Das US-Militär und die US-Regierung hatten ihre Foltermethoden und auch die Umstände der Zwangsernährung jahrelang geheimgehalten. Auch die Rechtsanwälte der Gefangenen in Guantánamo, soweit sie Zugang zum Lager erhielten, wurden verpflichtet, darüber nichts verlauten zu lassen. Doch im vergangen Jahr gelang es, aufgrund des US-amerikanischen Informationsfreiheitsgesetzes die Veröffentlichung mehrerer interner Vermerke der Regierung in Washington zu erzwingen. So wurden Praktiken bekannt, mit denen die Gefangenen zum Teil schon seit sechs Jahren gequält worden waren. Weitere Einzelheiten aus dem Lager kamen nach und nach in Gerichtsverfahren ans Licht. Barbara Olschenski und die Gitanjali Gutierrez, zwei Anwälte des CCR, haben kürzlich diese Informationen in einem Bericht zusammengefaßt. Daraus geht unter anderem hervor, daß schon 2002, kurz nach Einrichtung des Lagers, Gefangene immer wieder versucht haben, sich der Inhaftierung und der unmenschlichen Behandlung zu widersetzen, unter anderem durch kollektive Hungerstreiks, die soweit gingen, daß einzelne Streikende ins Koma fielen. Andere begingen Selbstmord. Genaue Zahlen der Opfer sind bis heute unbekannt. Nach dem CCR-Bericht vom 23. Februar 2009 befanden sich zu diesem Zeitpunkt mindestens 50 Mann im Hungerstreik und wehrten sich dagegen, ihre Zellen zum Zweck der Zwangsernährung zu verlassen. Spezielle IRF-Teams attackierten sie und holten sie gewaltsam aus ihren Zellen. Anschließend wurden sie geschlagen, mißhandelt und in einen Fixierstuhl gezwängt, um zwangsernährt zu werden.
Die an den UN-Sonderberichterstatter gegen Folter, Manfred Nowak, den UN-Sonderberichterstatter für den Schutz der Menschenrechte bei der Bekämpfung des Terrorismus, Martin Scheinin, und den UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit, Anand Grover, gerichtete Beschwerde wirft dem jetzigen NATO-Oberbefehlshaber auch vor, die Verantwortung für den Tod mehrerer Gefangener zu tragen. Als Beispiel schildert sie den Fall des bei Haftbeginn 17jährigen Saudiarabers Yasser al-Zarahni, der mehr als vier Jahre lang ohne Anklage, ohne irgendeine Begründung festgehalten wurde. Um gegen die Haft und die Haftbedingungen zu protestieren, die darauf ausgelegt waren, ihn und andere Gefangene physisch und psychisch zu brechen, trat er 2006 gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Gefangener in einen Hungerstreik. Doch die US-Militärs ließen sich weiterhin nicht dazu bewegen, die Haftgründe zu nennen und die Haftbedingungen mit elementaren Menschenrechtsstandards in Einklang zu bringen. Statt dessen antworteten sie mit Zwangsernährung. Al-Zarahni starb im Alter von 22 Jahren, ohne daß ihm je eine Straftat oder irgendein Fehlverhalten vorgeworfen worden wäre. Ein anderer Saudi, Ahmed Zaid Salem Zuhair, wurde nach vorliegenden Aufzeichnungen am Ende nicht mehr von Ärzten zwangsernährt, sondern von Soldaten einer Spezialeinheit, die äußerst gewaltsam vorging. Aus Protest schmierte sich Zuhair mit seinen eigenen Exkrementen ein, um seine Zelle nicht verlassen zu müssen. Isa Al-Murbati sagte aus, das Einführen von zwei großen Beuteln mit Flüssignahrung sei so schmerzhaft, als würde ihm im Bauch ein Messer umgedreht. Der Nahrung würden auch Substanzen beigemischt, die zu Durchfall führten. Dem Gefangenen Jum'ah al-Dossari sagten US-Offiziere: »Wenn die Streikenden die USA herausfordern, dann antworten die USA eben mit diesen Maßnahmen.«
Die Menschenrechtsorganisationen betrachten die Zwangsernährung unter solchen Umständen als eine Foltermaßnahme - weniger darauf angelegt, Leben zu erhalten, als politischen Protest zu brechen. Der Weltärztebund hatte schon 1975 in seiner Deklaration von Tokio und 1991 in der Deklaration von Malta die Zwangsernährung verurteilt: »Wenn ein Häftling, der gefoltert wird, sich entscheidet, mit einem Hungerstreik gegen seine Zwangslage zu protestieren, darf ein Arzt nicht dazu verpflichtet werden, dem Häftling gegen dessen Willen Nahrung zuzuführen und ihn dadurch für neue Folterungen wiederzubeleben.« 2006 forderte eine Gruppe von 263 namhaften Ärzten nach Bekanntwerden der ersten Informationen über die Zwangsernährung in Guantánamo die US-Regierung auf, derartige Maßnahmen sofort zu beenden.
Vizeadmiral Harry B. Harris jr., der in den Jahren 2006 bis 2007 das Lager leitete, sprach von »asymmetrischer Kriegsführung« und bezeichnete Selbstmorde als »gelungene PR-Aktion«. In Wahrheit waren diese Aktionen die letzten verzweifelten Versuche der Gefangenen, unter extremen Bedingungen ihre Würde zu bewahren. Die US-Militärs erkannten zwar allmählich, daß der Tod von Gefangenen dem Ansehen ihres Landes im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus schlecht bekommt, doch an den Praktiken hat sich bis heute unter der Obama-Administration nichts geändert. Gegen Craddock wurden trotz eindeutiger Beweise bisher keine nationalen oder internationalen Untersuchungen eingeleitet, keine Untersuchungskommission eingesetzt, kein Strafverfahren in Gang gebracht. Jetzt hoffen die drei Menschenrechtsorganisationen auf die drei UN-Sonderberichterstatter.