Frauen sind von den neuen Verschärfungen im Schweizer Asylgesetz am stärksten betroffen.
Obwohl auch das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge im Vorfeld größte Bedenken geäußert hatte, nahmen zwei Drittel des Schweizer Volkes am 24. September 2006 ein neues Asyl- und Ausländergesetz an. Mit einem Referendum hatten Hilfswerke, Kirchen, NGOs, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Jugend- und Frauenverbände vergeblich versucht, die beiden Gesetze in letzter Minute zu verhindern. Der Abstimmungskampf um die beiden Gesetzesvorlagen wurde von den Befürwortern einer scharfen Asyl- und Ausländergesetzgebung mit nie da gewesener Härte und Rücksichtslosigkeit geführt.
Justizminister Christoph Blocher, dessen Schweizerische Volkspartei (SVP) seit zwanzig Jahren programmatisch gegen alles Fremde antritt und dabei die EU genauso im Visier hat wie "kriminelle Ausländer", "abzockende Asylbewerber" oder "Scheinflüchtlinge", warb Land auf Land ab mit "Informationsveranstaltungen" für das einzige Produkt seiner bald dreijährigen Amtszeit - ohne sich je einem Gegner oder einer Gegnerin zu stellen. "Meine Aufgabe ist es zu informieren, nicht zu debattieren", verkündete der Milliardär und SVP-Bundesrat in völliger Verkennung der demokratischen Spielregeln. Dass er es dabei mit den Zahlen nicht so genau nahm und die Statistiken seines eigenen Migrationsamtes nach Lust und Laune verbog, machte einer Mehrheit der Schweizer Bevölkerung nicht zu schaffen, obwohl sie die richtigen Informationen jederzeit im Internet1 hätten abrufen können. ?Hinter jedem Asylbewerber steckt ein potentieller Asylmissbraucher, hinter jeder Ehe zwischen einem Schweizer und einer Ausländerin - oder umgekehrt - verbirgt sich eine mögliche Scheinehe, argumentierte die SVP. Und die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen folgten ihr. Nach dem Motto: Lieber einen Verfolgten abweisen, als einem falschen Flüchtling Unterschlupf bieten, nahmen sie die beiden Gesetze an. ?Die Verschärfungen im revidierten Asylgesetz treffen Frauen in ganz besonderem Maße. Auch das ebenfalls angenommene neue Ausländergesetz diskriminiert Frauen doppelt.
Wer nicht innerhalb von 48 Stunden nach der Ankunft Reise- oder Identitätspapiere vorweist, wird künftig vom Asylverfahren ausgeschlossen. Aber gerade Verfolgte haben oft keine Papiere! Ein Drittel der heute anerkannten Flüchtlinge konnte nie Papiere abgeben. Das gilt besonders für Frauen und Kinder, oftmals hat der Mann die Papiere aller Familienangehörigen bei sich. Im Todesfall oder bei Beziehungsproblemen verfügen die Frauen vielfach weder über Reisepass noch über Ausweispapiere. In vielen Ländern müssen Frauen zudem die Genehmigung des Vaters, Bruders oder Ehemannes haben, um eigene Ausweispapiere zu beantragen. Nicht selten wird ihnen diese Selbstverantwortung verweigert. All diese Frauen werden in Zukunft, selbst wenn sie verfolgt werden oder ihr Leben bedroht ist, vom Asylverfahren ausgeschlossen sein. ?Kheriyu Zeinu, deren politisch aktiver Mann vor seinem Tod monatelang im Gefängnis gesessen hatte, wurde von den eritreischen Sicherheitskräften gedroht: Man würde ihr den 4-jährigen Sohn wegnehmen und sie erneut in den Militärdienst einziehen, wenn sie gewisse Dokumente ihres Mannes nicht heraus gäbe. Ende 2002 hält sie diesen Druck nicht länger aus und flieht mit ihrem Kind aus Eritrea in die Schweiz, ohne Papiere. Ihr Asylgesuch wird von den Behörden abgelehnt, sie verlangen ihre Ausreise und streichen ihr die Sozialhilfe. Zwei Jahre lang hält sich Kheriyu Zeinu mit ihrem Kind illegal in der Schweiz auf. Nach jeder Vorladung aufs Migrationsamt träumt der Bub nächtelang von Gefängnissen und Polizisten. Sie hat Glück im Unglück und findet Hilfe bei den JuristInnen von Caritas Schweiz. Im August 2006 erhält sie mit ihrem Kind nach Rekursen Asyl. ?Zwar hat die Asylrekurskommission vor ein paar Wochen in einem Bahn brechenden Urteil entschieden, auch frauenspezifische Fluchtgründe anzuerkennen und künftig Frauen und Mädchen, die auf Grund ihres Geschlechts gefährdet sind, in der Schweiz Asyl zu gewähren. Doch die Verschärfung der Papierlosenbestimmungen macht es den Betroffenen schwer, wenn nicht unmöglich, den nötigen Schutz einzufordern. Zwei Drittel der Flüchtlinge sind von Flucht und Verfolgung derart traumatisiert, dass sie oft Monate, ja Jahre brauchen, um über die grausamen Erlebnisse reden zu können. Gerade Frauen können oft nur mit Mühe über die Übergriffe und Gewalt gegen sie reden. In ihrem Falle sind die Ausnahmeregelungen Augenwischerei. Wer von ihnen erwartet, dass sie sofort ihre Flüchtlingseigenschaft glaubhaft machen, verkennt die Lage. ?Die Kurdin S. H. floh mit der Hilfe eines Schleppers aus der Türkei. Den Pass musste sie dem Schlepper abgeben. Während der Befragung antwortete sie zögernd. Immer wieder schwieg sie hilflos. "Unglaubwürdig", urteilten die Asylbehörden und wiesen die schwer traumatisierte Frau ab. Erst Monate später nach der Ablehnung ihres Gesuchs konnte S. H. im Kreis von Frauen erzählen, dass sie von einem Polizisten mehrfach vergewaltigt wurde. Heute lebt sie als anerkannte Flüchtlingsfrau in der Schweiz. Dazu brauchte es aber mehrere ärztliche Gutachten und zwei Rekurse.
Künftig können alle Abgewiesenen auf die Straße gestellt und von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden - darunter auch Mütter mit Kindern, Schwangere, minderjährige Mädchen. Die gravierenden sozialen Folgen einer derartigen Politik sind absehbar. 2004 wird die 16-jährige Kongolesin S. völlig hilflos, erschöpft und ausgehungert in einem Zug zwischen Lausanne und Genf aufgefunden. Die Aargauer Behörden hatten das Mädchen nach einem Nichteintretensentscheid kurzerhand auf die Straße gestellt und der Vertrauensperson, die sich um das Kind gekümmert hatte, das Mandat ersatzlos entzogen. Die Genfer Vormundschaftsbehörde führte S. nach Aargau zurück. Nach einer längeren Odyssee durch für weibliche Minderjährige ungeeignete Unterkünfte ist S. schließlich verschwunden. ?Das Kinderhilfswerk Terre des hommes, das den Fall in seiner Studie "Das Asyl- und Ausländerrecht verletzt die Rechte der Kinder" dokumentiert, sieht unbegleitete, minderjährige Mädchen als besonders gefährdet, in kriminellen Netzen zu verschwinden.
Wenn abgewiesene Asylsuchende die Schweiz nicht freiwillig verlassen, können sie künftig bis zu zwei Jahren in Beugehaft genommen werden. Frauen mit Kindern können mit diesem Druckmittel besonders hart getroffen werden.?Eine Mutter aus Madagaskar wird in Luzern eine Woche, nachdem ihre Ausreisefrist verstrichen ist, verhaftet und von ihrem dreijährigen Sohn getrennt. Man verweigert ihr den Kontakt zu einem Anwalt. Aus Angst um ihr Kind unterschreibt sie eine Strafverfügung, die sie nicht versteht. Bis zu ihrer Ausweisung wiederholt die Mutter immer wieder verzweifelt, dass sie bei uns um Schutz ansucht, weil sie seit dem Verschwinden ihres Mannes in ihrer Heimat um ihren Sohn fürchtet.
Frauen aus Nicht-EU-Ländern können nur durch Heirat mit einem Schweizer einen Schweizer Pass bekommen. Mit der Ehe gehen sie die Verpflichtung ein, während einer Frist von mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung im gleichen Haushalt zu leben. Bei Trennung der Ehegemeinschaft vor Ablauf von drei Jahren, was einer heute weit verbreiteten Realität entspricht, besteht kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Besonders anstößig ist, dass Opfer ehelicher Gewalt, die ihren Ehepartner verlassen, ausgewiesen werden können - selbst dann, wenn häusliche Gewalt nachgewiesen ist.
Dieser Artikel erschien in: an.schläge, das feministische Magazin,
www.anschlaege.at