Im Schatten der Pandemie

Covid-19 vergrößert die Lücken in der weltweiten Gesundheitsversorgung

Mit ihrem Projekt "Folgen der Pandemie" stellt die BUKO Pharma-Kampagne die globale Gesundheitsversorgung in Corona-Zeiten auf den Prüfstand. Exemplarisch wird dabei die Versorgung in Ghana, Südafrika und Peru gemeinsam mit Partnerorganisationen vor Ort untersucht. Die Länderstudie soll grundlegende Versorgungsprobleme benennen und Lösungsansätze aufzeigen. Das Projekt wird von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen finanziert. Projektleiterin Claudia Jenkes fasst erste Ergebnisse zusammen.

Mit Covid-19 ist das Ziel einer global gerechten Gesundheitsversorgung in weitere Ferne gerückt als je zuvor. Das gilt nicht nur für die Versorgung von Corona-PatientInnen oder den Zugang zu Impfstoffen. Die Pandemie hat auch die ohnehin schon bestehenden Versorgungslücken in vielen Ländern weiter vergrößert - etwa bei HIV/Aids und Tuberkulose, bei nicht übertragbaren Krankheiten wie Krebs und Diabetes oder auch bei der Mutter-Kind-Gesundheit. Die Störungen im Gesundheitswesen könnten zwei Jahrzehnte des Fortschritts zunichtemachen, so die Prognose der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Auch im zweiten Pandemiejahr gab es weltweit Einschränkungen in allen Gesundheitsbereichen. In Ländern mit niedrigem Einkommen waren allerdings wesentlich mehr Dienste unterbrochen als in reichen Ländern.1  Maßgeblich betroffen waren neben der Primärversorgung vor allem die rehabilitative und palliative Versorgung, aber auch die Langzeitpflege von PatientInnen. Während in der zweiten Jahreshälfte 2020 über die Hälfte aller Gesundheitsdienste ausgesetzt waren, betraf das in den ersten Monaten des Jahres 2021 zwar "nur" noch ein Drittel der essenziellen Versorgungseinrichtungen. Diese fortdauernde Unterversorgung über einen längeren Zeitraum hinweg habe jedoch vermutlich gravierendere Folgen als der kurzfristige Schockzustand zu Pandemiebeginn, so die WHO.2

Schon jetzt zeichnen sich verheerende Entwicklungen ab: Weit verbreitete Armutskrankheiten geraten aus dem Blick und PatientInnen sind deutlich schlechter versorgt als vor der Pandemie. Zum ersten Mal in seiner Geschichte meldete z.B. der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria deutliche Rückschritte bei der Kontrolle dieser Krankheiten und befürchtet einen erneuten Anstieg der Todesfälle. So wurden mit Programmen zur Aids-Prävention im Jahr 2020 rund 11% weniger Menschen erreicht als noch 2019 und 22% weniger wurden auf HIV getestet. Es gab 18% weniger Tuberkulose-Behandlungen (rund eine Million weniger), bei extrem-resistenter TB wurde sogar ein Rückgang der Behandlungen um 37% verzeichnet. Und auch bei Malaria gab es einen leichten Rückgang bei der Testung und Behandlung - all das trotz einer massiven Aufstockung der Mittel des Global Fund. Auch die WHO beobachtete weltweit massive Einschnitte bei der Versorgung von PatientInnen mit Tuberkulose: Knapp die Hälfte aller Betroffenen erhielt keine Therapie und die Todesfälle haben erstmals seit 10 Jahren wieder zugenommen.3

Die Gründe für die Misere sind vielfältig. So wurden Test- und Behandlungskapazitäten in etlichen Ländern zur Behandlung von Covid-PatientInnen umgenutzt. Ausgangssperren, Personalengpässe oder fehlende Schutzausrüstung verhinderten, dass PatientInnen notwendige Behandlungen bekamen. Aber auch dringend benötigte Medikamente wurden knapp, denn geschlossene Fabriken und Flughäfen oder erhöhte Frachtpreise haben die Lieferketten unterbrochen. Indische Hersteller von HIV-Therapien berichteten beispielsweise über Schwierigkeiten bei der Verschiffung ihrer Waren, Engpässe bei den Rohmaterialien oder erhöhte Kosten durch Verzögerungen im Betriebsablauf.4

Peru: Ein marodes System

Die Pandemie wirkte zudem wie ein Brennglas und legte den schlechten Zustand der Gesundheitssysteme vieler Länder schonungslos offen. Zum Beispiel in Peru: Bis Mitte Juli 2021 wurden in dem südamerikanischen Land fast 200.000 Todesfälle durch Covid-19 verzeichnet - bei rund 33 Millionen EinwohnerInnen.5 Es fehlte an ÄrztInnen, Intensivbetten und Sauerstoff. Andere Erkrankungen wie z.B. Malaria, die vor allem in der Amazonasregion endemisch ist, schienen dagegen im Schatten der Pandemie zu verschwinden. "Unser Land bekämpft derzeit ein Virus des 21. Jahrhunderts mit einem Gesundheitssystem aus dem letzten Jahrhundert.", beschreibt Fabiola Torres, Journalistin und Gründerin der Organisation Salud con Lupa, den eklatanten Versorgungsnotstand.6 Seit Jahren werde die Primärversorgung vernachlässigt, moniert Torres. Der Haushalt der staatlichen Basisversicherung für arme Bevölkerungsgruppen, SIS (Seguro Integral de Salud), sei mager und zwischen 2015 und 2020 nicht erhöht worden, obwohl die Zahl der Versicherten deutlich zugenommen hat. Chronische Unterfinanzierung und auch Korruption seien wesentliche Merkmale des maroden Systems.

Die Einrichtungen zur Erstversorgung von PatientInnen waren schon 2019 überwiegend miserabel ausgestattet und es fehlten laut einer Untersuchung des Ministeriums 24.000 Pflegekräfte. Durch die Pandemie spitzte sich die Situation zu. In Krankenhäusern wurde das Personal knapp und Fachkräfte wurden aus vielen anderen Bereichen abgezogen. Die meisten Basis-Gesundheitseinrichtungen in Peru blieben dadurch für mindestens fünf Monate geschlossen. Um Mittel zur Pandemiebekämpfung locker zu machen, hat die Regierung zudem etliche Kürzungen in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung und -prävention vorgenommen: Das Budget für staatliche Maßnahmen zur Kontrolle von Malaria und anderen vektorübertragenen Erkrankungen wurde zum Beispiel um rund 37% gekürzt. Bei Tuberkulose und HIV beliefen sich die Kürzungen auf 28%, bei der Krebsvorsorge und -bekämpfung auf 25%.

Eine Studie von Torres, Alava, Soto-Calle u.a. untersuchte die Malaria-Situation in der peruanischen Amazonas Region während der ersten Corona Welle 2020.7 Ihr Fazit: Von Februar bis Juni - also in der Saison, in der üblicherweise die meisten Erkrankungen auftreten - wurden dem Gesundheitsministerium kaum Malaria-Fälle gemeldet. Die Daten vermitteln den Eindruck, Malaria komme in der Gegend kaum mehr vor. Dies sei jedoch höchst unwahrscheinlich, so die AutorInnen. Denn insbesondere im Loreto-Distrikt sind vektorübertragene Erkrankungen wie Malaria und Dengue-Fieber endemisch und betreffen vor allem die indigene Bevölkerung. Gerade dort sei die Gesundheitsversorgung in der ersten Jahreshälfte aber nahezu komplett eingestellt worden.

Gesundheitsposten ebenso wie Krankenhäuser behandelten in diesem Zeitraum ausschließlich Covid-19 PatientInnen. Viele kranke Menschen blieben aus Angst vor einer Ansteckung mit Covid-19 zu Hause. Universitäten und Forschungseinrichtungen stellten ihre Forschungsprojekte und Feldarbeit ein und schlossen ihre Labore - schlechte Voraussetzungen also für die Entdeckung und Behandlung von Malaria-Fällen. Zum Erliegen kamen in der Region nicht zuletzt die Maßnahmen des zuvor recht erfolgreichen staatlichen Malaria Zero-Programms, das Test und Behandlungsstrategien sowie kostenlosen Zugang zu Medikamenten, aber auch Moskitobekämpfung beinhaltet. Es sei naheliegend, dass Covid-19 die bis 2019 erreichten Verbesserungen zunichtemachen werde, Erkrankungszahlen wieder hochtreibe und die Sterblichkeit steigen lasse, so die AutorInnen.

Südafrika: HIV, TB und Krebs schlechter versorgt

Südafrika hatte von allen afrikanischen Ländern mit Abstand die höchsten Infektionsraten und Todesfälle durch COVID-19. Fast 95.000 Menschen starben, trotz rigider Lockdown-Maßnahmen.8  Viele Bereiche der Gesundheitsversorgung wurden durch die Pandemie eingeschränkt, etwa die Behandlung und Früherkennung von TB, HIV oder Krebs. Stark beeinträchtigt waren auch Dienste für sexuelle und reproduktive Gesundheit.

Nachdem am 5. März 2020 der erste Krankheitsfall durch SARS-CoV-2 bekannt geworden war, stieg die Infektionskurve rasant. Bereits am 27. März verhängte die Regierung "einen der striktesten Lockdowns außerhalb Chinas".9 Neben der Schließung von Schulen, Universitäten und Geschäften gab es strenge Ausgangs- und Reisebeschränkungen. Das Haus verlassen durfte nur, wer Lebensmittel, Medikamente oder Kraftstoffe zum Heizen besorgen wollte. Ohne öffentliche Verkehrsmittel hatten arme Menschen jedoch kaum eine Chance, Gesundheitsdienste zu erreichen. Erst nach gut einem Monat gab es nach und nach Lockerungen. Chitsamatanga und Malinga, die die Situation analysierten, kritisieren vor allem, dass die Regierung einen "One size fits all"-Ansatz verfolgte, wodurch marginalisierte Bevölkerungsgruppen besonders stark unter den Auswirkungen der Pandemie litten. Ausgangsbeschränkungen, Schul- und Geschäftsschließungen, die in westlichen Ländern gut funktionierten, hätten in einem Land, in dem rund 3 Millionen Menschen im informellen Sektor arbeiten und "von der Hand in den Mund" leben, fatale Konsequenzen.10 Der strikte Lockdown verschärfte die Ungleichheiten und blockierte den Zugang zu vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Zum Beispiel bei HIV und Tuberkulose.

Südafrika zählt zu den "Three High Burden"-Ländern, also zu den 20 Ländern mit der höchsten Krankheitslast an HIV/AIDS, Tuberkulose sowie multiresistenter TB.11 Wegen der Covid-19-Pandemie wurden etliche Präventionsangebote und Versorgungsleistungen für die Betroffenen eingeschränkt oder ganz ausgesetzt. Zwar ergab eine Untersuchung unter 65 Primärkliniken, dass die Behandlungsprogramme für Personen, die bereits eine antiretrovirale Therapie (ART) erhielten, größtenteils aufrecht erhalten wurden. Es gab aber mit Beginn des Lockdowns einen deutlichen Rückgang bei den HIV-Testungen (um 48%). Die Zahl der Infizierten, die eine Behandlung starteten, reduzierte sich im April 2020 ebenfalls um fast die Hälfte (46%). Zwar hat sich die Lage später wieder verbessert, doch im Juli 2020 waren noch immer nicht die Test- und Behandlungszahlen aus dem Zeitraum vor der Pandemie erreicht. Die Unterbrechung beim Testen und der vielfach verzögerte Behandlungsbeginn werde die HIV-Infektionen in die Höhe treiben, schätzen ExpertInnen. Allein zwischen Juli und September 2020 sind vermutlich 11.000 HIV-Infektionen unentdeckt geblieben. Dadurch sei auch ein Anstieg von HIV-Infektionen bei Neugeborenen zu erwarten.12  Bei Tuberkulose kam es durch Lockdown und Personalengpässe ebenfalls zu starken Einschränkungen: TB-Stationen wurden zum Teil in Covid-19-Stationen umgewandelt und Personal wurde zur Testung und Behandlung des SARS-CoV-2-Virus abgezogen. Laut den Laboren des staatlichen Gesundheitssystems haben die Einschränkungen der höchsten Lockdown-Stufe 5 im ersten Pandemiemonat zu einem Rückgang der Anzahl von TB-Tests um 48% geführt. 33% weniger Tuberkulose-Fälle als zuvor wurden diagnostiziert.13

Die Schließung vieler Gesundheitsstationen ließ zudem Verhütungsmittel knapp werden. In einer Studie gaben knapp 23% der Befragten an, in dieser Zeit keinen Zugang zu Kondomen gehabt zu haben.14 Denn mehr als zwei Drittel aller Südafrikaner beziehen Kondome aus öffentlichen Einrichtungen, wo sie kostenlos verteilt werden. Der mangelnde Zugang dürfte nicht nur die Anzahl ungewollter Schwangerschaften, sondern auch von sexuell-übertragbaren Erkrankungen in die Höhe getrieben haben.

Nicht einmal 10% der Südafrikanerinnen, die verhüten, nutzen die Pille. Langzeitkontrazeptiva sind beliebt, doch auch sie waren schwer zu bekommen. In der Provinz Gauteng wurden während des Lockdowns z.B. 48% weniger Hormonimplantate eingesetzt und 10% weniger Intrauterinpessare (IUCD).15 Das Gesundheits-JournalistInnen Netzwerk Health-e News berichtet zudem, dass wesentlich seltener Abtreibungen durchgeführt und Frauen von den Kliniken abgewiesen wurden. Das habe der Nutzung riskanter Abtreibungspraktiken Tür und Tor geöffnet.16 In der bevölkerungsreichsten Provinz Guateng ist die Anzahl der Geburten durch minderjährige Mütter um 60% gestiegen. Außerdem ist das Risiko körperlicher und seelischer Gewalt sowie sexuellen Missbrauchs deutlich gewachsen.17 2019 brachten 14.577 unter-18jährige Frauen ein Kind zur Welt - zwischen April 2020 und März 2021 waren es 23.000.18

Bei der Versorgung von PatientInnen mit nicht-übertragbaren Krankheiten (NCDs) gab es ebenfalls gravierende Einschnitte, etwa bei Krebs: In 28% der untersuchten Krankenhäuser in Südafrika wurden Tumor-Operationen ganz gestrichen oder reduziert. Auch Vorsorgemaßnahmen wurden eingeschränkt und es gab u.a. deutlich weniger Screenings oder HPV-Impfungen zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs.19  Weil MitarbeiterInnen von onkologischen Stationen abgezogen bzw. bei der Versorgung von COVID-PatientInnen eingesetzt wurden, konnten Versorgungsleistungen zum Teil nicht mehr angeboten werden. Hinzu kam ein Mangel an Krebsmedikamenten und anderen wichtigen Medizinprodukten aufgrund unterbrochener Lieferketten, der Schließung der Landesgrenzen und einer verringerten Produktion.20

Ghana: Mutter Kind-Gesundheit gefährdet

Ghana hat auf die Pandemie schnell reagiert und die Zahl der Todesfälle durch Covid-19 ist bisher verhältnismäßig niedrig. Doch die Gesundheitsversorgung hat stark gelitten. Viele Einrichtungen konnten übliche Versorgungsleistungen nicht anbieten, auch Impfkampagnen wurden ausgesetzt. Mit Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden nun Konzepte umgesetzt, um grundlegende Versorgungsleistungen auch unter Pandemiebedingungen zu gewährleisten.

Die Lage im Gesundheitssystem ist prekär: Nicht einmal zwei ÄrztInnen und gerade einmal 42 Pflegekräfte und Hebammen kommen in Ghana auf 10.000 EinwohnerInnen. Eine flächendeckende Versorgung der PatientInnen ist vor allem in ländlichen Gebieten nicht gewährleistet. Aufgrund von Personalmangel, aber auch wegen des Infektionsschutzes wurden Gesundheitsdienste und Präventionsarbeit während der Pandemie stark eingeschränkt - zum Beispiel die Schwangeren-Vorsorge.

Schon vor der Pandemie war die Müttersterblichkeit in Ghana hoch: Pro 100.000 Lebendgeburten starben 319 Mütter durch Schwangerschaft oder Geburt.21 In Deutschland sind es sieben.22 Grund dafür ist vor allem die mangelnde Vorsorge während der Schwangerschaft: Etwa ein Drittel aller Gebärenden nimmt Vorsorgetermine nicht wahr oder hat keinen Zugang dazu. Covid-19 hat diese Situation noch verschlechtert: Agbozo und Jahn untersuchten die Auswirkungen der Pandemie auf die Versorgung von Schwangeren in der ersten Jahreshälfte 2020 und konstatieren einen starken Rückgang an Gesundheitschecks und Blutuntersuchungen in den von Covid-19 besonders betroffenen städtischen Regionen.23 Um Kontakte zu vermeiden, wurden Vorsorgetermine in das zweite Drittel der Schwangerschaft verlegt und Untersuchungsabstände wurden vergrößert, sofern keine Risiko-Schwangerschaft vorlag. Aus Angst vor Ansteckung vermieden außerdem viele Schwangere den Besuch in Gesundheitseinrichtungen. Die größte Gesundheitseinrichtung des Landes verzeichnete von Januar bis Mai 2020 einen Rückgang der Servicenutzung um bis zu 65%. Die WissenschaftlerInnen befürchten, wenn dieser Trend anhalte, könnten die bereits erzielten Erfolge bei der Müttergesundheit zunichte gemacht werden. Kontinuierliche Investitionen in den Ausbau der Gesundheitsinfrastruktur seien nötig, um sie für diese und zukünftige Krisen besser zu wappnen.

Während das Gesundheitssystem damit beschäftigt ist, die Ausbreitung von Covid-19 zu bekämpfen, würden andere lokale Krankheitsausbrüche sträflich vernachlässigt, beklagen Derrick Mensah und KollegInnen.24  Der Ghana Health Service habe am 15. April 2020 409 Fälle von zerebrospinaler Meningitis gemeldet. Fünf der 16 Provinzen Ghanas waren von der Epidemie betroffen. 40 Menschen seien allein in der zweiten Aprilwoche gestorben - bei weitem mehr also als die 9 Corona-Toten im gleichen Zeitraum. Der Ausbruch sei nicht nur besonders schwerwiegend gewesen. Besorgniserregend sei auch die fehlende Reaktion der Behörden, die der derzeitigen Überlastung des Gesundheitswesens geschuldet sei.

Ursache des Meningitis-Ausbruchs sei ein neuer und gefährlicher bakterieller Erregertypus. 10-15% aller PatientInnen sterben daran, wenn sie nicht behandelt werden. In Ghana waren es wegen fehlender Interventionen viermal so viele Tote. Notwendig sei es, das Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken, um eine kontinuierliche Versorgung von PatientInnen auch in Krisenzeiten zu gewährleisten, so die WissenschaftlerInnen.

Etliche Schlüsselbereiche der Versorgung gerieten durch die Pandemie ins Stocken. Die für April/Mai 2020 geplante Impfkampagne gegen Polio wurde wegen des Verbots von Massenveranstaltungen auf den Herbst verschoben, ebenso die Impfkampagne gegen Gelbfieber und auch die Verteilung von Bettnetzen zum Schutz vor Malaria wurde vorerst ausgesetzt. "Inzwischen sind wir zurück am Start", so Anthony Adofo Ofosu, Generaldirektor des Ghana Health Service. Man habe gemeinsam mit der WHO Pläne erarbeitet, um essenzielle Gesundheitsdienste auch in Zeiten der Pandemie aufrechtzuerhalten.25 Dazu zählten Prävention und Behandlung von Infektionskrankheiten, Impfprogramme oder auch die Versorgung vulnerabler Bevölkerungsgruppen wie Kindern und älterer Menschen.

Die COVID-19-Krise hat einmal mehr gezeigt, dass Länder, die über wirksame Sozialschutzsysteme und eine gute Gesundheitsversorgung verfügen, am besten in der Lage sind, auf Krisen zu reagieren. Was wir also jetzt brauchen, sind nicht nur kurzfristige Corona-Hilfen und eine globale Verfügbarkeit von Impfstoffen. Die konsequente Umsetzung von Universal Health Coverage (UHC) gehört ganz oben auf die entwicklungspolitische Agenda. Denn sie ermöglicht "mehr Gerechtigkeit und Widerstandsfähigkeit, mit einem größeren Potenzial für eine qualitativ hochwertige, sichere, umfassende, integrierte, zugängliche, verfügbare und erschwingliche Gesundheitsversorgung für alle, überall, aber vor allem für die Schwächsten."26

Anmerkungen

1) World Health Organization / The World Bank 2021: Global Monitoring Report on Universal Health Coverage 2021.

2) Ebd.

3) WHO 2021: Global Tuberculosis Report 2021.

4) B. B. Rewari et al. 2020: "Impact of COVID-19 on supply of antiretroviral drugs from Indian manufacturers", in: WHO South-East Asia Journal of Public Health, September 2020, 9(2).

5) Corona in Zahlen, http://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/peru/ [Zugriff 19.7.2021].

6) Fabiola Torres: Das peruanische Gesundheitssystem in der Pandemie. Vortrag vom 23.4.2021 bei einem Online-Seminar der Informationsstelle Peru. http://www.infostelle-peru.de/web/materialien-aus-dem-peru-seminar/.

7) K. Torres, F. Alava, V. Soto-Calle et al. 2020: Malaria Situation in the Peruvian Amazon during the Covid-19 Pandemic. Am J Trop Med Hyg; 103: 1773.

8) John Hopkins University of Medicine 2021: Global Map. Coronavirus resource center, https://coronavirus.jhu.edu/map.html [Zugriff 25.01.22].

9) B. Chitsamatanga and W. Malinga 2020: ›A tale of two paradoxes in response to COVID-19‹: Public health system and socio-economic implications of the pandemic in South Africa and Zimbabwe. Cogent Social Sciences 7 (1869368): 1-19.

10) Ebd.

11) WHO 2020: Global Tuberculosis Report 2020, Geneva.

12) J. Dorward et al. 2021: The impact of the COVID-19 lockdown on HIV care in 65 South African primary care clinics: an interrupted time series analysis. Lancet HIV 8: 158.

13) USAID 2020: USAID/South Africa Tuberculosis South Africa Project (TBSAP) Midterm Evaluation Report, Silver Spring

14) Siehe Anm. 7.

15) O. Bolarinwa 2021: Factors associated with limited access to condoms and sources of condoms during the COVID-19 pandemic in South Africa. medRxiv: 1-19. doi: https://doi.org/10.1101/2020.09.11.20192849.

16) Aussage von Bibi-Aisha Wadvalla, Managing Director von Health E-News, im Gespräch mit der BUKO Pharma-Kampagne im August 2021.

17) C. Mathews et al. 2021: HerStory 2: Process evaluation of the combination HIV prevention intervention for adolescent girls and young women (AGYW), Global Fund grant period 2019 to 2022. Report 1/5: Overview of findings and combined recommendations: 1-92.

18) 2019: 14.577; April 2020 - März 2021: 23.000. Save the children 2021: Teen pregnancies in South Africa jump 60% during COVID-19 pandemic. https://reliefweb.int/report/south-africa/teen-pregnancies-south-africa-jump-60-during-covid-19-pandemic [Zugriff 23.11.21].

19) C. Nnaji, L. Moodley 2021: Impact of the COVID-19 pandemic on cancer diagnosis, treatment and research in African health systems: a review of current evidence and contextual perspectives. Ecancer Medical Sciences 15 (1170): 1-10.

20) B. Addai, W. Ngwa 2021: COVID-19 and cancer in Africa. Sciences 371 (6524): 25-27. DOI: 10.1126/science.abd1016.

21) http://www.afro.who.int/countries/ghana [Zugriff 28.7.21].

22) http://www.who.int/data/gho/data/indicators/indicator-details/GHO/maternal-mortality-ratio-(per-100-000-live-births) [Zugriff 28.7.21].

23) F. Agbozo and A. Jahn 2021: COVID-19 in Ghana: challenges and countermeasures for maternal health service delivery in public health facilities. Reprod. Health; 18: 151, https://doi.org/10.1186/s12978-021-01198-5.

24) D. Mensah et al. 2020: COVID-19 effects on national health system response to a local epidemic: the case of cerebrospinal meningitis outbreak in Ghana. Pan African Medical Journal. 35(2): 14, https://doi.org/10.11604/pamj.supp.2020.35.2.23138.

25) WHO regional office for Africa 2020: Reinforcing key health services amid COVID-19. http://www.afro.who.int/news/reinforcing-key-health-services-amid-covid-19 [Zugriff 28.7.21].

26) WHO / The World Bank 2021: Tracking Universal Health Coverage. 2021 Global Monitoring Report.

Claudia Jenkes ist Diplom-Journalistin, sie absolvierte ihr Volontariat in Radio- und Fernsehredaktionen des Westdeutschen Rundfunks und arbeitete anschließend für diverse Zeitungsredaktionen. Bei der BUKO Pharma-Kampagne koordiniert sie seit 1999 Projekte der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit. Außerdem ist sie zuständig für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und erstellt Artikel, Broschüren oder Schulmaterialien zu den Schwerpunktthemen der Kampagne.