Sommer, Sonne, Terrorcamp

in (03.11.2009)

Weil nach Ansicht „führender Sicherheitsexperten" die geltende „Anti-Terror-Gesetzgebung" mit den Organisationsdelikten der §§ 129 ff. Strafgesetzbuch (StGB) nicht ausreicht, wird mal wieder kräftig an neuen Entwürfen gearbeitet. Aktuell in der Debatte: Das Bestrafen des Aufenthalts in sogenannten „Terrorcamps".

Zwar handelt es sich hier um äußerst schwammige und wenig greifbare Begriffe, nichtsdestotrotz wird unter Federführung von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) an den Plänen festgehalten. Geändert oder eingeführt werden sollen §§ 89 a und b sowie § 91 StGB. Danach kann die Ausbildung in Terrorcamps, die Kontaktaufnahme zu entsprechenden Ausbildern sowie die Anleitung zu schweren staatsgefährdenden Delikten mit langjährigen Haftstrafen geahndet werden. Ergänzt wird das Paket durch Änderungen in sog. Nebenbestimmungen und anderen Gesetzen. Im Klartext heißt das: Ausweitung der Abhör- und Bespitzelungsbefugnisse, teilweise Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft und die Erleichterung von Abschiebungungen durch Änderungen im Aufenthaltsrecht.

Am Bedenklichsten ist die jedoch die extreme Vorverlagerung der Strafbarkeit. Weitreichender als beispielsweise beim Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) oder bei der Vorbereitung eines Angriffskrieges (§ 80 StGB), die ebenfalls die  Strafbarkeit deutlich vorverlagern, wird hier im noch früheren Vorfeld von möglichen Rechtsgutsverletzungen angesetzt. So warf Rechtspolitiker Wieland (Grüne) der Regierung denn auch vor, „die Vorbereitung der Vorbereitung unter Strafe" stellen zu wollen; von „Gesinnungsstrafrecht" spricht Ulla Jelpke (Linke).

Neben der uferlosen Ausweitung der Strafbarkeit birgt auch die künftige Anwendung der geplanten Vorschriften große rechtsstaatliche Risiken: Da die meisten Terrorcamps in Ländern wie Pakistan oder Afghanistan vermutet werden, wird bei den Ermittlungen, ob jemand tatsächlich in solch einem Lager war, auf Erkenntnisse der dortigen Behörden zurückgegriffen werden müssen. Dass dabei rechtsstaatliche Grundsätze auf der Strecke bleiben, ist so sicher wie das Amen in der Kirche oder der Muezzinruf aus der Moschee. Diskutiert wird das aber nicht - schließlich geht es bei den gesetzlichen Neuerungen ja um den „Kampf gegen Terror".

Des Weiteren erlebt die berüchtigte Strafbarkeit der bloßen „Sympathiewerbung" möglicherweise einen zweiten Frühling: Nachdem sie im Jahre 2002 abgeschafft wurde, soll sie auf Drängen des Bundesrates wieder eingeführt werden. Zur Zeit ist „nur" die gezielte Werbung von Unterstützern oder Mitgliedern unter Strafe gestellt.

Karl Marxen, Berlin