Herrin des Shoppings

in (03.10.2007)

Cristina Kirchner kandidiert für die Präsidentschaftswahlen in Argentinien. Die Medien kreieren eine königliche Pinguinin zwischen Hillary und Evita.

Anfang Juli dieses Jahres gab in Argentinien die amtierende Partei Nestor Kirchners die Kandidatur seiner Frau Cristina Fernandez de Kirchner für die Präsidentschaftswahlen im Oktober 2007 bekannt. Wie bereits Beispiele des medialen Umgangs mit anderen Frauen in hohen Ämtern gezeigt haben, verliert auch im Zusammenhang mit Cristina Kirchner so manch journalistischer Bericht die politischen Inhalte der Präsidentschaftskandidatin leicht aus den Augen. So weiß die Presse vor allem von Kirchners Designer-Outfits. Auch die dicke Schminke, zurückgegangene Tränensäcke und vollere Lippen, die, so wird spekuliert, wohl Resultat von Schönheitsoperationen sein dürften, gehören zum fixen Bestandteil der Berichterstattung. Zitiert werden Aussagen wie "selbst ein Bombenangriff könnte mich nicht davon abhalten, mich zu schminken" und "ich würde niemals ohne Parfum und Schminke aus dem Haus gehen, selbst wenn Soldaten kämen, um mich abzuführen." Und wenngleich die Senatorin all diese Dinge auch gesagt haben mag, stellt sich doch die Frage, ob sie in irgendeiner Form von Relevanz sind, wenn es darum geht, in Argentinien Politik zu machen.
Dass Kirchner u. a. verspricht, Arbeitsplätze zu sichern, weiter in Sozialprogramme zu investieren und auf diese Art und Weise die sozialpolitischen Maßnahmen der peronistischen Politik ihres Mannes fortzuführen, wird dabei höchstens beiläufig erwähnt. Damit wird die Senatorin wohl trotz der Ankündigung, sich auch für die Rechte der Frauen engagieren zu wollen, vermutlich weiterhin in erster Linie "Nuestra Señora del Shopping" - "Unsere Herrin des Shoppings" bleiben, wie eine argentinische Zeitung titelte.

Lieber feminin als feministisch. Dass sie schon das ein oder andere Mal eine emanzipatorische Parole wie "Gewöhnt euch an die Frauen" äußerte oder betonte, dass sie Präsidentin und nicht Präsident werden wolle, macht sie allerdings noch lange nicht zu einer Feministin. Ebenso wenig der Umstand, dass sie einmal ihren Mann kritisiert hat, weil er "nie auch nur eine einzige Windel gewechselt" haben soll. Schließlich betonte Cristina Kirchner vor wenigen Jahren noch, dass sie selbst nicht als Feministin, sondern lieber als feminin gelten will. "Ich glaube, wenn man den Feminismus als politische Kategorie anerkennt, würde man auch bestätigen, dass der Begriff des Machismos eine solche wäre. Ich glaube daran, die Rechte von Frauen und Minderheiten zu vertreten, aber nicht unter einem feministischen Etikett."1 Dennoch ist sie keinesfalls erst als Ehefrau zur Politikerin geworden, sondern war bereits davor nicht nur politisch aktiv, sondern auch damals schon populär. Während Nestor Kirchner sich vom Bürgermeister über den Posten des Gouverneurs und Parlamentsabgeordneten und 2003 schließlich zum Präsident der argentinischen Republik hocharbeitete, war Señora Kirchner Abgeordnete im Provinzparlament (1989), Vertreterin einer Provinz in der Abgeordnetenkammer des Argentinischen Kongresses (1995) und schließlich Senatorin des Oberhauses des Kongresses (1997). Dann fiel ihr der Titel der First Lady zu und später gewann sie die Wahlen als Senatorin (2005) für Buenos Aires, der größten Provinz des Landes.

Königliche Pinguinin. Das Ideal der aufopfernden Ehefrau des starken Präsidenten, das die Nationalheldin Evita Péron stets verkörperte, erfüllt die Kandidatin also schon durch diese eigene Karriere nicht. Dennoch muss sich CFK, wie Cristina Kirchner in Anlehnung an John F. Kennedy ebenfalls genannt wird, mit Vergleichen mit der Nationalikone Evita herumschlagen, wenn ihr auch dabei gleichzeitig deren Popularität abgesprochen wird. Aber dieser Vergleich wird selbst bei politisch engagierten Frauen anderer lateinamerikanischer Länder gerne bemüht, bei argentinischen Politikerinnen scheint er unvermeidlich zu sein.
Verglichen wird ihre Kandidatur überdies oftmals mit der von Hillary Clinton, der Ehefrau des ehemaligen US-amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. Obgleich sich die beiden Politikerinnen schon allein durch den Umstand unterscheiden, dass Cristina Kirchner ihrem Mann direkt nachfolgen will, während es Hillary Clintons Ziel ist, die Macht zurückzuerobern, ziehen die Medien unbeirrt Parallelen, für die eben der langjährige Kontakt der beiden Präsidentengattinnen herhalten muss oder notfalls auch die Tatsache, dass die beiden den gleichen Friseur haben sollen. Zweifellos handelt es sich in beiden Fällen um "mächtige Ehepaare", aber dennoch muss festgehalten werden, dass Frau Clinton erst nach der Amtsperiode ihres Mannes Senatorin wurde und zuvor in erster Linie mit ihrem Job als First Lady beschäftigt war. Ihr lateinamerikanisches Pendant hatte seine politische Karriere bereits zuvor gestartet. Einen Unterschied betont die Klatschpresse jedoch: Kirchner trete deutlich "herrschaftlicher" und "königlicher" als Hillary Clinton auf, was ihr wiederum den Kosenamen "die Königin" einbrachte.
Obwohl die Präsidentschaftskandidatin bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Mitglied der peronistischen Partei wurde, für die sie auch heute zur Wahl antritt, versteht sie sich zweifellos als Intellektuelle und lehnt den Vergleich mit Evita wie auch derartige Etikettierungen weitgehend ab. Da diese Partei während der Militärdiktatur (1976 bis 1983) verboten wurde, flohen die Kirchners nach Patagonien im Süden Argentiniens, was der "Primera Dama" zu guter Letzt auch noch den Spitznamen "Pinguinin" einbrachte - die Frau des "Pinguins" Nestor Kirchner, der in Anspielung auf die Pinguinkolonien in Patagonien schon vorher so bezeichnet worden war.

Abtreibungsgegnerin. Cristina Kirchner tritt aber auch in die Fußstapfen von Michelle Bachelet, die letztes Jahr in Chile mit ihrem Mitte-Links-Bündnis zur Präsidentin gewählt wurde. Zuvor hatte es in Lateinamerika bereits fünf Frauen2 in diesem Amt gegeben, was jedoch kein vergleichbares internationales Interesse hervorgerufen hatte. Angesichts des gesellschaftlich verbreiteten Machismo und Sexismus ist diese Entwicklung allein bereits eine erfreuliche Neuheit. Die Veränderungen werden als "historischer Fortschritt" bezeichnet und Cristina Kirchner selbst spricht gar vom "Zeitalter der Frauen".
Ob diese Politikerinnen jedoch wirklich reale Verbesserungen für Frauen mit sich bringen, bleibt fraglich. Cristina Kirchner positioniert sich ebenso wie ihr Mann schließlich nicht erst seit Beginn ihrer Kandidatur gegen eine Legalisierung von Abtreibung3 und auch ihr Einsatz für sexuelle Aufklärung und Erziehung hält sich in Grenzen. Kritisiert wird von Feministinnen darüber hinaus auch der Umstand, dass sie bereits in ihrer Funktion als Senatorin kein einziges bemerkenswertes Projekt vorgestellt habe, das Frauen begünstigt hätte. So wird die Kandidatur von Cristina Kirchner in den autonomen Teilen der Frauenbewegung meist als weitere Konzentration von Macht in der Familie Kirchner beurteilt, die lediglich den amtierenden "Kirchnerismo" fortsetzen und frauenpolitisch wenig bewirken wird.
Dass Cristina Kirchner mit denselben Vorurteilen wie andere mächtige Frauen konfrontiert ist, ihr derselbe mediale Umgang widerfährt und sie auf diese Art und Weise auch diskriminiert wird, sollte ihr noch keine uneingeschränkte Unterstützung sichern.

1 "Creo que si se reconoce al feminismo como una categoría política se está validando la noción de que el machismo también lo es. Creo en defender los derechos de la mujer y de las minorías, pero no bajo la etiqueta de ser feminista", afirmó. (http://www.pagina12.com.ar/diario/elpais/1-55115-2005-08-15.html)

2 Zu den bisherigen lateinamerikanischen Präsidentinnen zählen María Estela Martínez de Perón in Argentinien (1974-1976), Violeta Chamorro in Nicaragua (1990-1996), Mireya Moscoso in Panamá (1999-2004) und als Übergangspräsidentinnen Lidia Gueiler Tejada in Bolivien (1979-1980) und Rosalía Arteaga in Ecuador (1997). (http://ila-web.de/presseschau/2006)

3 Die argentinische Gesetzgebung erlaubt einen Schwangerschaftsabbruch nur in zwei Fällen: bei Gesundheitsgefährdung der schwangeren Frau durch ihre Schwangerschaft oder bei geistiger Behinderung der Mutter. Doch selbst dann muss die Abtreibung erst gegenüber konservativ- katholischen ÄrztInnen und RichterInnen durchgesetzt werden und ist mit einem endlos langen juristischen Weg verbunden. Zudem werden Schwangerschaftsabbrüche selten in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt, sondern fast ausnahmslos in Privatkliniken, womit hohe Kosten verbunden sind. Â… In Argentinien werden pro Jahr ungefähr eine halbe Million illegale Abtreibungen durchgeführt, rund 80.000 Frauen müssen danach im Krankenhaus behandelt werden. Schwangerschaftsabbrüche sind damit auch die Hauptursache für Muttersterblichkeit. (Vgl. Goetz, Judith: "Ni una muerte más" in an.schläge 02/07)

Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at