Rechtswidrige Abzocke bei Ausländerbehörden

Ausländerbehörden dürfen nicht willkürlich Gebühren für das Verlassen des Landkreises erheben. Zumindest in Sachsen-Anhalt hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) dieser Praxis jetzt ein Ende gesetzt.

Nicht-EU-Ausländer_innen, die eine Duldung oder aufgrund eines Asylantrages eine Aufenthaltsgestattung haben, unterliegen der sogenannten Residenzpflicht. Die zuständige Ausländerbehörde beschränkt in diesem Fall die Duldung auf das Bundesland bzw. die Aufenthaltsgestattung im Regelfall auf den Landkreis. Wer diesen Bereich verlassen will oder muss, bedarf einer Verlassenserlaubnis nach § 12 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz, die von der Ausländerbehörde ausgestellt wird. Mancherorts lässt sich die Ausländerbehörde das auch noch bezahlen: Im Landkreis Saalekreis in Sachsen-Anhalt kostete die Ausstellung einer Verlassenserlaubnis zehn Euro. Die Erlaubnis gilt nur für wenige Tage und muss für jeden Anlass neu beantragt werden. Der Behördenvertreter erklärte vor Gericht zwar, für eine "notwendige Reise, etwa zu Behörden, zu Botschaften oder Familienangehörigen" würden keine Gebühren erhoben. Doch derartig willkürlich darf die Ausländerbehörde nicht abkassieren.

Komi Edzro – im Besitz einer Duldung und Aktivist der Initiative Togo Action Plus e.V. (ITAP) – reichte deshalb Klage ein. Das OVG Sachsen-Anhalt hat mit einem Urteil vom 26. Oktober 2011 die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und die Verlassensgebühr für rechtswidrig erklärt, weil dafür keine Rechtsgrundlage bestehe. Die Ausländerbehörde hatte sich in dem Verfahren auf § 47 Abs. 1 Nr. 9 Aufenthaltsverordnung berufen. Demnach wird für die Ausstellung einer "sonstigen Bescheinigung auf Antrag" zwingend eine Gebühr von 10 € erhoben. Nach der Ansicht des Rechtsanwalts Volker Gerloff, der Komi Edzro vertrat, zeigte sich jedoch darin bereits die Willkürpraxis der Behörde. Die hatte keineswegs immer eine Gebühr erhoben, sondern nur dann, wenn sie die Reise für nicht notwendig hielt. Das OVG folgte dieser Argumentation im Wesentlichen. Die Verlassenserlaubnis sei keine Bescheinigung im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 9 Aufenthaltsverordnung, sondern ein gewöhnlicher begünstigender Verwaltungsakt. Eine Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Gebühr liege daher nicht vor. Nun bleibt zu hoffen, dass sich die Ausländerbehörde daran hält – wie ITAP berichtet, hatten sich die zuständigen Sachbearbeiter_innen über das erstinstanzliche Urteil schlicht hinweg gesetzt und weiterhin Gebühren verlangt. ITAP fordert außerdem, nach dieser Entscheidung bundesweit von der Erhebung von Verlassensgebühren abzusehen.

Annelie Kaufmann, Hamburg