalisierung ist in einer Krise"- "Zusammenbruch der globalen Märkte" und ähnliches hagelt es seit nunmehr fast zwei Jahren auf die Öffentlichkeit ein. Seitdem die letzte WTO Ministerkonferenz in Seattle scheiterte und jedes Treffen internationaler Finanzinstitutionen von massiven Protesten begleitet wurde, wird allenthalben die Krise der Globalisierung beschworen. Das Krisenhaftigkeit eines der konstituierenden Merkmale kapitalistischer Wirtschaftssysteme ist, wird dabei meist außer acht gelassen.

Die Frage, was die WTO eigentlich macht und warum die Leute sich dagegen wehren, sowie die weiter führende Frage nach den konkreten Auswirkungen der politischen Entscheidungen die im Rahmen der WTO gefällt werden, bleibt für viele Menschen unklar, in jedem Fall jedoch sehr viel unklarer als eine diffuse Sympathie, die viele für die Proteste hegen. Daher sollen im Folgenden Auswirkungen von Globalisierung auf den Bildungsbereich skizziert werden um abstrakte Politik mal auf konkretes herunter zu brechen.

Verschuldung, Strukturanpassung und ihre Folgen

Seit nunmehr fast zwanzig Jahren, mit dem Beginn der Schuldenkrise 1983, als Mexiko sich für zahlungsunfähig erklärte, haben IWF und Weltbank den Ländern des Südens mit ihren Strukturanpassungsprogrammen SAPs eine massive Privatisierungswelle im Sozialwesen beschert. Bildungssysteme wurden für private Anbieter geöffnet, für staatliche Einrichtungen wurden Eingangsprüfungen und Studiengebühren eingeführt, um die Staatsausgaben zu senken und den makroökonomischen Vorgaben der Finanzinstitutionen zu folgen. Die hatte zur Konsequenz, dass vielen Kindern nicht einmal mehr die Grundschule offen steht. Der 1990 von Weltbank und UNESCO ausgegebene Slogan "Education for All" als Zielvorgabe für das Jahr 2000 wurde um ein Gros verfehlt, weshalb die selbe Zielvorgabe (m.E. mit gleicher Chance auf Nichterfüllung) erneut für das Jahr 2015 angestrebt wird.[1]

GATS und die WTO

Mit dem GATS-Abkommen der WTO, welches eine schrittweise Liberalisierung im Handel mit Dienstleistungen vorsieht, erreicht diese Welle neoliberaler Privatisierungspolitik nun auch die sogenannte entwickelte Welt.

Die WTO. gegründet 1995 als Nachfolgerin des GATT Abkommens, welches den Handel mit Industriegütern regelte und regelt, definiert im GATS Abkommen so ziemlich alles als Dienstleistung, was von Menschen in Anspruch genommen wird, und ihnen das Leben erleichtert. Das beginnt mit den klassischen Finanzdienstleistungen und setzt sich fort über Gesundheit und Bildung bis hin zu Energie- und Wasserversorgung. Insgesamt 16 Bereiche sollen dem Freihandel geöffnet werden.

GATS sieht vier Arten des Anbietens einer Dienstleistung vor, die in unterschiedlichem Masse für den Bildungssektor relevant sind. Als erstes wäre der Cross Border Supply zu nennen, der z.B. auf Fernuniversitäten aus dem Ausland zutrifft; als zweiter Mode of supply ist consumption abroad definiert, was z.B. Austauschprogramme und ausländische StudentInnen also den "Import von StudentInnen" betrifft; drittens commercial presence, was das Phänomen der "Transnational Education", d.h. das Anbieten von Programmen deutscher Hochschulen im Ausland sowie das Eröffnen von Filialen deutscher Hochschulen im Ausland betreffen würde. Da dies ein Bereich mit enormen Profitmöglichkeiten ist (immerhin ist Bildung die fünft-größte Einnahmequelle der USA im Handel mit Dienstleistungen mit einem Umsatz von 8,5 Milliarden US Dollar 1997 und der weltweite Markt wurde 1995 mit 27 Milliarden US Dollar beziffert) wird das GATS-Abkommen für private Anbieter, aber auch für staatliche Exporteure von Bildung immer interessanter. Als vierter und letzter Mode of supply wird das movement of persons bezeichnet, was vor allem die Mobilität von Angestellten betreffen würde.

Das GATS sieht vor, dass alle genannten Dienstleistungen sogenannten generellen Verpflichtungen unterworfen werden. Zudem können einzelne Bereiche im Rahmen sog. "special commitments" weitergehenden Freihandelsregelungen geöffnet werden. Der Bildungssektor ist dabei neben Energie der Sektor mit den wenigsten specific commitments, allerdings haben dort fast alle Industrienationen derartige commitments angemeldet. Für Deutschland hat dies im übrigen die EU Kommission übernommen, die alle EU Mitgliedsstaaten (außer Finnland, Schweden und Österreich, die erst 1995 beitraten) bei den Verhandlungen vertritt.

Als generelle Verpflichtung gelten die Regelungen des MFN Treatment (Most favored nation- meistbegünstigste Nation), die auch jetzt schon für alle Mitgliedsländer der WTO gelten. Im Wesentlichen bedeutet MFN, dass Anbieter aus allen Ländern gleich behandelt werden müssen, unabhängig davon, wie die Ware/Dienstleistung produziert wird. Das bedeutet zum Beispiel das Schutzzölle zur Blockade von mit Kinderarbeit produzierten Dingen illegal sind, denn WTO Bestimmungen brechen nationales Recht. Bei Verstoß kann ein Mitgliedsland gegen ein anderes klagen und ein Schlichtungsgericht erlässt ein Urteil welches bindend ist. Wird dies nicht erfüllt, erhält der Kläger das Recht, Waren des Beklagten mit Strafzöllen zu belegen.

Bei den specific commitments gelten zusätzlich die Prinzipien des national treatment (Inländergleichbehandlung), was besagt, dass alle Gratifikationen für inländische Anbieter auch ausländischen Anbietern gewährt werden müssen. [2]

Welche Auswirkungen Das GATS auf den Bildungsbereich haben könnte, sollte dieser voll liberalisiert werden, lässt sich derzeit nur erahnen. Zumal es nicht ganz klar ist, ob GATS überhaupt auf den Bildungsbereich in vielen Ländern anwendbar ist, denn Dienstleistungen die vom Staat oder nicht unter Wettbewerbsbedingungen oder auf kommerzieller Basis angeboten werden, sind ausgenommen. Allerdings ist vor allem bei der Frage nach Studiengebühren fraglich, inwieweit dies nicht automatisch ein Anbieten auf kommerzieller Basis bedingt. Zudem muss die Umwandlung der Hochschulen in Stiftungen (wie z.B. von der Landesregierung in Niedersachsen angestrebt) als Entstaatlichung angesehen werden, die auch den ersten Teil der Ausnahmebestimmungen zunehmend in Zweifel zieht.

Bereiche die betroffen sein könnten sind neben der Hochschulfinanzierung auch Qualitätssicherung, Anerkennung von Abschlüssen, Anerkennung von Institutionen und die Gewährung des Rechts Abschlüsse zu vergeben, Eröffnung und Schließung von Hochschulunternehmen (die University of Phoenix, Arizona Online eröffnet z.B. derzeit gerade eine Filiale in Düsseldorf, bei der MBAs und Master of Business Engineering für Gebühren von ca. 30000 DM pro Kurs angeboten werden), sowie Bestimmungen des Status von StudentInnen.

In einem worst case Szenario ist eine Vollprivatisierung sowie ein Finanzieren privater Hochschulen durch den Staat im gleichen Rahmen wie bei staatlichen Hochschulen allerdings nicht auszuschließen. ExpertInnen sagen eine extensive Privatisierungswelle staatlicher Einrichtungen voraus. Wenn man sich anguckt, was in anderen Bereichen passierte, die ins GATS integriert wurden, scheint dies auch nicht ganz von der Hand zu weisen. [3]

Trotzdem werden die Propheten des GATS nicht müde, GegnerInnen als Radikale zu diffamieren und zu beteuern man wolle keine extensive Privatisierung staatlicher Dienstleistungen. Wo derartige Privatisierung hinführt kann man am britischen Schulsystem (mittlerweile das schlechteste in der EU!) oder dem amerikanischen Hochschulsystem mit seinen massiven Ungleichheiten vor allem in den Bildungschancen der/des Einzelnen sehen.[4]

Die Devise ist "Widerstand", wobei Vorsicht geboten ist, denn m.E. ist ein Verfallen in protektionistsche Muster ("wir lassen hier keine anderen Anbieter rein") und ein Rufen nach dem starken Staat ("Bildung ist allein Regierungsverantwortung") eine gefährlich Argumentation, die rechten und rechtsradikalen Diskursen, wie sie z.B. auch von der NPD gegen die Globalisierung geführt werden, die Tür öffnet. Partizipatorische und demokratische Strukturen, gleichberechtigte und in den lokalen Gesellschaften verankerte Entscheidungswege sowie ein anstelle von Wettbewerb und Konkurrenz auf Kooperation gebauter Ansatz internationaler Vernetzung im Bildungswesen sind denkbare Alternativen, die man vertreten kann, ohne in obige Irrwege oder andere autoritative Lösungsansätze zu verfallen. Zudem erscheint eine Diversifizierung an Bildungsmöglichkeiten meines Erachtens nicht grundsätzlich als falsch, einschließlich des Aufkommens ausländischer Anbieter in den europäischen Ländern. Wenn dies vernünftig geregelt wird, wie beispielsweise von der UNESCO vorgeschlagen, so könnten derartige Angebote größeren Mengen von StudentInnen einen Hochschulzugang ermöglichen. Zudem würden über Fernlerneinrichtungen auch traditionell bildungsfernen Schichten Zugang zu Bildung ermöglicht.[5]

Für den 17. November, den internationalen StudentInnentag, der im Erinnern an die Ermordung eines tschechischen Studenten durch deutsche Nazis 1938 begangen wird, ruft der internationale StudentInnenverband IUS zu Aktionen gegen die Privatisierung von Bildung auf, der europäische StudentInnenverband ESIB hat eine ExpertInnenarbeitsgruppe zu dem Thema ins Leben gerufen und überall auf der Welt schließen sich StudentInnen den Protesten an, um den Slogan der IUS zu verteidigen denn "education is a right, not a privilege!!"

Stefan Bienefeld

(Stefan ist seit 1997 an der uni Bielefeld hochschulpolitisch aktiv und war von August 1999 bis September 2000 Vorstandsmitglied des fzs für internationalistsiche Politik. Er arbeitet derzeit als Sacharbeiter für politische Bildung im AStA der Universität Bielefeld und ist Vorstandmitglied des europäischen StudentInnenverbandes ESIB- the National Unions of Students in Europe, der mit 41 Mitgliedern in 35 Ländern mehr als 10 Millionen StudentInnen in Europa vertritt. Der Artikel stellt eine überarbeitete Version eines für die PDS Hochschulzeitung "Crosspoint" geschriebenen Artikels dar)

[1]Siehe hierzu: www.unesco.org/education/efa für Details zum hier angesprochenen Programm

[2]siehe www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/serv_e.htm für generelle Infos zum GATS Abkommen, ein Hintergrundpapier der WTO zum Thema Bildung und GATS kann unter www.esib.org/commodification/documents/index.htm gefunden werden.

[3] Siehe u.a. Education International and Public Services International: "WTO- at stake for public education", Canadian Federation of Students/Fédération Canadienne des Étudiants et Étudiantes: "A briefing on the General Agreement on Trade in Services", People and Planet: "The threat to Higher Education", alle diese Dokumente können unter www.esib.org/commodification/documents/index.htm eingesehen werden

[4] vgl. WTO Secretariat: GATS- Fact and Fiction, zu beziehen unter www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/serv_e.htm. Eine Antwort von NGOs mit dem Titel "Gats- What is fact and waht is fiction" kann unter www.citizen.org/trade/wto/gats/General/ gefunden werden.

[5] Siehe: www.cepes.ro unter dem Punkt Academic mobility, dann auf transnational education.