Patriarchales Erbe: Hartz IV ist sicher

Dass es gilt, Arbeit abzuschaffen und man lieber heute schon selbstbestimmt auf der Parkbank sitzen und die Eichhörnchen füttern solle, anstatt auf die offizielle Erlaubnis dazu mit 67 zu warten, wissen wir nicht erst seit gestern. Dass wir mit dieser Ansicht aber scheinbar immer noch eine Minderheitenmeinung vertreten, ergibt immer weniger Sinn. Als im September 2012 durch Frau von der Leyen mal wieder bestätigt wurde, dass sich Leistung nicht mehr lohnt und die Rente schon lange nicht mehr sicher ist, blieb es beim bekannten kurzen Aufschreien, als hätte man es so noch nicht gewusst und als dürfe das so auch nicht sein, verifiziert haben wir unsere Empörung aber auch diesmal nicht: Keine brennenden Autos am nächsten Morgen, keine Masseneigenkündigungen bei den Verleihbuden und auch Riesterverträge wurden neu abgeschlossen. Mittlerweise darf auch die menschenverachtendste Wahrheit von der deutschen Regierung ausgesprochen werden. Für einen immer größer werdenden Teil der Bevölkerung ist es einfach nicht vorgesehen, dass er auch bei unbedingter Einsatzbereitschaft jemals über das Niveau des von der Regierung nach Gutdünken festgelegten Existenzminimums hinauskommt. Dieser wachsende und überwiegend weibliche Teil der Bevölkerung arbeitet nicht für die Rente und er arbeitet nicht, um sich vom Lohn seiner Arbeit seinen Anteil am süßen Leben zu sichern. Warum arbeitet er dann noch? Er arbeitet, weil es keine Alternative zum Arbeiten gibt, zumindest ist es keine Alternative als arbeitssuchend zu gelten und sich den Schikanen des Jobcenters auszusetzen. Damit entpuppt sich Hartz IV wieder einmal als perfides universales Herrschaftsinstrument zur gesellschaftlichen Disziplinierung. Die Schlichtheit dieser Antwort klingt nur leider zu sehr nach Verschwörungstheorie, als dass man sich traute, diese Wahrheit permanent zu wiederholen. Seit Jahren wird versucht, Alternativen zu Rentensystemen und Lebensarbeitszeitmodellen zu entwickeln, aber mehr als der Bundesfreiwilligendienst, Lesepaten in Kitas und public gardening als zusätzliche Nahrungsquelle für verarmte Großstadtrentner ist bisher nicht zu verzeichnen. Jedoch, die Hoffnung stirbt zuletzt und wenn wir mit 67 nicht mehr erwerbspflichtig sind, bleibt noch genügend Zeit, sich weitere Gedanken zu machen.

Diese Kolumne erschien zuerst in der Direkten Aktion #216 - März / April 2013