Halbzeit für Rot-Grün

Ein Gespräch mit den Bundestagsabgeordneten Annelie Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen) und Andrea Nahles (SPD)

Das Gespräch führte Frank Schauff. Die Bearbeitung besorgten Claudia Walther und Frank Wilhelmy.

Erste Bestandsaufnahme

spw: In diesen Tagen haben wir die Halbzeit dieser Legislatur und damit der ersten zwei Jahre Rot-Grün. Mit Rot-Grün haben wir eine ganze Menge Hoffnungen verknüpft. Ich erinnere mich noch an den Wahlabend als wir gebangt haben, kommt denn jetzt Rot - Grün? Nun frage ich Euch nach einer kurzen Bestandsaufnahme.

Annelie Buntenbach: Ich glaube, dass Rot-Grün nach handwerklichen Fehlern ganz gut gestartet ist, weil eine Reihe von Punkten, die während des Wahlkampfes versprochen worden waren, angegangen wurden. Damit meine ich nicht nur die bekannten Themen (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc.), die im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben, sondern auch die ersten Schritte zur Steuerentlastung gerade für untere und mittlere Einkommen. Im nachhinein muss ich sagen: Selbst beim Staatsangehörigkeitsrecht, wo wir auch eine Menge Kritik am Endergebnis hatten, weil wir uns vielmehr hätten vorstellen können, auch da sind wir wichtige Schritte weitergekommen.

Dann gab es aber eine Umorientierung der Bundesregierung, die zeitlich zusammenfällt mit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine, wo dann eine Orientierung klar auf die Wirtschaft hin verfolgt worden ist. Der Kernpunkt davon ist das Sparpaket gewesen, das heißt eine Haushaltspolitik, die nicht nur auf Haushaltskonsolidierungen abzielt, sondern auch eine Senkung der Staatsquote anstrebt. Es ist eine Haushaltspolitik gemacht worden, die auf die Sanierung rein über die Ausgabenseite gesetzt hat und das eben zu Lasten sozial Schwächerer. Womit die Schere zwischen Arm und Reich durch so eine Politik weiter auseinandergerissen wird. Ein letzter Punkt, der nicht auf der sozialen Ebene liegt, aber trotzdem ganz wesentlich das Gesicht der Bundesrepublik verändert hat, ist natürlich die Entscheidung zur Beteiligung am Kosovo - Krieg gewesen. Eine falsche Entscheidung mit immensen langfristigen Auswirkungen für die gesellschaftliche Entwicklung, was die Akzeptanz von Militär angeht. Ich fürchte, dass wir das Spektrum, was von uns eine andere Politik, einen Politikwechsel erwartet hat, verprellt haben und deren Unterstützung im Moment in dieser Gesellschaft einfach nicht mehr haben. Die wählen jetzt nicht irgend etwas anderes, sondern gar nicht mehr. Einen Regierungswechsel ohne Politikwechsel sehe ich da eher als einen Beitrag zur Politikverdrossenheit, der auch unter Demokratiegesichtspunkten nicht akzeptabel ist.

Andrea Nahles: Die Punkte sind richtig, aber ich würde gerne einige strukturelle Veränderungen benennen, die damit eng verknüpft sind. Wir haben über lange Jahre in den 80ern und auch noch in den 90ern versucht, Kernelemente eines rot-grünen Projektes zu formulieren. Diese Leitpunkte sind natürlich auch im Laufe dieser Zeit modifiziert worden, aber es wurde immer noch versucht, einen Konsens innerhalb dieses Wählerklientels, auch einen Konsens innerhalb dieser beiden Parteien zu organisieren. Heute läuft es umgekehrt. Das bedeutet, dass wir heute kaum noch politische Leitbegriffe der rot-grünen "Linken" haben, die nicht gleichzeitig von allen gesellschaftlichen Gruppen schon von vornherein zustimmungsfähig wären. Zuerst wird ein Konsens mit der CDU oder im Bündnis für Arbeit organisiert, bevor man wirklich den Dialog mit dem eigenen Klientel sucht. Das sind strukturelle Schritte, die gemacht wurden. Und beim Kosovo-Konflikt erinnere ich an die Verweigerung von Auseinandersetzung - also das Ersticken einer Streitkultur, die sicherlich aus demokratischen Gründen notwendig gewesen wäre und vor allem aus politischen Gründen. Ich denke, dass das im Kern ein Rot-Grünes Projekt kaputt gemacht hat, weil dieses Projekt sich selber auf diese Weise aufgibt. Interessanterweise liegt die Zustimmung für die Regierungspolitik im FDP Lager bei 68 %. Sie ist aber auch bei den Grünen 68% und sie beträgt bei der SPD 80%

Buntenbach: Wieso haben wir die gleiche Prozentzahl wie die FDP?

Neue Politikformen sind erforderlich

Nahles: Das tut mir leid, das sind aber leider die Fakten. Was bedeutet das allerdings? Nur das ist auf der politischen Tagungsordnung, was eben so auch als Konsensthema platziert werden kann. Daneben gibt es kaum noch Platz für andere Schwerpunkte. Man hat sozusagen eine Ausgrenzung der Themen oder Eingrenzung der Themen und die werden dann mit der vollen Power des gesamten Medienapparates durchgezogen und innerhalb dessen bist du nur noch Hilfssheriff und kannst noch die eine oder andere Anmerkung machen. Verteilungspolitische Fragen wie die Vermögenssteuer u.s.w. werden weg gedrückt. Das haben wir erlebt: Wir haben es zwar auf dem Parteitag beschlossen, aber dann tauchte es nie wieder auf. Ich glaube, es hat sich ein neuer machtpolitischer Kern herausgebildet, der sich ganz anders definiert. Nicht mehr als Bewegungslinke, als Projektlinke oder als von mir aus auch Regierungslinke, sondern im Prinzip ist eine neue Form, Politik zu organisieren, notwendig. Und das bei einer CDU, die selber keine Angebote für konsensfähige Politik mehr machen kann, weil sie moralisch erodiert und politisch kasperlemäßig an der Seite agiert. Insoweit ist das momentan auch der günstigste Punkt, um so etwas auch zu implementieren.

Buntenbach: Ich teile Deine Aussage, dass das Politikmodell sich geändert hat. Es gibt in dieser Logik anscheinend immer nur eine vernünftige Antwort, und das ist die, die im Konsens entwickelt wird mit den verschiedenen Experten, mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Es geht dann um Sachzwang, wirtschaftliche Vernunft, die man umsetzt. Dieser Sachzwang lässt eben keine offene demokratische Auseinandersetzung mehr zu. Es scheint so, dass es Rot-Grün mit diesem Politikmodellwechsel gelungen ist, linke Ansätze, linke Alternativen zu marginalisieren, in einer Art und Weise wie das unter Kohl oder unter anderen Regierungskonstellationen überhaupt nicht denkbar ist.

spw: Was ist die Konsequenz, wie geht man als reformorientierte Linke damit um? Sowohl strategisch als auch inhaltlich?

Nahles: Aus meiner Sicht wäre eine wesentliche Antwort, nach vorne zu gehen und gesellschaftliche Großvorhaben wie zum Beispiel die europäische Frage von links ganz gezielt anzugehen ohne belastet zu sein mit der Frage: Ist das jetzt konsensfähig? Grundsätzliche Streitfragen auch als grundsätzliche Streitfragen zu markieren, Diskussionsangebote zu machen. Ich glaube, dass sich entlang dieser Fragestellungen sicherlich neue politische Gruppierungen bilden. Ganz deutlich z.B. bei der Entschuldungsinitiative, bei diesen ganzen WTO - Geschichten in Seattle oder Prag. Da bilden sich neue, teilweise sehr diffuse und gar nicht so in unsere Schemata passende Gruppen heraus, die Kritik artikulieren, die Widerstand organisieren. Da dürfen wir den Anschluss nicht verpassen. Das sind zwar erst einmal "Randerscheinungen" aber das waren doch alle linken Themen auch einmal. Die ganze Atomkraftbewegung war zunächst einmal eine "Randerscheinung". Ich glaube, man sollte die Eisbrecherfunktion, die das haben kann, nicht unterschätzen

Buntenbach: Das ist in der Tat ganz entscheidend. Es ist ganz wichtig, die verschiedenen Teile der Linken zusammenzubringen. Zum Beispiel zu solchen Diskussionen wie dem Halbzeitkongress, der jetzt stattfindet oder eben auch zu gemeinsamen Aktionen. Du hast eben gesagt, das kann sich an Themen kristallisieren, die eben nicht so im Regierungsalltag stehen. Damit wird der Freiraum sicher größer, aber die Kehrseite ist, dass die wunderbaren Konzeptentwürfe dann, n es praktisch wichtig wird, oft einfach vom Tisch gewischt werden. Diese Erfahrung haben die Leute in den letzten Jahren gemacht - sie haben viele Ideen für den Papierkorb diskutiert - und fragen uns jetzt: Warum soll ich mich um diese Themen kümmern, wenn klar ist, dass das, was du entwickelst in ein oder zwei Jahren überhaupt keine Rolle mehr spielt. Ich glaube, es funktioniert nur dann, wenn man die Themen nimmt, auf die die Regierungsentscheidungen oder eben die politische Entscheidungen sichtbar zulaufen, und sei es eben in ein oder zwei Jahren. Nimm zum Beispiel die Regulierung der Finanzmärkte auf der internationalen Ebene. Du hast eben WTO, Seattle angesprochen. Die Themen, an denen man seine Vernetzung und gegebenenfalls auch Kampagnen in die Gesellschaft hinein aufbauen kann, müssen auch wirklich entscheidungsrelevant auf der politischen Ebene sein

Nahles: Aber da bietet uns doch die Regierung eine wunderbare Lücke. Wenn ich z. B. Themen wie den Arbeitsmarktbereich anspreche: Arbeitsmarktpolitik bedeutet eben auch Lernen am Arbeitsplatz, bedeutet Frau und Beruf, bedeutet wie können wir eine Art Lebensphasenpolitik machen, die sozialpolitisch absichern u.s.w. Also das wäre so die Idee, wie man so ein Thema formulieren kann, wo man wirklich was anbietet, was die Bundesregierung zur Zeit kaum hinkriegt, ein Leitidee. Der zweite Punkt: Glaubwürdigkeit., Das spielt eine sehr große Rolle in dem Spektrum in dem wir uns bewegen. Das geht mir zum Beispiel bei der Umlagefinanzierung so. Das ist wirklich ein Riesenproblem und ich sehe auch mit Sorge, dass wir kaum noch Politiker haben, die wirklich so einen Nimbus der Glaubwürdigkeit mitbringen. Ich bin allerdings an dem Punkt in Bezug auch auf unseren Bundeskanzler und die Art, wie er Politik macht, sehr skeptisch, dass ist sehr schwierig, wenn man keine Ideen mehr formuliert, keine Projekte, wenn man die Botschaft nicht definieren kann für die nächsten Wahlen. Was bleibt dann?

Buntenbach: Das wird dann wie bei der Steuerreform mehr ein sportliches Ereignis und dafür wird er entweder gewählt oder nicht.

Nahles: Ja, genau.

Das bürgerliche Lager

spw: Gehen wir mal zur Gegenseite über. Was passiert aus eurer Sicht gerade mit dem bürgerlich-konservativen und dem bürgerlich-liberalen Lager? Ist es so, dass die CDU sich gerade neu formiert und Schlagkraft gewinnen kann bis zu den nächsten Wahlen? Wie wirkt sich das aus auf die Strategie der Regierungsparteien? Also was ist das Szenario für das Jahr 2002 mit Blick auf das Gegenlager?

Buntenbach: Ich habe nicht den Eindruck dass mit der neuen CDU - Spitze die Partei jetzt Aufwind hat, sondern dass die CDU nicht nur durch die Spendenaffäre schlicht am Boden ist. Gleichzeitig ist sie mit einer erdrückenden Umarmungsstrategie konfrontiert. Beispiel Rente: Wenn der Kanzler in der Form auf Konsens setzt dem sich die CDU immer schlechter entziehen kann, weil die Regierung immer weiter auf sie zugeht, dann führt diese Umarmungsstrategie natürlich dazu, dass Schröders Strategie auch aufgehen kann, nämlich das in der sogenannten gesellschaftlichen Mitte die Regierung gut angesehen ist. Du hast eben die Zustimmungszahlen schon zitiert aus den verschiedenen Lagern und Schröder stellt sich als derjenige dar, der handelt und der diese sportlichen Ereignisse gewinnt, und der diese konsensfähigen Vorschläge macht, und dann auch durchaus Chancen hat, die nächste Wahl zu gewinnen. Nur ist das Potential was dann Rot-Grün wählen würde, ein ganz anderes als das was beim letzten Mal Rot-Grün gewählt hat. Beim letzten Mal kam die Unterstützung von denjenigen, die sich für den Regierungs- und Politikwechsel eingesetzt haben, Das sind Leute gewesen, die in Fragen von sozialer Gerechtigkeit, Friedenspolitik, Frauenpolitik, Integrationspolitik, Anti - Diskriminierungspolitik, wirkliche gesellschaftliche Veränderungen erwartet haben und die jetzt zum Teil keine andere Option wählen sondern eben gar nicht mehr.

Das heißt, Einbruch der Wahlbeteiligung auf der einen, und neues Potential für die Regierung auf der anderen Seite. Machtpolitisch, kann diese Rechnung durchaus aufgehen. Ich will aber nicht verschweigen, dass es dabei natürlich auch einen Anteil des grünen Koalitionspartners gibt. Bei den Grünen hat auch ein Politikwechsel stattgefunden, der immens ist, jedenfalls was die Mehrheit in der Bundestagsfraktion angeht. Ich hätte es richtig gefunden, wenn nach dem Rücktritt von Lafontaine und dieser Politik der zweiten Chance, auf die Schröder zugesteuert ist, die Grünen den immer größer werdenden Platz links von Schröder für sich reklamiert hätten und ein sozial-ökologisches Projekt zu ihrer Sache gemacht hätte und versucht hätten ihr gesellschaftliches Profil zu verankern.

Dazu gab es bei den Grünen auch genügend Ansatzpunkte und gesellschaftlichen Bedarf alle Mal, und ich stehe persönlich für so ein Projekt ein und damit stehe ich bei den Grünen keineswegs allein. Die Entscheidung ist aber anders gefallen. Wir haben im Moment eine Strategie, die ganz eindeutig versucht in dem wirtschaftsliberalen Bereich für die Grünen zu Punkten und das zum ganz entscheidenden Teil des Profils zu machen. Diese Entscheidung finde ich zutiefst falsch und mit unserem Wahlprogramm hat das herzlich wenig zu tun, aber wie heißt es immer so schön, man soll nicht so am Papier hängen.

Nahles: Ich wollte die Frage nach dem die bürgerlichen Lager beantworten. Die Union hat trotz ein Handicap: Die eigene Führung ist nicht in der Lage , neue Linien aufzuzeigen für das konservative Lager, wie das noch ein Wolfgang Schäuble konnte. Da könnten wir uns drüber freuen und könnte sagen "prima", dann werden wir das alles aufsammeln, aber ich bezweifle, dass das so eins in eins läuft. Ich glaube, dass sich da populistisches Potential auftut. Dass mache ich beispielsweise bei dem Thema Ost - Erweiterung fest. Je mehr die CDU/CSU bei innenpolitischen Themen versagt, je mehr sie in dem Konsensbrei aufgeht, muss sie sich, allein schon um eine Differenz herzustellen, bestimmte Felder ausgucken und da bietet sich die Außen- und Sicherheitspolitik an, weil die schlichtweg von Seiten der SPD nicht wirklich vorgegeben wird. Ich halte diesen Bereich für das Einfallstor des bürgerlichen Lagers. Das ist sehr bedenklich, zumal wir uns angewöhnt haben, wenn wir über das Ausland reden, nur noch über konkurrierende Standorte zu reden und daher immer ein negatives Szenario im Kopf haben und keine zukunftsweisende positive Strategien nach vorne definieren können. Da ist eine Rede auch noch keine Lösung, sondern da fehlt eine gesamte Strategie, und dies gilt für die gesamte Regierung

Buntenbach: Ich sehe auch ein großes Problem auf uns zukommen, was die Frage Asyl und Einwanderung angeht. Auch das ist ja ein Thema was sich leider für populistische Auseinandersetzungen hervorragend eignet. Leider hat gerade jemand wie Schily wieder Äußerungen getan, die Asyl- und allgemeine Einwanderungsfragen vermischen und die den "Das Boot ist voll"-Diskurs vorantreiben, um Zustimmung von rechts für die Regierung oder für die SPD zu organisieren. Leider entspricht das auch der praktischen Asyl- und Ausländerpolitik des Bundesinnenministeriums. Das ist natürlich eine Geschichte die voll denjenigen in die Karten spielt, die eben genau auf solche populistischen Themen setzten. Ich halte nämlich gar nichts davon, wenn man versucht rechtes Potential abzugraben indem man die Politik schon macht, die von rechts außen dann angefordert wird.

Gewinner und Verlierer einer "offenen Gesellschaft"

spw: Aber ist das nicht eine auch strategisch sehr problematische Situation für die Linke innerhalb der Rot-Grünen Parteien, insofern dass die progressiven Positionen im Bereich der Einwanderungsdebatte am ehesten noch vertreten werden von Globalisierungsenthusiasten, die sagen wir brauchen diese Einwanderung, brauchen auch eine offen Gesellschaft. Britische Theoretiker der Dritten Weges vertreten die Position sehr offensiv, wir bräuchten eine offene Welt, um größtmögliche Wachstumsgewinne zu erreichen. Umgekehrt bleibt ideologisch für die Globalisierungsverlierer eigentlich im besten Fall so etwas wie das, was Peter Glotz als Beschleunigungsideologie negativ belegt hat. Es bleiben stark lokal bezogene Ansätze oder "Recht auf Faulheit" bei den Leuten, die dann keine Arbeit mehr haben. Und dieses Spektrum geht bis hin zum nationalistischen Antikapitalismus á la NPD. Die Frage ist: was kann die Linke dann den Globalisierungsverlierern eigentlich noch anbieten und ist das ein Klientel, an die heranzukommen überhaupt eine Möglichkeit besteht und wenn ja mit welchen Konzepten und Projekten?

Nahles: Die Gefahr sehe ich auch, dass es - wenn ich für die SPD spreche - im Prinzip nie eine Mehrheit für eine wirklich offensive Integrationspolitik von Ausländern in der Form wie wir sie definieren würden, gegeben hat. Es gibt ein sozialdemokratisches Klientel, das aus ganz anderen Gründen der Sozialdemokratie verbunden ist. Wenn wir als Sozialdemokratie oder als Linke nur die Antwort geben, das müsst ihr jetzt einfach akzeptieren, dass da jetzt noch mehr kommen, die euch Konkurrenz machen - so werden die das empfinden - dann wird es schwierig. Integration muss ein Begriff werden, der sich nicht nur an die Leute richtet, die von außen hinzukommen, sondern es muss vielmehr auch als innergesellschaftlicher Begriff stark gemacht werden. Ausgrenzung müssen wir eben nicht nur entlang der Frage von Grenzen nationaler Staaten diskutieren, sondern auch als die Reichtums- und Armutsfrage in Deutschland.

Wenn wir auf der sozialen Seite schwächeln, wenn das Verteidigen eines ausgleichenden integrierenden Sozialstaates zum Flügelthema in der SPD wird, aber gleichzeitig Globalisierungsenthusiasten bestimmte Öffnungen organisieren, dann sind wir mit verantwortlich dafür, dass bestimmte Leute von uns nicht mehr eine gesamtgesellschaftliche Antwort erwarten, sondern anfällig für populistische Rechte werden. Ich will jetzt nur für die SPD sprechen, weil ich glaube die Klientel der Grünen war immer ein anderes.

Wir dürfen auch Stoiber auf keinen Fall die Kritik an Unzulänglichkeiten der europäischen Demokratie überlassen. Wir brauchen sinnvolle Strukturdebatten um vorwärts zu kommen, um neue Akzeptanzen für Europa zu organisieren, um überhaupt für internationale Politik eben eine Bresche schlagen zu können, auch kritische Auseinandersetzungen und das können wir nicht den Rechtspopulisten überlassen. Ich will jetzt keinen Linkspopulismus der schröderischen Provenienz., wie er das in Bezug auf Europa öfters gemacht hat als er noch Ministerpräsident war. Nein, aber ich will auch keine Tabus von Links in dieser Frage. Wenn wir das hinkriegen, Integration nach innen und außen, glaubwürdig sein und eine kritische Auseinandersetzung mit Europa auf der Basis, wo das Ziel eines gemeinsamen Europas völlig unbestritten ist, dann könnten wir vieles von diesen Gefährdungen, die ich in unserer Klientel ausmache, wieder einfangen.

Buntenbach: Beim Punkt Asyl ist es in der Tat so, dass das grüne Klientel da anders gestrickt ist als eures. Sowohl was die Frage Einwanderung oder Zuwanderung insgesamt angeht, als auch was die Frage Asyl angeht. Für uns ist die Auseinandersetzung um den sogenannten Asylkompromiss und die Ablehnung davon immer ein ganz wesentlicher Teil grüner Politik und grünen Selbstverständnisses auch gewesen und ist es auch nach wie vor.

Nahles: Flügelübergreifend, übrigens.

Buntenbach: Ja, mit Unterschieden in den Konzepten, was gerade die Asylfrage angeht, aber im Grundsatz ja. Allerdings ist dann damit immer noch nicht die Frage geklärt und da glaube ich, werden die Flügel unterschiedliche Antworten geben, wie hoch man dieses Thema als Konfliktthema hängt.

Denn da ist wirklich ein Konfliktpunkt, ein Reibungspunkt der jetzt für diese Bundesregierung in den nächsten Monaten und Jahren wichtig wird. Die Altfallregelung ist da, aber indiskutabel, weil davon niemand profitiert. Härtefallregelungen haben wir noch nicht und ich weiß auch nicht, ob wir die bekommen. Schily ist auf dem Weg aus dieser ganzen Geschichte eher so etwas wie ein Gnadenrecht zu machen, wo irgendwelche Prominente von ihm berufen werden, um über Grundrechte zu entscheiden.

Da wird es von Seiten der Linken innerhalb der SPD zusammen mit den Grünen noch Initiativen geben müssen, die eine humanitäre Orientierung auch bei den Zuwanderungsfragen, bei den Asylfragen wirklich greifbar macht. Was für mich ganz entscheidend ist: Einwanderung findet statt und diese Einwanderung, braucht auch einen politischen Rahmen und das heißt eben auch Integrationspolitik, bedeutet eine andere Anti-Diskriminierungspolitik, weil wir nicht orientiert an "Nützlichkeitskriterien" innerhalb der Gesellschaft, diejenigen die am Rande der Gesellschaft stehen noch weiter rausdrängen dürfen.

Programmdebatten

spw: Es ist bei Euch sehr viel Abgrenzung zur Regierungspolitik, zu den Führungsebenen der Parteien sichtbar. Ich will daher noch mal auf die Situationen in den beiden Parteien eingehen. Mein Eindruck ist, dass sie ähnlich ist, weil wir einerseits eher rechts-pragmatische Führungspersonen haben, die nach außen für die Partei stehen und andererseits die Basis, die dagegen nicht aufbegehrt, ab und zu Mal murrt, nicht besonders zufrieden ist aber sich auf keinen Fall zu einem reinen Wahlverein machen lassen will. Die in vielen Punkten unzufrieden ist, aber wenig Anknüpfungspunkte findet. Weder bei Leuten, die jetzt im Zentrum der Partei Programmatik jenseits des Tagespragmatismus vertreten, noch beim Linken Flügel. Wie stellt sich denn für euch die Rolle dieser beiden Parteien dar. Bleibt denn für die Partei noch ein Spielraum in dieser Situation als Regierungspartei oder tauchen sie solange ab bis man wieder in der Opposition ist und dann wieder vernünftige Diskussionen führen kann, um es mal zu zuspitzen.

Buntenbach: Bei den Grünen kannst du eindeutig sagen, dass die Möglichkeiten von Seiten der Partei, wirklich in die Entscheidungsprozesse einzugreifen, sehr gering sind. Selbst wenn Verhandlungsergebnisse wie zum Beispiel bei der Frage Atomausstieg präsentiert werden, dann werden die zu einem Zeitpunkt präsentiert wo du zwar ja oder nein sagen kannst. Aber wenn du nein sagst, sagst du dann im Grunde nicht nur zu diesem Ergebnis Atomausstieg nein, sondern du wirst zu einem Zeitpunkt gefragt, wo deine gesamte Führungscrew, die das verhandelt hat sich schon auf Wohl und Wehe damit verkoppelt hat, dass du dann immer über das gesamte abstimmst und das ist inzwischen auf grünen Parteitagen auch offensichtlich. In dieser Situation wird es zwar auch Debatten geben aber es ist klar wie die Entscheidungen ausfallen.

Das ist die eine Sache. Die zweite Sache ist, dass sich das Gesicht der Partei, gerade bei den Grünen, durch die Kosovo-Entscheidung und durch den Bielefelder Parteitag geändert hat. Da gibt es eine Veränderung, die nicht nur mit einem Mitgliederwechsel, der also in NRW ungefähr 20% der Mitgliedschaft ausgemacht hat, in anderen Landesverbänden sieht es ähnlich aus, wo die einen raus gegangen sind und fasst die selbe Zahl von anderen aber neu dazu gekommen ist, die das neue Profil der Grünen angezogen hat. Damit hast du natürlich eine Veränderung der Partei und des Grundcharakters der Partei, die man nicht einfach ignorieren kann. Du kannst nicht einfach so tun als wäre die Partei, die den Wahlkampf `98 geführt hat oder die das Wahlprogramm geschrieben hat auch noch dieselbe wie die, die jetzt auf Parteitagen über das Regierungshandeln oder über andere Punkte entscheidet. Das wird auch dann nicht wieder so sein, im Unterschied zur SPD denke ich, wenn wir wieder in der Opposition sein sollten. Die Grünen haben nicht so eine lange Erfahrung damit in den Programm das eine zu beschreiben und das andere zu tun. Deswegen sind die Erfahrungen in den letzten Jahren für die Grünen schon einschneidender.

Nahles: Ein Indikator für die Frage, ob wir uns als Partei programmatisch noch mal zurückmelden, könnte ja die Grundsatzdebatte sein. Geht man davon aus, sieht es miserabel aus. Es gibt sowohl was die Nominierung angeht eher wenige Landesverbände, die hochkarätig besetzt haben, obwohl uns das natürlich freuen könnte, weil dadurch mehr Linke reingekommen sind. Mein Eindruck ist, dass sich die Partei jetzt einfach hängen lässt und führen lassen will und zwar, weil es keine hoffnungsvollen Aufforderungen gibt oder Angebote, dass sich ein darüber hinausgehendes Engagement lohnt.

Weder die Programmdebatte löst diese sinnhafte Aura aus, noch ist das insgesamt zur Zeit zu spüren. Der Bundesgeschäftsführer und der Generalsekretär geben einen Modernisierungskurs aus, den ich für richtig halte, der aber gleichzeitig nicht programmatisch irgendwo irgendwas abruft, verlangt oder fordert. Das bedeutet, dass die Partei vielleicht effektiver wird, aber nicht unbedingt präsenter auf der Bundesebene und im Zusammenhang mit dem Regierungsalltag.

Es wird kein Vakuum geben, aber die Frage ist: woraus speist sich die sozialdemokratische Bewegung, was sind ihre Leitziele, was sind die Leitfragen, was sind die Antworten. Das ist momentan nicht sehr dringend. Das wird auch über Jahre nicht so dringend sein. Das ist meine Behauptung und deswegen stimme ich eher der Prognose zu, dass wir in gewisser Weise auch eine Phase vor uns haben, wo ein Aufbau der nächsten Generation, auch ein programmatischer Aufbau erforderlich ist. Also eine Grundlagenarbeit, die vielleicht jetzt nicht im Mittelpunkt steht, für die man auch nicht sehr viel Lob bekommt, aber die notwendig sein wird, weil sich nach Schröder sozialdemokratische Politik aufgebraucht hat.

Buntenbach: Die Grundsatzdebatte, die bei euch stattfindet, findet bei uns auch statt. Aber die steht im Moment weitgehend im Schatten des Regierungshandelns, das sich alltäglich über programmatische Entscheidungen hinweg setzt. Dass die Programmdebatte wirklich eine Sache wäre, wo sich die Leute mit Elan und Energie reinstürzen würden, das kann man so nicht sagen. Dagegen stehen auch praktische Erfahrungen: Was zum Beispiel in Bielefeld entschieden worden ist, bezogen auf den Kosovo - Krieg war einfach komplett im Widerspruch zum Programm und danach war ich erst einmal so drauf, dass ich dachte: Programme, das ist Opium für das Volk, nur nicht so lustig. Die Entscheidungen werden eh woanders getroffen und die Linke hat hier - jedenfalls bei den Grünen - immer viel zu viel Energie reingesteckt, die woanders dann fehlt. Aber die Diskussion um das Programm muss man natürlich führen. Inzwischen beteilige ich mich auch wieder daran. Sie kann natürlich auch ein Kristallisationspunkt sein, um die sich linke Positionen oder Inhalte wieder bilden.

Nahles: Das glaube ich nicht. Es gibt auch bei uns eine Reihe von Leuten, die mich auffordern, die neue Linke in der SPD, sprich das Forum DL 21 solle sich jetzt hauptsächlich um das Grundsatzprogramm kümmern. Wenn wir demnächst neue politische Inhalte in Form einer Plattform vorlegen, dann ist das natürlich auch eine Kommentierung und ein Beitrag für diese Grundsatzprogrammdebatte. Aber ich glaube nicht an einen Kristallisationspunkt für die Linke in Zusammenhang mit dem Grundsatzprogramm. Zur Zeit finden hier nur Show-Veranstaltungen und keine "Debatten" statt. Ob wir das drehen können, wird man sehen.

Buntenbach: Das Grundsatzprogramm ist eher der Versuch, das Programm der politischen Realität entsprechend anzupassen. Ich habe erst gedacht sie machen den Kautsky, indem sie die Endforderung aufschreiben, wo wir hinwollen - also das Schöne für das Archiv - und dann die Tagesforderungen, wo dann von den Schönen nichts mehr drin vorkommt. Dann habe ich aber festgestellt, nein es soll wohl der Bernstein werden. Das heißt du passt das Programm an die Realitäten dessen an, was Du politisch wirklich meinst, in den nächsten Jahren umsetzen zu können. Aber das ist noch einmal ein Punkt, der auf Linker Seite bei den Grünen sicherlich einiges an Widerspruch auslöst.

Nahles: Also ich fürchte wir haben von Anfang an nie den Zweifel gehabt, dass wir den Bernstein nehmen, in der SPD. Zumindest wenn man unseren Rudi sieht.

Innerlinke Diskursfähigkeit

SPW: Im Hinblick auf 2002: Seht ihr einen Sinn darin, auf Seiten der jeweiligen Parteilinken bei Rot und Grün diskursfähig mit bestimmten Teilen der PDS zu bleiben, oder ist das eine Sache, die inzwischen soweit aus der Tages- oder sonstigen Politik entschwunden ist, dass sie im Vergleich zur Situation 1998 eher an Relevanz verloren hat?

Buntenbach: Ich habe vorhin mal gesagt, dass eine Vernetzung der Linken aus verschiedenen Parteien, aus meiner Sicht nötig ist und auch derjenigen, die inzwischen oder im Moment in keiner Partei Mitglied sind, sondern sich in Initiativen engagieren oder vor Ort arbeiten oder in Gewerkschaften. Ich glaube, dass diese Vernetzung dringend nötig ist, wenn wir linke Positionen in verschiedenen gesellschaftlichen Fragen überhaupt in den Diskurs einbringen wollen. Das schließt für mich natürlich ein, dass an so einen Diskurs auch PDSlerInnen beteiligt sind.

Aber ich habe nicht den Eindruck, dass sich eine linke organisierte Alternative herausbildet, dass zum Beispiel die PDS die linke Option ist, wenn Rot-Grün es nicht gebacken bekommt. Das ist nicht die Antwort, weil auch die PDS sich auf Regierungsverantwortung trimmt und da an verschiedenen Stellen die selben Auseinandersetzungen sichtbar sind und sich entwickeln, wie in den Grünen oder in der SPD.

Deswegen gibt es für mich keine parteipolitische Alternative sondern es gibt die Notwendigkeit diese Vernetzung voran zu bringen und mit den linken Teilen aus den verschiedenen Parteien und eben aus den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammen zu versuchen, eine Politik zu machen, die auf Integration setzt, die ein egalitäres Gesellschaftsbild verfolgt.

Nahles: Das grundsätzliche Problem der PDS ist, dass sie ihr eigenes Projekt auch zur Zeit klärt und diesen Klärungsprozess können wir auch von außen nur bedingt beeinflussen, das ist jedenfalls mein Eindruck.

Da muss man sich genau anschauen, was für Kräfte sich in der PDS durchsetzen. Jedenfalls glaube ich, dass unbedingt eine strategische Erlösung kommen müsste im Hinblick auf eine engere Kooperation der ostdeutschen Sozialdemokratie und der PDS in Ostdeutschland. Diese strategische Erlösung kann nur von Gerhard Schröder eingeleitet werden. Würde die Parteilinke da vorpreschen, erreichen wir nur das Gegenteil. Wir können da Brücken bauen, weil wir auch über Jahre hinweg Kontakte haben, aber über diese Brücke gehen müssen andere in der SPD.

Buntenbach: Dieses Motto des Halb-Zeit-Kongresses ist es ja zu sagen, wir wollten nicht nur eine andere Regierung sondern auch eine andere Politik. Die Frage was du an gesellschaftlichen Spielräumen aufmachen kannst, mit denen du auch auf eine Regierungspolitik Druck machen kannst und musst durch die entsprechende gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Das wird, denke ich, dann letztlich der entscheidende Punkt sein wo wir versuchen können, Einfluß zu nehmen und gesellschaftliche Spielräume für Links wieder aufmachen können.

spw: Da muss ich noch mal nach Themen und Bündnispartnern fragen, weil euch vorhin außer WTO nicht besonders viel eingefallen ist.

Nahles: Wir müssen davon ausgehen, dass sich linke Potentiale, die was anders auf die Tagesordnung heben wollen, momentan erst herausbilden müssen. Ich habe das Gefühl, dass verständlicherweise der Regierungswechsel erst einmal eine Lähmung linksgerichteter Bewegungen, die sich vor dem Wahltag organisiert hatten, zur Folge hatte, ob das die Erfurter waren oder andere. Die sind jetzt erst einmal auseinander gegangen und brauchen sicherlich einfach eine Verarbeitungszeit um zu klären, was haben die jetzt eigentlich gemacht mit ihrer Regierungsverantwortung, was ist da eigentlich gelaufen und was nicht?

Zum zweiten scheinen mir die Gewerkschaften - als ein wichtiger Partner neben anderen - in den nächsten Jahren selber vor ganz vielen internen Veränderungen zu stehen. Ein Generationswechsel und die Frage, wie man Kampagnenfähigkeit organisieren kann sind nur zwei Beispiele. Wie man umgeht mit einer Regierung, die den Konsens nicht mehr begreift als ein Instrument, um zwei gegen eins zu spielen, sondern sich nur noch als Moderator von bestimmten Interessen versteht, ist ein weiterer Aspekt. Ich sehe außerdem einen riesigen Modernisierungsbedarf in den Gewerkschaften, was die Politikformen angeht. Kurzum, wichtige Bündnispartner, wie die Gewerkschaften sind selber nicht in der stärksten Position und auch nicht in der zugespitzten strategischen Situation, dass ich mir von denen bis 2002 einen knackigen Impuls für die Linke erwarte. Der entscheidende Knackpunkt wäre jetzt die Rente gewesen. Und das war's nicht.

Insoweit brauchen wir einerseits Verarbeitungszeit und Reflexionszeit in unserem Spektrum, damit sich da eine Sammlung neu bildet, aber zweitens können wir nicht mehr automatisch auf klassische Bündnispartner rekurrieren, die selber in schwierigen Formationsprozessen sind und drittens haben wir die Kommunikation zu neuen gesellschaftlichen Kräften, die sich da irgendwo tummeln noch nicht so ausgebaut, dass die sofort mit uns ins Boot steigen und in eine bestimmte Richtung rudern. Wir sind bündnispolitisch nicht in der besten Situation, gleichwohl dürfen wir mit unseren Anstrengungen, das zu organisieren, nicht nachlassen.

Buntenbach: Es mangelt uns nicht an Themen - das wäre ein Missverständnis. Ich könnte da auf spannende Bücher hinweisen, die sich mit Teilhabe-Gesellschaft und Zukunftsfähigkeit beschäftigen. Es gibt aber das Problem, dass ich im Moment nicht weiss, welches dieser Themen mobilisierungsfähig ist, in dem Sinne, dass sich darum auch wirklich gesellschaftlich etwas kristallisieren würde. Das kannst du nicht von oben, weil du dir das so klug ausgedacht hast, bestimmen, sondern du kannst nur versuchen von Seiten der Linken Angebote zu machen, sich in Diskussionen einzumischen und das was gesellschaftlich abläuft auch aufzugreifen und zu verstärken. Dafür brauchst du diese Vernetzung innerhalb der Linken, damit du überhaupt eine Möglichkeit hast, handlungsfähig und wahrnehmbar zu sein. Das ist kein besonders attraktives Programm in dem Sinne, na ja in zwei Jahren haben wir das mit der Weltrevolution endlich gebacken gekriegt. Trotzdem kann das ein Weg sein - und ich sehe jedenfalls im Moment keinen anderen - aus dieser Marginalisierung linker Politikoptionen wieder herauszukommen.

spw: Liebe Andrea, liebe Annelie, wir danken Euch für dieses Gespräch.

Marginalien:

"Ich fürchte, dass wir das Spektrum, was von uns eine andere Politik, einen Politikwechsel erwartet hat, verprellt haben." (Buntenbach)

"Wir haben heute kaum noch politische Leitbegriffe, die nicht gleichzeitig von allen gesellschaftlichen Gruppen von vornherein zustimmungsfähig wären." (Nahles)

"Ich habe nicht den Eindruck dass die CDU mit der neuen Partei-Spitze jetzt Aufwind hat, sondern schlicht am Boden ist." (Buntenbach)

"Glaubwürdigkeit spielt eine sehr große Rolle in dem Spektrum in dem wir uns bewegen." (Nahles)

"Ich hätte es richtig gefunden, wenn die Grünen den immer größer werdenden Platz links von Schröder für sich reklamiert hätte." (Buntenbach)

"Mein Eindruck ist, dass sich die Partei jetzt hängen lässt und sich führen lassen will." (Nahles)

"Es mangelt uns nicht an Themen. Unklar ist, welches dieser Themen mobilisierungsfähig ist, dass sich darum gesellschaftlich etwas kristallisiert." (Buntenbach)

"Wenn wir neue politische Inhalte in Form einer Plattform vorlegen, dann ist das unser Beitrag für die Grundsatzprogrammdebatte." (Nahles)