Er regiert lustvoll.
Kleiner Mann im Maßanzug. Der Typus des männlichen Politikers und
Staatenlenkers, der sich im Rampenlicht einer fasziniert-angeödeten
Öffentlichkeit exponiert, pflegt den Hang zur Selbstdarstellung. Von seinem kleidsamen
weiblichen Anhängsel, der ultimativen Fleischwerdung männlicher
Erfolgspräsentation, ganz zu schweigen. Bei Bedarf kann gewechselt werden.
„Aber nehmen Sie eine junge, meine Herr, das hebt Ihnen." So, wie der Pfau sein
Rad schlägt, um seine Parasitenfreiheit unter Beweis zu stellen, spreizt die
neue Classe politique ihr Gefieder. Und bleibt dabei ziemlich oft
treu, wie der Presidente del Consiglio nicht verheimlichte. Die alten Römer
haben sich erst gar nicht die Mühe gemacht, lexikalisch zwischen Macht und
Potenz zu unterscheiden. So kapriziert sich die Kreuzung von Dandy und Casanova
und einer Prise Charlie Chaplin unter die Flutersonne der Hauptstadtstudios. Und
dennoch bleibt er ein Mann aus dem Volk für das Volk, der auch mit gestärktem Kragen hemdsärmelig zulangen kann. Wo die
Mediengesellschaft dem politischen Personal ihre ganz eigene Korsage anlegt,
muss die Darstellung der inneren Werte zum Programm werden. Sachverstand ist
eine vergangene Mode und steht unter graumäusigem Bürokratenverdacht. Die
Wiederkehr der Emotion, Bauch sticht Kopf. Der rationale Diskurs versandet in
der Talkshow. Die Fassade muss stimmen. Hauptsache entscheidungsgeil. Da wird
so manches unterschlagen und zurechtgebogen: Die überraschend hohen Kosten für Maquillage für Monsieur le Président sind bekannt. Manchmal gehen die
Eingriffe auch tiefer. Die Emanzipation schreitet voran. Nur im fernen Russland
gibt sich der alte und wahrscheinlich zukünftige Chef muskelbetont und zeigt
den gestählten Oberkörper sowjetischer Bauart, gerne auch auf dem gemeinsamen
Angelurlaub mit Fürst Albert von Monaco. Mit der Selbstverständlichkeit eines
Chamäleons inszenieren sie Politik als Spektakel. Und die Dramaturgie wird von
der Politikberatungsindustrie geliefert. Ein wenig scharf gewürzte
Randgruppenpolitik sorgt für Bewegung und macht, sehr geehrte Bürgerinnen und
Bürger, liebe Zuschauer, das Land wieder ein Stück zukunftstauglicher. Dem
Publikum gefällts. Dabei vergessen sie nicht, dem Volk genug Brot zu geben, um
ihres Kuchens sicher zu sein. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, als man den
Demos noch am alten Graubrot sachlicher Debatten knabbern ließ. Heute gibt es
Toastbrot. Demokratische Teilhabe funktioniert eben auch dann, wenn man sich
seinen Herrschern richtig nahe fühlt. Und eine Projektion dessen vor sich hat,
was man selbst gerne wäre. Die Symbole des Populismus sind bekannt. Virilität
und Potenz, Autoritarismus und Maskulinität und die Sehnsucht, dass der Mann
alles wieder gutmacht. Demokratietheoretisch klassikerhaft unspektakulär.
Aber nur eine Gesellschaft, die persönliche Vorteilsnahme als
Lebensstile akzeptiert und praktiziert, wählt Menschen an ihre Spitze, die so
offensichtlich sich selbst die Nächsten sind. Anderes wird vom politischen Personal nicht einmal mehr erwartet. Die resignative
Suspension des Ethischen.
Gegenentwurf zum westlichen Gockel ist das Führungspersonal aus
Bereichen der Welt, in denen der Individualismus noch nicht blüht. Dort
verwalten noch graue Mäuse. Trockene Gesten, öde Reden, Wohnort unbekannt. Wer
ist eigentlich Obermäuserich? Man trägt lieber den bürokratischen Mantel kollektiver Machtausübung als das expressionistische Abendkleid. Sonst
droht Zwangsurlaub. Zum Glück verfügt man über eine wohlgeordnete Presse, die
über die Details, ganz besonders die privaten, des Herrschens schweigt. Und
über anderes auch. Oder man denke an den iranischen Präsidenten, der sich gern bescheiden
in Grau-Beige zeigt. Ein Mann, der lieber durch Worte statt durch
Äußerlichkeiten provoziert. Auch in Deutschland konnte Populismus mal anders.
Der politische Jahrmarkt der Eitelkeiten verdeckt mit seiner inhaltsleeren Emotion
schließlich auch den Mangel an tatsächlichen Kontrasten, die frühere
Politikergenerationen verschroben, wortgewaltig und polemisch in Szene setzten.
Von 1949 bis 1953, so weiß es die Webseite des Bundestages, ging es dort hoch
her. 156 Ordnungsrufe, und seit der Bundestagswahl 2005 nur noch zwei. Sich von
Strauß als Kommunist beschimpfen zu lassen oder von Fischer als Anus, das hatte
noch was. Da sich jetzt alle vertragen, könnte Phoenix ja 24 Stunden aus der Kanzlerwohnung
senden. Dass die Ersten im Staate das Letzte sind, kommt in den besten Ländern
vor - aber steht den Demokratien dies jetzt auch bevor? Sind das nun
Erschöpfungszeichen der Demokratie oder ist das schon Reife? Das kritische
Bewusstsein, gesegnet mit der Spannkraft einer Katze hinter dem warmen Ofen,
macht das Fenster zu und nimmt sich ein gutes Buch aus dem Schrank.