Make-up des Islam

Die Ausstellung "Urban Islam - Zwischen Handy und Koran" in Basel

Die Ausstellung "Urban Islam - Zwischen Handy und Koran" im Basler Museum der Kulturen zeigt den "individuellen Lebensalltag junger Moslems", vielfältig, modern, knallig-bunt.

Grelle Farben, ein Musikmix aus HipHop und arabischen Klängen, multimediale Präsentationen und immer wieder Videosequenzen. Die Ausstellung "Urban Islam - Zwischen Handy und Koran" im Basler Museum der Kulturen zeigt den "individuellen Lebensalltag junger Moslems", vielfältig, modern, knallig-bunt. Eine Schau über junge Leute und zuallererst für junge BesucherInnen.
Aber das ist nicht der einzige Grund dafür, dass die Ausstellung ausgesprochen pädagogisch daherkommt. Schon im Eingangsbereich wird das deutlich: "6,5 Milliarden Menschen auf der Welt. 1,3 Milliarden Muslime. 1 Islam. 1,3 Milliarden Weisen, den Islam zu leben. 6,5 Milliarden Meinungen zum Islam. Was meinst Du?!" "Urban Islam" spricht die BesucherInnen häufig direkt an, möchte sie konfrontieren, versteht sich als Angebot, den Islam "in seiner Vielfalt begreifen" zu lernen. Der Weg dahin führt durch Istanbul, Marrakesch, Paramaribo in Surinam, Dakar, die Hauptstadt des Senegal, sowie durch Basel, Zürich und Genf. Jugendliche Muslime und junge Erwachsene aus diesen Städten nehmen die Besucher an die Hand und zeigen ihnen ihr jeweiliges Leben im und mit dem Islam.
Das Ziel ist deutlich: Die Ausstellung will Verständnis wecken, aufklären nicht über das Fremde, sondern darüber, dass das vermeintlich Fremde gar nicht so anders sei. Gezeigt werden Portraits durchweg moderner Muslime, religiös, aber tolerant, der Tradition verpflichtet und doch - scheinbar - frei in ihrem Handeln. Die Marokkanerin Hanane trägt Kopftuch und bewundert westliche Popstars, Farina aus Surinam schminkt sich gerne ("Im Koran steht nichts über Make-up") und wünscht sich eine religiöse Steuer, und Alioune aus dem Senegal hört als Mitglied der islamischen Bruderschaft der Muriden westliche Musik. Dieses Ansinnen hat den MacherInnen vom Tropenmuseum in Amsterdam viel Applaus gebracht, zuletzt aber auch die eine oder andere kritische Frage, wie die in der Süddeutschen Zeitung: "Darf man so einfach am Terror vorbeikuratieren?"
Schönfärberei also? Verdecken die bunten Collagewände die islamistische Gefahr? Sollen die Drohgebärden aus dem Iran mit Musikclips übertönt werden? Zeigen die Kurzfilme und Zeitungsbilder eine heile Multikulti-Welt, während anderswo SelbstmordattentäterInnen sich ins Paradies und andere in den Tod bomben? Falsch ist der Vorwurf sicherlich nicht. Die Kritik zielt darauf, was fehlt in "Urban Islam": Die Kehrseite der Medaille.
Die aber, so die Ausstellung, werde schon zur Genüge gezeigt in den Medien. Das westliche Bild des Islam sei einseitig. Erklärtes Ziel der Ausstellung sei es daher, "dem Islam ein menschliches Gesicht zu geben, ohne zu gewichten", sagt Projektleiter Bernhard Gardi, Leiter der Afrika-Abteilung im Museum der Kulturen. Der Kritik hält er entgegen: Hätte man den Terror thematisiert, wäre "alles von ihm vereinnahmt" worden.
Es ist nicht nur dieses Defizit, das stutzig macht, dass eben die andere Seite des Islam fehlt, die nicht so tolerant und neugierig ist wie die dargestellten jugendlichen StädterInnen. Die Schau, die Klischees hinterfragen will, baut selbst neue auf. Wenn sie etwa behauptet, in Marokko wähle "jeder seinen eigenen islamischen Lebensstil" - und dabei Freiheit suggeriert, wo diese allenfalls für die betuchte Oberschicht existiert. Die Ausstellung zeichnet weich, wo Widersprüche an die Oberfläche zu gelangen drohen, vermittelt ein allzu einfaches Bild von einer multikulturellen Welt. Am erdrückendsten sind aber nicht die Klischees der Anderen, der fremden Welt des Islam, sondern die des vermeintlich Eigenen. Die Stereotype von "der Moderne" und "der westlichen Welt". Die westliche Moderne scheint sich im Gebrauch von Handy, Make-up und Computer zu erschöpfen und kaum mehr hervorgebracht zu haben als ein paar technische Entwicklungen. Die Fragen nach den Werten der Aufklärung, nach individueller Freiheit, nach Presse- und Meinungsfreiheit, nach Gleichberechtigung, nach Menschenrechten in den portraitierten Ländern stellt die Ausstellung nicht oder nur in Ansätzen. Schade. Interessant wäre gewesen zu erfahren, was drinsteht in der SMS und welches Gesicht hinter dem Make-up steckt. "Urban Islam" aber kratzt lieber nicht am bunten Lack der multikulturellen Ideale, sondern überpinselt in grellen Farben die brüchigen Stellen.

Die Ausstellung "Urban Islam - Zwischen Handy und Koran" ist noch bis zum 2. Juli 2006 im Museum der Kulturen, Augustinergasse 2, Basel (CH), zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr.

Stephan Günther ist Mitarbeiter im iz3w.