Die Polarisierung nach dem 11. September 2001
Rezension zu: Ekkehard Sauermann: Neue Welt Kriegs Ordnung. Die Polarisierung nach dem 11. September 2001, Atlantik Verlags- und Mediengesellschaft Bremen 2002, 579 S. (24,80 EUR)
Die umfangreiche politische Streitschrift hat zum Hauptinhalt, "die US-Führung als Nutznießer des Attentats vom 11. September" zu entlarven (S. 431). Im ersten Kapitel wird dazu der Grundstein gelegt. Das zweite Kapitel "Der Krieg des Guten gegen das Böse" verweist auf den ökonomischen und geopolitischen Nutzen im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Durchsetzung einer neuen Weltordnung im Verlauf der Kriege gegen den Irak (1990/91), gegen Jugoslawien (1999) und gegen Afghanistan (2002). Im Mittelpunkt des dritten Kapitels "Das Reich des Bösen - Konstruktion eines Feindbildes" steht eine Übersicht zum islamischen Fundamentalismus. Dies wird im nachfolgenden Kapitel "Die USA als Reich des Guten" fortgesetzt. Das fünfte Kapitel "Der permanente Krieg und die Perspektiven der Menschheit" beschreibt die von den USA ausgehende permanente Kriegsgefahr aus dem Interesse heraus, die neue Weltordnung militärisch auszubauen. Dabei sollen zahlreiche Widersprüche der Weltmacht USA deutlich machen, daß Chancen für eine Verhinderung dieser Interessenpolitik möglich sind.
Das Werk entspricht dem Anliegen des Autors, "eine persönliche Selbstverständigung" zu erreichen, "um sich mit Gleichgesinnten, Fragenden und Suchenden verständigen sowie mit Kontrahenten auseinandersetzen zu können " (S. 15). Eine Fülle von Zitaten aus ND, Freitag, junge Welt, konkret und anderen Presseerzeugnissen sowie Buchinformationen - ebenfalls mit langen Zitaten - von namhaften Autoren belegen den enormen Aufwand. Das Hauptanliegen, die Analyse der weltpolitischen Situation seit dem Herbst 2001 mit Schlußfolgerungen für die Friedensbewegung zu verbinden, bedürfte jedoch einer stärkeren theoretischen Verarbeitung der Stoffsammlung.
Im Grunde besteht jedes Kapitel aus einer oder mehreren selbständigen Studien. Dabei geschieht es, daß der besonders geschätzte Autor Noam Chromsky auf den Seiten 72 bis 86 zitiert wird, aber erst ab Seite 332 werden seine Biographie und das bereits zitierte Buch ausführlich behandelt. Neben der Fülle von politischen Informationen (zum Teil ohne Quellenangabe) enthält das Buch auf den Seiten 360 bis 421 den Ansatz einer theoretischen Studie über Globalisierung und die sozialen Gegenkräfte. Grundlage ist die Auseinandersetzung mit dem Buch Empire von Michael Hardt und Antonio Negri. Man erfährt eine ganze Menge aus dem Buch und über Rezensionen zu dem Buch. Es überrascht jedoch, daß als marxistische Argumentation zu der Problematik Sauermann mit seitenlangen Zitaten aus dem Kommunistischen Manifest und der Kritik des Gothaer Programms antwortet, um zu der Schlußfolgerung zu gelangen: "Die grundlegende prognostische Leistung von Marx besteht in der Erkenntnis dieser Rolle des Proletariats als historisches Subjekt." (S. 407)
Es gibt im Buch eine Reihe wichtiger Fragen, so zum Beispiel zum Jugoslawienkrieg 1999: "Warum hat offenbar eine Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung diese Politik unterstützt, trotz des mörderischen Bombenkriegs gegen die serbische Zivilbevölkerung? Warum haben sich solche Persönlichkeiten wie Eppler, Enzensberger und Habermas eindeutig auf die Seite der Kriegspartei geschlagen? " (S. 105) Aber Antworten darauf müssen schon auf die nationalistischen Entwicklungen in Serbien und auf geschehene Vertreibungen eingehen. Im gesamten Buch gibt es zum Problem Feindbild keine Reflexion der Feindbilder in der Sowjetunion und in den sozialistischen Staaten. Es mangelt an einer kritischen Sicht der Geschehnisse, die die Menschen in Deutschland und in Europa beschäftigten. Damit ist keine Zustimmung zu den Positionen von Eppler und anderen ausgesprochen, aber die Ursachenbestimmung kann bei der USA-Kritik nicht stehen bleiben.
Alles, was aufgedeckt wird an dem Nutzen, den die US-Administration aus dem Attentat vom 11. September 2001 aufgrund der herrschenden politischen und ökonomischen Interessen in der gegenwärtigen Lage zu ziehen gewillt ist, wird akribisch aufgelistet. Der Schlußfolgerung, daß es sich im Endergebnis um eine Gefährdung der Menschheit handelt, ist ebenso zuzustimmen, wie jener auf Seite 535: "Diese Vergehen haben einen solchen Rang und eine solche Dimension, daß sie als Verbrechen eingestuft werden müssen. Jede andere Klassifikation läuft auf eine Verharmlosung hinaus, womit Illusionen wie auch die Verbrechen selbst begünstigt werden." Der Größe der Gefahr entspräche die Gründlichkeit der Analyse, welche Kräfte mit welchen Mitteln in der Lage sind, den "permanenten Krieg" zu stoppen. Wenn das Buch dazu anregt, diese Frage zu diskutieren, so hat es schon eine wichtige Aufgabe erfüllt.
Das Personen- und Firmenregister am Schluß des Buches hilft den politisch interessierten und dem linken politischen Spektrum nahestehenden Leserinnen und Lesern beim Nachschlagen zu Ereignissen der Erfolge und Mißerfolge der US-Administration bei der Erzielung einer neuen Weltkriegsordnung.
in: UTOPIE kreativ, H. 149 (März 2003), S. 282/283