Erosion moderner Rechtsstaatlichkeit

"Terrorismusbekämpfung"

in (10.12.2004)

An der Debatte um die Sicherungshaft für terrorismusverdächtige Ausländer zeigt sich der Niedergang polizeirechtlicher Standards.

Die Debatte um die Sicherungshaft für terrorismusverdächtige Ausländer liefert ein drastisches Beispiel für die Einführung polizeirechtlicher Standards in das moderne Rechtssystem, durch die sein rechtsstaatlicher Gehalt zu erodieren droht.

Während Polizeirecht den beiden Empire-Autoren zufolge das rechtliche Fundament einer neuen Weltordnung bildet (Hardt/Negri), trägt ebenfalls das 2004 verabschiedete Zuwanderungsgesetz Züge eines Fremdenpolizeirechts (Prantl). Das sich anfangs noch an Integrationsfragen orientierende Gesetzesvorhaben wurde nach den Terroranschlägen von New York und Madrid von der Debatte um Innere Sicherheit eingeholt und mündete schließlich in einer durch Schily und die Unionsparteien angeregten Diskussion um eine Sicherungshaft - also darüber, wie Leute dauerhaft eingesperrt werden können, die keine Straftat begangen haben. Erst die Kritik aus Reihen der Grünen, SPD und FDP führte dazu, dass mit der Einführung von § 58a und § 62 II 1a AufenthG lediglich eine Erweiterung bestehender Regelungen umgesetzt wurde.

Glaubt man allerdings der CDU-Chefin Merkel, ist das Konzept der Sicherungshaft damit noch nicht vom Tisch. Dieses sieht, unter weitgehender Adaption des britischen Modells, eine auf etwa zwei Jahre begrenzte Inhaftierung terrorismusverdächtiger Ausländer vor, die gem. Art. 3 EMRK aufgrund von Bedingungen in ihren Heimatländern nicht abgeschoben werden können. Diese nach ihrer Eingriffsintensität mit der strafrechtlichen Freiheitssanktion vergleichbare Verwaltungshaft basiert indes weder auf strafprozessesualen fair-trail-Prinzipien, noch auf einem konkreten Haftungsgrund.

Vielmehr stützt sie sich auf bloße Gefahrenprognosen und eröffnet somit den Raum für unkontrollierte staatliche Willkür. Insofern Freiheitseinschränkungen unter dem verfassungsmäßigen Gebot der Verhältnismäßigkeit stehen und das BVerfG dabei grundsätzlich die Maßgabe in dubio pro libertae verfolgt, ist eine Feststellung verfassungsrechtlicher Grenzen der Sicherungshaft zur polizeilichen Gefahrenabwehr die konsequente Folge. Ferner bildet nach dem EGMR Art.5Ic EMRK keine Grundlage für präventive Freiheitsentziehungen sowie ist eine solche nach Art.5If EMRK nur im Rahmen eines voranschreitenden Abschiebungsverfahrens rechtmäßig, so dass auch hier rechtsstaatliche Defizite vorliegen.

Die Verknüpfung der Debatte um die Sicherungshaft mit der Person des Hasspredigers Kaplan macht indes deutlich, dass die heute nahezu beliebige Verfügbarkeit über rechtsstaatliche Tabus nicht zuletzt auch das Ergebnis politischer Instrumentalisierung und Symbolgesetzgebung ist. Es darf mithin nicht vergessen werden, dass der Terror über seine reale Bedrohungsdimension hinaus der Politik auch ermöglicht, die eigentlich problembehafteten Strukturen einer Gesellschaft ungelöst zu belassen und dennoch den Kampf um Ordnungskompetenz zu gewinnen.