Das überschießende Moment der Wissensproduktion
Autos, Brötchen, iPhones — alles, was wir uns vorstellen können,
vernutzt sich beim Gebrauch. Nicht so unser Wissen: Es verbraucht sich
nicht; wer sein Wissen weitergibt, besitzt es immer noch. Neuerdings
ist seine Verbreitung aufgrund digitaler Technologien nicht einmal mehr
an stoffliche Träger gebunden. Allerdings wird das Recht, ein
Wissensprodukt zu nutzen, mittels des Urheber- und Patentrechts
verknappt, womit es zu einer Ware wird wie alle anderen Waren auch. Bei
der Software-Entwicklung haben sich Urheberrechte sowie Programmcodes,
die nur für Maschinen nicht aber für Menschen lesbar sind, als
Entwicklungshemmnis heraus gestellt. In den 1990er Jahren entspann sich
anhand der Entwicklung des freien und offenen Betriebssystems Linux die
Debatte, wie zeitgemäß die Software-Produktion unter den Bedingungen
des Urheberrechts eigentlich sei und ob freie, selbst organisierte
Software nicht letztlich sogar besser sei als proprietäre, unter
Lohnarbeit organisierte. Die Freie-Software-Bewegung schuf
Lizenzmodelle, die garantierten, dass der Programmcode für jedermann
zugänglich gehalten wird. Die Debatte fragte aber nicht nur nach den
Produktionsbedingungen besserer Software. Schnell zeigte sich, dass die
aufgeworfenen Fragen nicht nur die Software- Produktion, sondern die
Wissensproduktion, ja die kapitalistische Ökonomie insgesamt berührten.
Eben Moglens dot.kommunistisches Manifest brachte die Sache auf den
Punkt: „Die Urheber von Wissen, Technologie und Kultur entdecken, dass
sie nicht länger eigentumsbasierte Produktionsstrukturen und auf
erzwungene Zahlungen gestützte Distributionsstrukturen benötigen.“ Die
Widersprüche, die in der Wissensproduktion sichtbar werden, weisen in
gewisser Hinsicht tatsächlich über die bestehende kapitalistische
Ordnung hinaus. Vier Gründe seien genannt: Mit wachsender Bedeutung der
Wissensproduktion wird die Begrenzung der Produktivkraft des Wissens
durch die private Verfügung deutlich. Zweitens entwickeln sich in der
Wissensproduktion neue, hierarchiearme Arbeitsweisen, die auf
gleichberechtigtem Austausch und Interesse statt auf Zwang und
Unterordnung beruhen. Auch wenn diese Arbeitsformen nicht glorifiziert
werden dürfen, so zeigen sie: Es geht auch ohne Chef und ohne Chefin.
Damit einher geht drittens die soziale Frage der ökonomischen
Absicherung der WissensarbeiterInnen. Urheberrechte sind nicht nur
Marterwerkzeuge der Kulturindustrie, sie sind auch lebenswichtige
Einnahmequelle der im freien Kulturbetrieb Arbeitenden. Aktuelle
Debatten um die Neugestaltung des Urheberrechts, um bedingungslose
Grundsicherung oder Kulturflatrates zeigen, dass bereits über neue,
über die bestehende Verwertungslogik hinaus weisende Formen der
Einkunftssicherung nachgedacht wird. Viertens gibt es Überlegungen, wie
auch komplexe ökonomische Prozesse mit den Produktionsprinzipien einer
Commonsbased Peer Production werden können. Das mag utopisch anmuten,
zeigt aber, dass in der Wissensproduktion bereits praktisch mit
postkapitalistischen Formen der Produktion experimentiert wird. Es
lohnt sich also, genauer hinzuschauen.
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