Brief des Juso-Bundesvorsitzenden Niels Annen

in (15.09.2001)

"Als Sozialistinnen und Sozialisten stehen wir ein für eine aktive Friedenspolitik. Die Vorstellung von Rache lehnen wir aus tiefster Überzeugung ab."

Berlin, 14. September 2001

Liebe Genossinnen und Genossen,

die Terroranschläge vom 11. September 2001 stellen einen verbrecherischen Angriff nicht nur auf die betroffenen Menschen in New York und Washington, D.C. dar. Die zu ‘bemannten BombenÂ’ umfunktionierten Flugzeuge, die mit vielen Menschen an Bord auf das World Trade Center, das Pentagon und möglicherweise andere Ziele gelenkt wurden, haben in der Tat sinnbildlich auch sämtliche Staaten der Erde getroffen: Der 11. September 2001 war der internationale Tag des Friedens, ausgerufen von den Vereinten Nationen. Die UN wollte an diesem Tag ihre 56. Generalversammlung in New York beginnen, einige Tage später sollte der Weltkindergipfel stattfinden. Die in ihrem Umfang und Auswirkungen beispiellosen Attentate richteten sich gegen die auf Solidarität, Menschenrechten, Demokratie, Freiheit und gegenseitigem Respekt beruhende Weltordnung, wie sie von den Vereinten Nationen repräsentiert wird. Daher ist es wichtig, angesichts dieser Bedrohung gemeinsam mit allen Menschen zusammenzustehen, d! ie diesen Terror und die hinter ihm stehenden Ziele ablehnen und verurteilen. Es ist die Stunde der Vereinten Nationen im wahrsten Sinne des Wortes.

Es sei nochmals betont: einen solchen Terroranschlag hat es weder in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika noch andernorts gegeben. Unschuldige Menschen sind zum Gegenstand sinnloser Gewalt gemacht worden. Seit dem zweiten Weltkrieg sind noch nie so viele Menschen durch einen einzigen Akt der Gewalt ermordet worden. Auch die Grundregel selbst jeden Krieges, nach der die Helfer und Rettungskräfte nicht angegriffen werden dürfen, wurde missachtet. Knapp 20 Minuten nach der Kollision des ersten Flugzeuges mit einem Turm des World Trade Center waren Feuerwehrleute, Ärztinnen und Ärzte, Polizistinnen und Polizisten und zufällig anwesende Menschen dabei, den Opfern zu helfen. In diesem Augenblick wurde die zweite Boing in den anderen Turm gelenkt. Hunderte von Toten allein bei den Rettungskräften waren die Folge. Sie hatten keine Chance.

Angriff auf die Vereinten Nationen Die Attentäter und ihre Unterstützer haben zynisch unzählige Menschenleben als Statisten für einen Angriff gegen die Symbole des ihnen verhassten Amerikas missbraucht. Sie wollten damit vor allem ein Zeichen setzen gegen einen Staat, der ihnen als die Verkörperung des Bösen gilt. Aber offenbar war auch Camp David als Ziel ausgesucht worden: der Ort, an dem unter Vermittlung der USA ein Friedensschluss zwischen Israelis und Ägyptern erreicht werden konnte und sich der später ermordete israelische Premier Rabin und der Palästinenserführer Arafat öffentlich die Hand gaben. Damit galt der Angriff nicht nur dem Staat USA, sondern genauso der Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern und damit der aufgeklärten und an einem friedlichen Zusammenleben von verschiedenen Kulturen interessierten Welt. Und im Zusammenhang mit der erwähnten Vollversammlung der Vereinten Nationen gilt die Aussage des UN-Generalsekretärs Kofi Annan, dass die Anschläge ‘an attack on humanity as a wholeÂ’, also einen Angriff auf die ganze Menschheit, darstellen.

Solidarität mit den Opfern Es ist daher richtig und wichtig gewesen, dass sich viele Jungsozialistinnen und Jungsozialisten angesichts des Terrors mit den Opfern solidarisiert haben und wir unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl zum Ausdruck gebracht haben. Wir als JungsozialistInnen sind uns einig in der Ablehnung von Gewalt und Terror. Wir denken an die Toten, ihre Familien, Freundinnen und Freunde und die vielen Verletzten. Viele von uns haben in den letzten Tagen versucht, diesem Entsetzen und der Trauer Ausdruck zu verleihen: durch Gedenkgottesdienste, Schweigeminuten und Besuche bei den amerikanischen Konsulaten oder der Botschaft. Dies war und ist ein wichtiges Zeichen, um der Fassungslosigkeit im Angesicht der Tragödie zu begegnen.

Auch an dieser Stelle sei es nochmals gesagt: wir sehen diesen Angriff auf die vielen Menschen, die nichts Böses ahnend zur Arbeit gingen, auch als Angriff auf uns selbst. Es hätte jeden von uns treffen können.

Die Illusion des absoluten Schutzes Und noch etwas ist deutlich geworden. Gegen solche Angriffe kann sich kein Staat der Welt durch noch so viel Militär verteidigen. Dies ist auch eine neue Erfahrung in einer Welt, in der wir an immer neue technische Möglichkeiten gewöhnt sind und uns der Eindruck vermittelt wird, alle Dinge seien beherrsch- und kontrollierbar. Gegen derartige heimtückische Attacken durch Terroristen gibt es keinen absoluten und wirksamen Schutz. Es helfen weder die vielen Milliarden Dollar, die die Vereinigten Staaten von Amerika und die anderen westlichen Länder jedes Jahr für ihre militärischen Abwehrmaßnahmen ausgeben. Es werden aber auch die vielen 100 Milliarden Dollar nichts nützen, die von der US-Regierung unter George W. Bush für die Entwicklung eines nationalen oder globalen Rakentenabwehrschirmes ausgegeben werden sollen. Das Projekt National-Missile-Defence (NMD) geht von einer Bedrohung durch konventionelle oder Nuklearraketen aus. Die Anschläge von New York und Washinton haben jedoch gezeigt, dass die Gefahren von viel banaleren und doch viel gefährlicheren ‘WaffenÂ’ ausgehen. Gegen entführte und in selbstmörderischer Absicht gelenkte Flugzeuge oder mit Sprengstoff oder Chemikalien beladene Schiffe und Fahrzeuge nützt ein solcher Abwehrschirm nichts.

Terrorismus gemeinsam international bekämpfen Nötig ist vielmehr eine gemeinsame und wirkungsvolle Bekämpfung des Terrorismus und seiner Ursachen. Alle Staaten der Welt müssen dabei gemeinsam und unabhängig von den jeweiligen Interessen vorgehen. Sobald ein Staat Terrorismus als strategisches Mittel der Politik einsetzt, muss die Staatengemeinschaft zusammenstehen und sich einig sein in dessen Verurteilung. Taktische oder zeitweise Unterstützung terroristischer Gruppen durch einzelne Staaten dürfen nicht hingenommen werden. Dabei ist klar, dass dem Terrorismus nicht mit militärischen Mitteln beizukommen ist. Neben polizeilichen Maßnahmen ist vielmehr eine nachhaltige Strategie nötig, die auch dessen Ursachen angeht: Armut, Unterentwicklung und Perspektivlosigkeit. Es ist ein Interessenausgleich nötig, der nicht auf einseitige Interessendurchsetzung abzielt. So platt es klingen mag: Entwicklungspolitik ist auch immer Präventionspolitik. Aber wir müssen auch bedenken, dass es nicht zuletzt schwerreiche Einzelpersonen und wohlhabende Staaten in der Arabischen Welt sind, die einige der radikal-islamischen Terrorgruppen finanzieren und unterhalten. Es ist keine reine Armutsbewegung oder der Aufstand der Armen, der sich durch diesen Terror Gehör verschaffen will. Nicht vergessen sollte man aber auch, dass viele Staaten des Westens Terroristen zumindest indirekt immer wieder unterstützt haben. Aktuelles Beispiel ist die UCK im Kosovo. Aus der Vergangenheit sei an die Unterstützung der Taliban in Afghanistan im Bürgerkrieg gegen die frühere Regierung oder Saddam Hussein im Irak gegen den Iran erinnert. Und selbst der nunmehrige Staatsfeind Nummer eins, Osama Bin-Laden wurde als nützlicher Idiot im Kampf gegen die unerwünschte Regierung in Kabul durch westliche Geheimdienste ausgebildet und unterstützt. Es gilt der alte Spruch von den Geistern, die man rief und dann nicht wieder loswird.

Wir bleiben dabei: Ohne eine erkennbare Bekämpfung der Ursachen von Unterentwicklung und Unterdrückung wird es auch in Zukunft keine Sicherheit geben.

Konsequenzen In der Konsequenz der Terrorangriffe sehe ich derzeit vor allem zwei Gefahren. Eine mittel- und eine langfristige. Mittelfristig besteht die Gefahr einer Verschärfung des innenpolitischen Klimas. Langfristig müssen wir die Folgen der Anschläge auf die Weltpolitik bedenken und analysieren.

Innenpolitische Gefahren Es deutet sich bereits wenige Tage nach den Anschlägen an, wohin nach den Vorstellungen konservativer Law-and-Order-Politiker die Reise gehen soll. Der CSU-Vorsitzende Stoiber fordert die Zusammenführung militärischer und polizeilicher Aufgaben, die Einwanderungspolitik soll überdacht werden. Es wird der Kampf der Kulturen ausgerufen.

Führende Politiker der Union haben es schnell klargemacht: Sie fordern eine Aufstockung der Mittel für Geheimdienste und Polizei in Bund und Ländern, den Einsatz der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes für Sicherungsaufgaben im Inneren und die Einrichtung eines nationalen Sicherheitsrates mit Verfassungsrang. Damit soll das aufgrund der Erfahrungen mit der Geschichte Deutschlands zu Recht in die Verfassung aufgenommene Verbot innerdeutscher Einsätze der Bundeswehr abgeschafft und der liberale Rechtsstaat massiv geschwächt werden.

Wenn diese Pläne umgesetzt würden, dann hätten die Terroristen in der Tat gewonnen.

Die Union will durch ihre Vorschläge den Kernbestand unserer Demokratie treffen. Aber auch in unserer eigenen Partei scheint der Terrorangriff die Denkfähigkeit einiger führender Köpfe eingeschränkt zu haben. Ein Einschwenken auf die gegen den liberalen Rechtsstaat gerichteten Forderungen der CDU/CSU ist das falsche Signal.

Wir stellen dem internationalen Terrorismus das Prinzip des demokratischen und liberalen Rechtsstaats gegenüber. Mit einer Einschränkung der Bürgerrechte und einer Militarisierung der Politik lässt sich der weltweite Terrorismus nicht bekämpfen. Ich stimme daher dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse zu, wenn er sagt: ‘Fatal wäre es, die Freiheit auf Kosten der Freiheit zu verteidigenÂ’.

Wenn von einem Angriff des radikalen Islam auf die gesamte zivilisierte Welt gesprochen wird, ist dies wenig hilfreich. Denn im Zusammenhang mit der Debatte um Huntingtons ‘Clash of CiviliazationsÂ’ ist dies eine äußerst problematische Beschreibung. Gerade nach einem solch verheerenden Anschlag dürfen wir die Welt nicht in gut und böse, zivilisiert und unzivilisiert teilen. Die Rechte in unserem Land versucht seit langem mit pseudowissenschaftlichen Elaboraten einen Gegensatz zwischen der ‘zivilisiertenÂ’ abendländischen und dem Rest der Welt herzustellen und damit das Projekt der europäischen Einigung umzudeuten. Dabei geht es gerade jetzt, wie Timothy Garton Ash es beschreibt, um die ‘Verteidigung der einen Zivilisation. Das Fundament dieser Zivilisation umfasst die Menschenrechte und das Völkerrecht für alleÂ’. Die ersten rassistische Ausfälle gegenüber Bürgern islamischen Glaubens hat es bereits gegeben. Eine Welle von Drohungen bricht gegenwärtig über ihre Organisationen in Deutschland herein. Diesem müssen wir alle entschieden entgegentreten. Schon deshalb ist es verantwortungslos, wie auch von einzelnen führenden Sozialdemokraten geschehen, eine Verbindung zwischen dem Terrorismus und der deutschen Einwanderungspolitik herzustellen.

Die letzten Reste eines liberalen Einwanderungsrechtes stehen nun erneut zur Disposition. Auch auf Forderungen nach einer weiteren Verschärfung des Ausländerrechts werden wir uns gefasst machen müssen. Wir Jusos müssen uns, auch gegen eine Stimmung des nationalen Schulterschlusses, diesen Entwicklungen mit aller Entschiedenheit widersetzen. Eine rot-grüne Regierung darf keinen zweiten ‘deutschen HerbstÂ’ zulassen. Zugleich ist aber einzig ein rot-grünes Reformbündnis in der Lage dieser Gefahr auch zu widerstehen.

Konsequenzen für die Weltpolitik Jeder von uns spürt in diesen Tagen die Besorgnis um die Antwort der USA und stellt sich die Frage, wie die USA konkret auf die Terrorangriffe reagieren werden.

Dabei gibt im wesentlichen drei mögliche Szenarien: ein isolierter, unilateraler Vergeltungsfeldzug der USA, ein gemeinsames Vorgehen der NATO-Staaten oder ein von den Vereinten Nationen koordinierter Kampf gegen den Terrorismus.

Vormarsch der Unilateralisten Spätestens mit der Amtsübernahme durch Georg W. Bush ist in der US-Administration ein Streit über die weitere außenpolitische Orientierung der USA entbrannt. Dabei stehen sich vereinfacht gesprochen zwei unterschiedliche Lager gegenüber: die Isolationisten/Unilateralisten und die Multilateralisten. Während letztere der - auch von uns nicht immer mit Zustimmung bedachten - Meinung sind, die USA müssten sich international stärker im Rahmen multilateraler Aktionen gemeinsam mit anderen Staaten bzw. gemeinsam mit Europa ‘engagierenÂ’ und Verantwortung in dieser Welt übernehmen, setzten die Isolationisten auf eine unilaterale Durchsetzung amerikanischer Interessen ohne Rücksicht auf ihre Bündnispartner. Eine darüber hinausreichende Verantwortlichkeit für den Lauf der Welt insgesamt wird abgelehnt. So hat die bedrohliche Lage im Nahen Osten auch etwas damit zu tun, dass die bisherige Ordnungsmacht der Region, die USA, sich still und leise von der Bühne verabschiedet hat. Und schon im! Wahlkampf haben bedeutende Teile der Republikaner ihre isolationistischen Positionen offensiv vertreten. Diese, meist aus der Ecke der ‘Christian CoalitionÂ’ stammenden Kräfte sehen nun die Chance gekommen, unter dem Motto ‘bring the boys back homeÂ’ ihre Politik durchzusetzen und massive militärische Vergeltung zu üben.

Einbindung der USA Bereits einen Tag nach den Angriffen hat der NATO-Rat den Bündnisfall nach Art. 5 des Nordatlantik-Vertrages ausgerufen. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat diesen Beschluss mitgetragen. Erstmals in der Geschichte der NATO ist nunmehr der Mechanismus in Gang gesetzt, in welchem die Mitgliedsstaaten sich zur Unterstützung eines angegriffenen Staates verpflichten. Allerdings bedeutet dies keinen Automatismus für militärische Maßnahmen.

Von vielen von uns ist dieser von der Bundesregierung mitgetragene Beschluss mit Entsetzen und Unverständnis aufgenommen worden. Die Haltung der Jusos zur NATO ist immer eindeutig gewesen: Wir fordern die Abschaffung der NATO und eine internationale Friedensordnung, die auf Ausgleich und Gerechtigkeit aufbaut und nicht auf der militärischen Logik der Abschreckung und der Stärke.

Dies bleibt auch weiterhin unsere Überzeugung.

Dennoch muss das Agieren des NATO-Rates und auch der Bundesrepublik so interpretiert werden, dass jede Distanz der Bündnispartner zur USA derzeit die Isolationisten stärken würde. Dies würde jedoch zu einer nicht vorhersehbaren Welle der Gewalt und einer weiteren Eskalation führen. Unser Interesse muss es jedoch sein, den Multilateralisten in den USA den Rücken zu stärken. Dazu wird Europa und auch die Bundesregierung jedoch nur in der Lage sein, wenn sie die USA in eine Bündnispolitik einbinden können. Und nur, wenn die Verbündeten zeigen, dass sie die Bedrohung und Demütigung der USA auch als ihre eigene verstehen, werden sie überhaupt Einfluss auf die weiteren Entscheidungen der USA haben.

Insofern kann man die Handlung der Bundesregierung und des NATO-Rates als einen notwendigen Schritt verstehen, um Akteur zu bleiben und nicht zum Zuschauer einer dann entfesselt agierenden US-Administration degradiert zu werden. Es wird darauf ankommen, dass die Bundesregierung und die anderen europäischen Regierungen keinen Zweifel an ihrer Solidarität mit den Opfern der Anschläge in den USA lassen und dabei gleichzeitig Einfluss auf die Entscheidungen der NATO über eine endgültige Reaktion nehmen.

Ich will es an dieser Stelle deutlich sagen: Auch für die Politik der Bundesregierung muss gelten, dass sie sich nicht einfach auf das Nachvollziehen jeglicher Entscheidungen nur eines Partners beschränkt. Die skizzierte Strategie darf nicht dazu führen, jegliche Entscheidung der USA, die eine unverhältnismäßige Reaktion zum Gegenstand statt, blind nachzuvollziehen und zu legitimieren, insbesondere wenn sie zu weiteren unschuldigen Opfer führt.

Vereinte Nationen Wir Jusos haben uns immer als Anhänger einer an den Stichworten Krisenprävention, zivile Konfliktbearbeitung, Schaffung globaler Gerechtigkeit und fairer Lösung von Regionalkonflikten orientierten Politik verstanden. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Vereinten Nationen. Auch in der jetzigen Situation kommt der UNO eine wichtige Bedeutung zu. Der UN-Sicherheitsrates hat in diesen Angriffen eine Bedrohung des Weltfriedens gesehen und zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus aufgerufen. Und auch in dem Vorgehen der USA und der NATO lassen sich immerhin Tendenzen erkennen, die UNO zu beteiligen. Schließlich ergibt sich aus Art. 5 des Nordatlantik-Vertrages die Verpflichtung, die UNO über alle Maßnahmen zu informieren.

Natürlich steht für uns diese auf das Völkerrecht und den zivilisierten Umgang setzende Handlungsoption im Vordergrund. Sie wird von uns auch eingefordert werden. Aber bei realistischer Betrachtungsweise steht zur Zeit die Frage im Mittelpunkt, ob die Politik der USA sich zwischen dem unilateralen oder dem am Bündnis NATO orientierten Ansatz entscheiden wird.

Das Völkerrecht Und eins noch zum Schluss: auch wenn wir mit gutem Grund militärischen Handlungen ablehnend gegenüberstehen und eine polizeiliche Aufarbeitung der mörderischen Anschläge wünschen, so darf man die Besonderheiten der jetzigen Situation nicht unberücksichtigt lassen. Diese Situation ist in ihren Auswirkungen sicher ohne Beispiel. Gegenüber dem völkerrechtswidrigen Angriff der USA und anderer auf den Irak Anfang der 90er Jahre und dem völkerrechtswidrigen Einsatz im Kosovo ergibt sich ein wichtiger Unterschied: Wenn man in Übereinstimmung mit der herrschenden Völkerrechtslehre die terroristischen Angriffe auf die USA als militärischen Angriff im Sinne der Charta der Vereinten Nationen begreift, so ergibt sich aus dieser Charta das Recht der USA zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung. Daher ergibt sich hier für die USA eine völkerrechtliche Basis für eine ‘SelbstverteidigungsmaßnahmeÂ’ nach Artikel 51 der UN-Charta. Und auch die Vereinten Nationen haben ja durch einst! immigen Beschluss des Sicherheitsrates eine Gefährdung des Weltfriedens durch die Terrorangriffe festgestellt. Völkerrechtswidrig wird eine Maßnahme der USA jedoch dann, wenn sie nicht mehr im Rahmen der Verhältnismäßigkeit erfolgt.

Als Sozialistinnen und Sozialisten stehen wir ein für eine aktive Friedenspolitik. Die Vorstellung von Rache lehnen wir aus tiefster Überzeugung ab. Wenn das Wort von der ‘ruhigen HandÂ’ des Bundeskanzlers eine Berechtigung gehabt hat, dann in dieser Situation. Jeder Tag der für die Diplomatie gewonnen wird, ist ein Erfolg.

Mit sozialistischen Grüßen

Niels Annen Bundesvorsitzender