"und Du bist nicht dabei!"

Methoden und Durchbrechungen der sozialen Ausgrenzung von MigrantInnen

in (15.12.2003)

Über 7,3 Millionen MigrantInnen leben in der BRD1. Sie leben hier, und sie arbeiten hier. Dabei geht es zunächst um die Möglichkeit, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. In einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft wird die Chance zur Aufnahme und Ausübung einer Erwerbstätigkeit darüberhinaus aber auch zum wesentlichen Faktor für das Selbstwertgefühl des einzelnen Menschen - und somit für MigrantInnen zur wichtigen Meßlatte für die persönliche Integration. Aber auch für diejenigen, die sich von diesem Denken emanzipieren können, kann Arbeit Ausdruck gesellschaftlicher Teilhabe sein: Jedenfalls stellt die Möglichkeit, sich zwischen der Aufnahme und der Nichtaufnahme von Erwerbsarbeit zu entscheiden, einen gewichtigen Aspekt ihrer persönlichen Freiheit dar. Die Nichteinräumung dieser Wahlchance signalisiert demgegenüber eine tiefe Kluft zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft.
Denn dieses Integrationsangebot wird den MigrantInnen von der deutschen Gesellschaft vielfach verweigert. Gesetzgebung und Verwaltung werfen ihnen Knüppel zwischen die Beine und drängen sie in die Illegalität. "Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche", ist die Maxime - und weder von den Interessenverbänden der ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, noch von den politischen Parteien, gleich, welcher Couleur, wird sie ernsthaft in Frage gestellt. Die hohen Schranken vor dem bundesrepublikanischen Arbeitsmarkt wurden von keiner Bundesregierung seit den 70er Jahren angetastet. Die Gründe hierfür liegen trotz einer gewissen arbeitsmarktpolitischen Verbrämung erkennbar im Bereich der Migrationspolitik: Insbesondere Flüchtlinge und ArmutsmigrantInnen sollen von dem - als "Asylmißbrauch" diffamierten - Versuch abgeschreckt werden, sich in Deutschland eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen.
Zur Erörterung arbeitsgenehmigungsrechtlicher Restriktionen bedarf es allerdings einer Eingrenzung. Denn die Gruppe der MigrantInnen ist keineswegs homogen, und ebensowenig ist es ihre Behandlung durch das deutsche Recht.
Als relativ Privilegierte können dabei neben Eingebürgerten und EG-Mitgliedstaatsangehörigen die InhaberInnen einer Aufenthaltsberechtigung oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, etwa Asylberechtigte oder Kontingentflüchtlinge nach dem Kontingentflüchtlingsgesetz2, gelten. Sie erhalten immerhin formal gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt - was sie vor ausländerInnenfeindlicher Diskriminierung im Einzelfall freilich nicht schützt.
Eine zweite Gruppe bilden InhaberInnen sonstiger Aufenthaltsgenehmigungen, Asylsuchende im Verfahren sowie geduldete Flüchtlinge: Bei ihnen greift das "Nachrangigkeitsprinzip" voll - einen Arbeitsplatz erhalten sie nur, wenn für diesen keinE vergleichbar qualifizierteR DeutscheR zu finden ist. Damit sind sie vom ganz überwiegenden Teil des Arbeitsmarkts faktisch ausgeschlossen.
Illegalisierten als dritter Gruppe wird in Deutschland keinerlei Möglichkeit einer legalen Erwerbstätigkeit eingeräumt. Das Problem der Illegalisierung ist mit Mitteln des Arbeitsgenehmigungsrechts allein nicht zu lösen. Umgekehrt werden die Angehörigen der ersten Gruppe durch die einschlägigen Vorschriften wenigstens formal nicht benachteiligt. Das Hauptaugenmerk wird hier daher auf den Zugangsbeschränkungen liegen, denen sich die Angehörigen der zweiten genannten Gruppe ausgesetzt sehen, wobei Sonderbestimmungen, z. B. für Angehörige von in Deutschland lebenden AusländerInnen oder "Green Card"-AspirantInnen unbeachtet bleiben, um das Verständnis zu erleichtern. Zunächtst werden die Normen und ihre Auswirkungen bedrachtet, dann sollen Chancen, Nutzen und Grenzen existierender Durchbrechungsversuche erörtert werden.

• Keine Arbeit ohne Genehmigung

Die Logik des deutschen Arbeitsgenehmigungsrechts ist - im Gegensatz zu seiner komplexen, über mehrere Gesetze und Verordnungen verstreuten Verschriftlichung - simpel: Arbeiten dürfen sollen grundsätzlich nur die "guten" AusländerInnen, d. h. jene, die nach den repressiven Bestimmungen des Aufenthaltsrechts eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland haben.
Dementsprechend wird die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 284 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III vom Vorliegen einer Arbeitsgenehmigung abhängig gemacht, deren Erteilung nur gewährt wird, wenn die/der AntragstellerIn eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 Ausländergesetz besitzt (Aufenthaltserlaubnis, -bewilligung oder -befugnis). Zusätzlich darf die Erwerbstätigkeit nicht durch ein individuelles Arbeitsverbot in Gestalt einer ausländerbehördlichen Auflage zur Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen sein (§ 284 Abs. 5 SGB III).
Befreit von der Genehmigungspflicht sind lediglich EG-AusländerInnen sowie InhaberInnen einer Aufenthaltsberechtigung oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Sie sind rechtlich den InländerInnen gleichgestellt und können auf dem Arbeitsmarkt jede Beschäftigung annehmen. Der Kreis der so Privilegierten wird von § 9 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) auf weitere streng eingegrenzte Personengruppen und Tätigkeiten ausgeweitet, darunter z. B. Beschäftigte ausländischer Speditionsfirmen, KünstlerInnen, StudentInnen und wissenschaftliches Lehrpersonal, aber auch leitende Angestellte.
Asylsuchende, Geduldete und Illegalisierte sind somit nach der Logik des Gesetzes grundsätzlich vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Ob es die späte Einsicht war, daß dieser Zustand einen unhaltbaren Verstoß gegen die Menschenwürde darstellte, oder ob hier handfeste ökonomische Interessen im Spiel waren - Fakt ist, daß im Zuge zahlreicher Änderungen der 1971 erlassenen Arbeitserlaubnisverordnung (AEVO) Ausnahmen vom Arbeitsverbot zugunsten Asylsuchender und Geduldeter gemacht wurden.
Diese finden sich heute - neben Ausnahmen für weitere Gruppen mit speziellem Aufenthaltsstatus - in § 5 ArGV. Allerdings macht § 3 Nr. 1 ArGV die Erteilung der Arbeitserlaubnis für die Betroffenen zusätzlich von einer einjährigen Wartefrist abhängig, während derer die AntragstellerInnen sich erlaubt oder geduldet im Inland aufgehalten haben müssen.
Illegalisierten wird dagegen weiterhin die Aufnahme jeder legalen Erwerbstätigkeit verweigert.
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• Die Vorrangprüfung

Aber auch wer die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Arbeitserlaubnis erfüllt, d. h. einen der "richtigen" Aufenthaltstitel besitzt bzw. geduldet ist, ist noch lange nicht am Ziel der Arbeitsgenehmigung angelangt. Vielmehr wird diese gem. § 285 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 SGB III nur (erstmalig) erteilt, sofern "sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur, der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben [und] für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind, nicht zur Verfügung stehen."
Hinter diesen Worten verbirgt sich die zweite höchst effektive Hürde für MigrantInnen auf dem deutschen Arbeitsmarkt: die sogenannte "Vorrangprüfung". Sie erfolgt nämlich in zwei Schritten zum einen global, zum anderen individuell.
Bei der globalen Vorrangprüfung wird davon ausgegangen, daß es bestimmte Berufe und Wirtschaftszweige gibt, für die statistisch generell kein Bedarf an Arbeitskräften besteht. Zu diesem Zweck führen die Arbeitsämter regelmäßig aktualisierte "Berufsverbotslisten". Ist die angestrebte Beschäftigung einem solchen Beruf zuzurechnen, verweigert das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis. In der Flüchtlingsberatung wird darum teilweise mit alternativen Positivlisten gearbeitet, die "erlaubte" Berufe in verwandten Bereichen aufführen, also z. B. GebäudereinigerIn statt RaumpflegerIn.
Die individuelle Vorrangprüfung hat gemäß eines Erlasses der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vom 5. März 1993 "in jedem Einzelfall besonders sorgfältig" zu erfolgen, wofür die BA damals eine Mindestprüffrist von 4 Wochen für erforderlich hielt. In der Praxis sind eher 6 Wochen die Regel. Erst wenn sich während dieser Zeit keinE bevorrechtigtE ArbeitnehmerIn findet, erteilt das Arbeitsamt die Arbeitserlaubnis.
Auch von diesen Bestimmungen läßt die ArGV jedoch eine Ausnahme zu: Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ArGV kann die Arbeitserlaubnis ohne vorherige Vorrangprüfung erteilt werden, wenn ihre Versagung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Falles eine besondere Härte bedeuten würde. Auf die Bedeutung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs und seine Auslegung in der sozialgerichtlichen Praxis seit Inkrafttreten der Regelung am 15. Dezember 2000 wird unter dem Gesichtspunkt der Durchbrechungsversuche näher einzugehen sein.

• Hürde in der Praxis: Formale Qualifikationen

Eine weitere, nicht direkt im AusländerInnen- und Arbeitsmarktrecht angelegte Erschwernis für MigrantInnen liegt in der hochgradigen Fixierung des deutschen Arbeitsmarktes auf formal nachweisbare Qualifikationen. Schul-, Hochschul- und Berufsabschlüsse existieren in vielen Ländern nicht in der gleichen Dichte und Differenziertheit wie in Deutschland. Gerade berufliche Qualifikationen im handwerklichen Bereich werden oft per "learning by doing" erworben und durch kein Zertifikat dokumentiert. Verfügt einE MigrantIn dennoch über entsprechende Nachweise, so ist deren Anerkennung in Deutschland unsicher und erfolgt oft willkürlich, teils erkennbar motiviert durch den Schutz bestimmter Berufsgruppen vor Konkurrenz.
In besonderem Maße sind von dieser Barriere Flüchtlinge betroffen, die zum Nachweis geeignete Dokumente auf einer Odyssee um die halbe Welt verloren haben und praktisch nicht wiederbeschaffen können. Unter diesen wiederum sind es überproportional häufig Frauen, deren - oft außerhalb normierter Systeme erworbene - Qualifikationen nicht anerkannt werden.
Die verquere Situation des deutschen Arbeitsgenehmigungsrechts fordert zu Durchbrechungsversuchen heraus. Auf einige der wichtigsten soll im Folgenden exemplarisch eingegangen werden.

• Begrenzte Hilfe vor Gericht

Angeregt durch viele Einzelschicksale aus der anwaltlichen und der sonstigen Beratungspraxis, hatte sich die Rechtsprechung wiederholt mit den Unzulänglichkeiten des Arbeitsgenehmigungsrechts befaßt. Dabei waren aus der Sicht der Betroffenen durchaus einige Erfolge zu verzeichnen: So wurde etwa in Einzelfällen festgestellt, daß die vom Arbeitsamt vorgenommene globale Arbeitsmarktprüfung das Recht des arbeitsuchenden Menschen auf individuelle Prüfung seiner besonderen Situation vernachlässige3.
Vor allem die Härtefallregelung, in wechselnder Formulierung in der ArGV und zuvor im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) enthalten, bildete einen Ansatzpunkt zur Korrektur repressiver Verwaltungsentscheidungen. Ausgangspunkt war dabei stets die Überlegung, daß es einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Menschenwürde bedeute, eineR MigrantIn die Möglichkeit der Integration in die Gesellschaft des Aufnahmelands mittels Erwerbstätigkeit vorzuenthalten und sie/ihn stattdessen zur Deckung des Lebensbedarfs langfristig auf den Bezug von Sozialleistungen zu verweisen4.
Der Integrationsbedarf kann jedoch nach Auffassung der Sozialgerichte regelmäßig nur dann zur Erteilung einer Härtefall-Arbeitserlaubnis führen, wenn die Rückkehr ins Herkunftland auf absehbare Zeit nicht möglich oder zumutbar ist und bei Verweigerung der Arbeitserlaubnis die dauerhafte Abhängigkeit von staatlicher Fürsorge droht5. Eine - nach dem alten AFG noch erforderliche - bereits erfolgte Eingliederung ins Arbeitsleben wird dagegen nach dem geltenden Recht nicht mehr verlangt.
Wichtige Fallgestaltungen, bei denen die Rückkehr ins Herkunftland als unzumutbar gilt, können nach Ansicht der RichterInnen z. B. eine langfristige Bleibeperspektive wegen Erziehungsgemeinschaft mit einem in Deutschland lebenden Kind6 oder - zumindest bis zum Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes - wegen Bestehens einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft7 sein. Wiederholt wurden auch Härtefall-Arbeitsgenehmigungen in Fällen sogenannter "Zirkularität" zugesprochen, wenn die Erteilung der Arbeitsgenehmigung vom Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung abhing, diese wiederum die Beendigung des Sozialhilfebezugs voraussetzte8. Schließlich konnten auch Abschiebehindernisse nach §§ 51, 53 AuslG und bürgerkriegsbedingte Traumatisierung die erforderliche langfristige Bleibeperspektive begründen9.
Mögen alle diese Entscheidungen zwar in Einzelfällen in begrüßenswerter Weise zur Abwendung besonderer Härten geführt haben, so ist der Pferdefuß der Härtefallregelung doch evident: Solange sie von der Verstetigung des Aufenthalts in Deutschland abhängig gemacht wird, sitzt die Arbeitsverwaltung hier im Zweifel am längeren Hebel, wenn sie darauf verweisen kann, der Aufenthalt deR BetroffeneN sei ja so sicher nicht. Dies ist um so bedenklicher, als bei deutschen Ausländerbehörden derzeit zunehmende Versuche zu beobachten sind, Flüchtlinge auch nach Jahren des Aufenthalts in Deutschland und weitgehend erfolgreicher Integration dennoch abzuschieben, sobald sich im Herkunftsland der flüchtige Schatten einer Normalisierung der Verhältnisse abzeichnet. Der Integration gerade von MigrantInnen mit unsicherem Aufenthaltsstatus ist damit jedenfalls wenig gedient.

• Europäische Integration versus deutsche Ausgrenzung

Neue Wege zur Bekämpfung von Diskriminierungen und Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zu suchen, ist Ziel der EU-Gemeinschaftsinitiative "Equal". Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung von Angeboten, mit denen es Asylsuchenden erleichtert werden soll, ihre beruflichen Fertigkeiten zu verbessern, um so auch deren Integration zu fördern. "Equal", vom Europäischen Sozialfonds mitfinanziert, arbeitet in Form sogenannter "Entwicklungspartnerschaften" (EP) mit lokalen und regionalen TrägerInnen. Gemeinschaftsweit existieren 1500 EPs, davon 109 in der BRD, von denen sich wiederum acht schwerpunktmäßig der Integration von Asylsuchenden widmen10.
In den EPs wurde ein umfangreiches Programm an Integrationsmaßnahmen erarbeitet. Im Fall der regionalen EP "Equal Hamburg" gehören dazu beispielsweise sprachliche und schulische Qualifizierung ebenso wie berufliche Förderung und Ausbildung, aber auch die psychologische und psychotherapeutische Betreuung von Traumatisierten. Schwerpunkte werden dabei u. a. auf die Förderung von Frauen sowie auf die Ermittlung und Dokumentierung informeller Qualifikationen gelegt.
Im Grundsatz also ein vielversprechendes Projekt - wäre da nicht jener kleine Zusatz in der Projektbeschreibung: Die Qualifizierung der Asylsuchenden soll mit dem Ziel geschehen, ihre Integration in ihre Heimatländer zu verbessern. Nun mag sich einE aufmerksameR BeobachterIn zum einen fragen, wer sich denn in seine Heimat integrieren müsse, und zum anderen, ob bei einem Land, aus dem Menschen fliehen, um anderswo Schutz zu suchen, von "Heimat" gesprochen werden kann.
Dennoch bietet equal derzeit die wohl weitgehendste Möglichkeit, der Zielgruppe - Asylsuchende, Geduldete, InhaberInnen einer Aufenthaltsbefugnis sowie deren Angehörigen - eine Perspektive zur Integration auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu öffnen, und dies obendrein mit staatlicher Förderung. Diese Chance haben auch die MitarbeiterInnen der teilnehmenden Organisationen erkannt und den Behörden einige entscheidende Vorteile für ProjektteilnehmerInnen abgetrotzt. So wird in Hamburg für die Teilnahme an Fördermaßnahmen im Rahmen von "Equal" keine Arbeitserlaubnis benötigt, solange die Dauer der Maßnahme sechs Monate nicht übersteigt. Für längere Maßnahmen hat das Arbeitsamt die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen ohne Vorrangprüfung zugesagt, da die Programme auf die Zielgruppe zugeschnitten seien und generell Deutschen nicht offenstünden.
Zum Zankapfel ist dabei geworden, wer ProjektteilnehmerIn und was überhaupt eine "Equal"-Maßnahme ist: Die TrägerInnen wollen hier den Rahmen möglichst weit stecken. Sie verweisen darauf, daß z. B. ausbildungsvorbereitende Maßnahmen für Jugendliche keinen Sinn machten, wenn den Geförderten hinterher keine Arbeitsgenehmigung für eine betriebliche Ausbildung gegeben werde - zumal mit den entsprechenden Ausbildungsbetrieben von vornherein strategische Partnerschaften geschlossen wurden. Das Arbeitsamt will dagegen Arbeitserlaubnisse ohne Vorrangprüfung nur für eine Beschäftigung bei den TrägerInnen selbst ausgeben.
Teilweise ergeben sich in dieser Auseinandersetzung durchaus überraschende Bündnisse: So empörte sich ein Unternehmer bei einer Auswertungsrunde in der Hamburger Handelskammer, er lasse sich doch nicht von den Behörden vorschreiben, welchen Jugendlichen er einstelle. Der Ausgang der Kontroverse war bei Redaktionsschluß noch ungewiß.

• Das Zuwanderungsgesetz - hilfreiche Perspektive?

Das vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterte Zuwanderungsgesetz sah die vollständige Abschaffung der Arbeitsgenehmigung vor und schien somit eine alte integrationspolitische Forderung zu erfüllen: Mit dem gesicherten Aufenthaltstitel sollte regelmäßig auch die Möglichkeit verbunden sein, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Konterkariert wurde dieser Ansatz allerdings durch eine geplante Mitwirkung der Arbeitsverwaltung bei der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung: Letztlich sollte die altvertraute Vorrangprüfung somit aus dem separaten Arbeitsgenehmigungs- ins Aufenthaltsgenehmigungsverfahren verlagert werden. Den Betroffenen wäre durch diese Gestaltung wenig geholfen worden: Statt gegen die Verweigerung der Arbeitsgenehmigung hätten sie sich in Zukunft gegen eine Auflage zur Aufenthaltsgenehmigung in Gestalt eines vollständigen oder berufsgruppenbezogenen Arbeitsverbots wehren müssen. Insofern muß auch in dieser Hinsicht dem Zuwanderungsgesetz aus integrationspolitischer Sicht keine Träne nachgeweint werden.

• Informelle Beschäftigung

Wo alle legalen Wege sich verschlossen zeigen, findet im extralegalen Bereich zusammen, was zusammenstrebt: MigrantInnen, die verzweifelt genug sind, jede Tätigkeit zu jeden Konditionen anzunehmen, und ArbeitgeberInnen, die Beschäftigte suchen für Tätigkeiten, die so risikoreich, belastend oder schlecht bezahlt sind, daß sich auf dem normalen Arbeitsmarkt keinE BewerberIn dafür findet.
Die Motive können unterschiedlich sein und auf seiten der MigrantInnen in der wirtschaftlichen Aushungerung durch das Asylbewerberleistungsgesetz ebenso liegen wie in finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Familie im Herkunftsland, aber auch gegenüber FluchthelferInnen bzw. "SchleuserInnen". Die Ergebnisse sind immer wieder die gleichen: Arbeitsverhältnisse, die durch inadäquate Entlohnung, fehlende Absicherung durch Sozial- und Unfallversicherungen und behördliche Verfolgung gekennzeichnet sind.
Dabei tragen die arbeitsuchenden MigrantInnen das weitaus höhere Risiko: Ihnen drohen im Fall einer Entdeckung Abschiebehaft und Abschiebung, also nicht nur der Verlust jeglicher selbständig erwirtschafteten Lebensgrundlage, sondern - im Extremfall - Folter und Mord im Herkunftsland.

• Schlußfolgerungen

Das derzeit geltende Recht schließt große Gruppen arbeitsbereiter und arbeitsuchender Menschen vom deutschen Arbeitsmarkt aus. Dies bedeutet für die Betroffenen eine erhebliche psychosoziale wie wirtschaftliche Belastung und Gefährdung des Integrationserfolgs. Damit werden ihre Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe eklatant mißachtet - und wer sich dem widersetzt, wird illegalisiert.
Das Nachrangigkeitsprinzip muß daher fallen - besser noch das ganze System der Arbeitsgenehmigungen. Allen in der BRD lebenden Menschen ist gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Ein angestrebter (und in seiner Legitimität höchst zweifelhafter) migrationspolitischer Abschreckungseffekt darf nicht länger der notwendigen Integration der hier lebenden MigrantInnen im Weg stehen.
Sofern eine generelle, mit jedem legalen Aufenthaltsstatus verbundene Arbeitserlaubnis nicht zu erreichen ist, muß mindestens eine Arbeitsgenehmigung für jeden Menschen, dessen Aufenthalt in der BRD erkennbar auf Dauer angelegt ist, gefordert werden. Davon wird z. B. bei einer Duldung für mehr als drei Jahre auszugehen sein.
Mit der Legalisierung der Beschäftigungsverhältnisse wäre zugleich der sogenannte "Schwarzarbeit" der Boden entzogen. Damit wäre der Weg offen für die Festlegung und Kontrolle von Mindeststandards, was Arbeitsschutz und soziale Absicherung der Beschäftigten angeht, gegebenenfalls auch um den Preis einer Lohnstruktur am unteren Rand des tariflich Erträglichen. Damit soll keineswegs einer generellen Beschäftigung von MigrantInnen in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen das Wort geredet werden. Aber auch schlechtbezahlte Jobs können Trittbretter für einen (wenn auch bescheidenen) Aufstieg sein, sofern die Grundvoraussetzung eines nach oben durchlässigen Arbeitsmarkts gegeben ist - und sie werden von den Betroffenen auch durchaus so verstanden.

Heiko Habbe studiert Jura in Hamburg und ist in einem ehrenamtlichen Projekt in der Rechtsberatung von MigrantInnen tätig.

Anmerkungen:

1 Statistisches Bundesamt, Stand 2001, Quelle: www.destatis.de/basis/d/bevoe/bevoetab7.htm, Stand: 2. April 2003. Nicht eingerechnet sind ca. 178 000 Eingebürgerte.
2 Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge v. 22. Juli 1980, BGBl. I 1980, 1057, zuletzt geändert durch Art. 3 d. Gesetzes v. 29. Oktober 1997, BGBl. I 1997, 2584; das Gesetz sollte durch das Zuwanderungsgesetz m. W. v. 1.1.2003 aufgehoben werden.
3 Vgl. BayLSG, InfAuslR 2000, S. 350 ff.; SG Münster, InfAuslR 2000, S. 90 f.; SG Augsburg, InfAuslR 2000, S. 121 f.
4 Vgl. BSG SozR 4100 § 19 Nr. 22, S. 82; SG Berlin S 51 AL 1830/96 v. 26.2.99, 3. Leitsatz
5 Vgl. BSG Urt. v. 8.6.89 - 7 RAr 114/88, S. 15.
6 Vgl. BSG - 7 RAr 92/81, S. 13.
7 SächsLSG, InfAuslR 1997, S. 414 f.; anders LSG NRW, Urt. v. 8.6.2000 - L 9 AL 196/99; LSG Berlin, Beschluß v. 26.5.2000 - L10 B 84/00 ER.
8 Vgl. LSG Berlin, InfAuslR 1995, S. 164 f.
9 Vgl. VG Karlsruhe, NVwZ/Beilage 1998, S. 111; VG Berlin - 35 F 20.99; VGH Kassel, NVwZ/Beilage 99, 44.
10 Informationen zu equal unter http://www.equal-de.de/.

LITERATUR

Classen, Georg: Neue Entscheidungen zum Flüchtlingssozialrecht, www.dim-net.de/site/html/downloads.htm
Geiger, Udo: Die Härtefall-Arbeitserlaubnis nach dem SGB III, InfAuslR 1999, S. 356-359
Geiger, Udo: Arbeitsgenehmigungsrecht - Aktuelle Entwicklung und Rechtsprechung, InfAuslR 2001, S. 142-146
Hügel, Volker-Maria: Das Arbeitsgenehmigungsverfahren für Flüchtlinge, www.proasyl.de/texte/mappe/2001/43/1.pdf