Halbzeit! Zum Atomkompromiss zwischen Bundesregierung und Atomwirtschaft

Atomausstieg in weiter Ferne

und Bürgerinitiativen fordern seit Jahren den Sofortausstieg aus der Atomenergienutzung.

Die unbeherrschbaren Risiken
beim Betrieb der Anlagen und die fehlende Entsorgung sind zwingende
Gründe für diese nach wie vor richtige Forderung. Der Sachverständigenrat
für Umweltfragen befasst sich in seinem neuesten Gutachten 2000 mit den
"Risiken der Entsorgung" und stellt dazu fest: "Der Umweltrat hält
aufgrund der Charakteristiken bestrahlter Brennelemente und die in
weiten Teilen ungelösten Entsorgungsprobleme eine weitere Nutzung
der Atomenergie für nicht verantwortbar." Dagegen hat die
Bundesregierung die Frage des Atomausstieges in den letzten Monaten nur
noch zu einer Debatte über Restlaufzeiten und Entschädigungen
"verkommen" lassen.

Zur Erinnerung: Bereits in der Koalitionsvereinbarung wurde aus dem
"sofortigen Ausstieg" wie ihn die Grünen noch im Wahlkampf 1998
gefordert hatten, die Formulierung "die Nutzung der Atomkraft so schnell
wie möglich zu beenden." Und während das Wahlprogramm der Grünen
noch davon sprach, dass es zwar das Ziel sei, eine entschädigungsfreie
Stilllegung zu erreichen, diese jedoch nicht zur Bedingung für den
Atomausstieg werden dürfe, wurde inzwischen die Entschädigungsfreiheit
zum unangreifbaren Dogma .

Der zwischen der Bundesregierung und den vier größten Unternehmen der
Atomindustrie vereinbarte sogenannte Konsens wird jetzt der Bevölkerung
als Atomausstieg dargestellt. Ganz anders dagegen die Einschätzung des
Deutschen Atomforums. Dessen Präsident äußerte sich nach Abschluss
der Vereinbarung dahingehend, dass er "den ungestörten Betrieb der
Kernkraftwerke auf Jahre hinaus gesichert sieht."

Tatsächlich hat der zwischen der Bundesregierung und den
Energieversorgungsunternehmen (EVU) gefundene "Konsens" mit dem
ursprünglich von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen gemeinsam verfolgten
Ziel, "den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie noch innerhalb
dieser Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar zu regeln"
(Koalitionsvereinbarung) nur noch wenig zu tun.

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W&F 4/2000
"Frieden als
Beruf"

Vereinbarung behindert den zügigen Umstieg auf eine nachhaltige
Energieversorgung

Als besonders problematisch erweist sich die Festlegung auf über 2.600
Terawattstunden Atomstrom, die noch bis zum Abschalten des letzten
Meilers erzeugt werden dürfen, ohne dass ein Enddatum festgelegt wurde,
an dem das letzte Atomkraftwerk von Netz gehen muss. Diese
Strommenge wurde an Hand der fünf auslastungsstärksten Jahre seit 1990
berechnet, auf die dann noch ein Zuschlag von 5,5% Leistungserhöhung
aufgeschlagen wurde. Zudem wurde für das nie genehmigungsfähige
Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich weitere 107 Terrawattstunden
hinzugerechnet. Selbst Atomkraftbefürworter rechnen bei solchen
Strommengen mit einer durchschnittlichen Gesamtlaufzeit von 34
Kalenderjahren je Atomkraftwerk und widersprechen damit der
Bundesregierung, die von 32 Jahren Regellaufzeit spricht. Durch
Umschichten der Atomstrommengen unrentabeler alter Meiler auf neuere
Reaktoren, kann deren Laufzeit dann nochmals erheblich erhöht werden.
Die Atomenergie in Deutschland droht damit noch weit über das Jahr 2023
hinaus zum Hemmschuh für den Umstieg in eine nachhaltige und
zukunftsweisende Energieversorgung zu werden.

Von allen Seiten wurde inzwischen bestätigt, dass die Bundesregierung in
den Verhandlungen nicht auf der Abschaltung eines Atomkraftwerkes noch
in dieser Legislaturperiode beharrt hat. Dem Atomkraftwerk Obrigheim,
dass seine genehmigte Strommenge noch vor der nächsten Bundestagswahl
aufbrauchen würde, wurde ausdrücklich eine Übergangsfrist bis zum 31.
Dezember 2002 eingeräumt.

Regierung gibt Handlungsspielraum bei Sicherheitsfragen ab

Interpretationsfähige Passagen zu der Frage von Sicherheitsstandards und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen noch intensivere
Auseinandersetzungen um die nun anstehende Novelle des Atomgesetzes
erwarten. "Die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen, um
diesen Sicherheitsstandards (der AKWs) und die diesem
zugrundeliegende Sicherheitsphilosophie zu ändern", lautet die
Vereinbarung. Damit hat sich die Regierung eine Beschränkung bei Fragen
der Sicherheit aufzwingen lassen. Der Schutz von Leben und körperlicher
Unversehrtheit ist aber ein Grundrecht. Wenn es neue Erkenntnisse oder
unerwartete Ereignisse gibt, muss eine verantwortlich handelnde Regierung
die Sicherheitsanforderungen verstärken können. Es ist zwar nicht
vereinbart worden, dass der derzeitige Sicherheitsstandard "eingefroren"
wird, aber die Regierung hat im Konsenspapier zugestimmt, dass "die
Kernkraftwerke und sonstigen kerntechnischen Anlagen auf einem
international gesehen hohen Sicherheitsstandard betrieben werden."
Damit verabschiedet sich die Regierung davon, ganz konkret selbst zu
bestimmen, welche Anforderungen an den Stand von Wissenschaft und
Technik gestellt werden, sie belässt es bei den Vorgaben der
Vorgängerregierung. Bei einer verantwortbaren Bewertung der Sicherheit
müssen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und nicht nur die
"herrschende" Meinung herangezogen werden. Da die Risikoermittlung und
-bewertung in der Hand der Bundesregierung liegt, ist die
Sicherheitsphilosophie von den Gerichten nur beschränkt überprüfbar. Diese
Erfahrung musste z.B. die Autorin bei dem Prozess gegen das AKW
Krümmel machen. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht
stellte das Gericht fest, es sei nicht Sache des Gerichtes "die dem
Verordnungsgeber (Bundesregierung) zugewiesene Aufgabe der
Bewertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der
Bewertung des Risikos durch eine gerichtliche Bewertung zu ersetzen."
Mit anderen Worten, es ist Aufgabe der Bundesregierung,
wissenschaftliche Erkenntnisse zu bewerten und bei der Festlegung der
Sicherheitsstandards zu berücksichtigen.

In Zukunft soll es laut Konsenspapier Sicherheitsüberprüfungen geben, die
auf der Grundlage des PSÜ-Leifaden (Periodische
Sicherheits-Überprüfung) durchgeführt werden sollen. Dieser Leifaden
wurde von der ehemaligen Bundesumweltministerin Merkel entwickelt und
wurde seinerzeit von den damaligen Oppositionsparteien SPD und Grünen
zu Recht heftig kritisiert. Jetzt soll dieser Leitfaden nur in Absprache mit
denen geändert werden, die es zu überprüfen gilt: "Bei einer
Fortentwicklung des Leitfadens wird BMU (Bundesumweltministerium)
die Länder, die Reaktorsicherheitskommission und die Betreiber der
KKW beteiligen."

Unzureichende Risikoabdeckung

Zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wurde im Konsens vereinbart
: "Die Deckungsvorsorge wird durch die Aufstockung der
sogenannten zweiten Tranche oder einer gleichwertigen Regelung auf
einen Betrag von 5 Mrd. erhöht." Damit kommen die Betreiber zwar
einer langjährigen Forderung nach Erhöhung der Deckungsvorsorge nach,
der Umfang von fünf Mrd. DM ist allerdings nicht ausreichend. Die
Risikostudie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, die im Auftrage der
früheren Bundesregierung erstellt wurde, ergab die Wahrscheinlichkeit
eines Super-GAU durch technisches Versagen am Beispiel des
Atomkraftwerkes Biblis mit einmal in 30 000 Betriebsjahren. Demnach liegt
die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei 30 jähriger Betriebszeit in einem der
19 deutschen Atomkraftwerke ein Super-GAU ereignet, bei zwei Prozent.
Hinzu kommt, dass bei dieser Risikoberechnung nur technisches Versagen
berücksichtigt wurde, menschliches Fehlverhalten ist darin nicht enthalten.

Ein AKW-Unfall mit massiven Radioaktivitätsfreisetzungen verursacht
unvorstellbar hohe Gesundheits-, Sach- und Vermögensschäden. Nach
einer Studie der renommierten Prognos-AG, erstellt 1992 noch für das
damals CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium, betragen die Schäden
mehr als 10 Billionen DM. Die von deutschen AKWs ausgehenden
Gefahren für Leben, Gesundheit, Sachgüter und Vermögen sind derzeit
entsprechend dem Atomgesetz nur mit einer einzigen Milliarde DM
abgedeckt, also nur mit 0,01% der möglichen Schadenssumme und die
Betreiber sind derzeit nur für die Hälfte der Deckungssumme (also für 500
Millionen DM) versichert.

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W&F 4/2000
"Frieden als
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Unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im sog. Konsens wurde
weiter vereinbart: "Die Bundesregierung wird keine Initiative ergreifen,
mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen
diskriminiert wird. Dies gilt auch für das Steuerrecht." Mit dieser
Zusage wird z.B. die Besteuerung von Kernbrennstäben in Frage gestellt
und damit wiederum werden die veralteten Strukturen der Stromerzeugung
festgeschrieben. Es bleibt offen, wie die notwendigen Verbesserungen im
Strahlenschutz bewertet werden. Die Betreiber werden das möglicherweise
erfolgreich als "Diskriminierung" bewerten können.

Neue Novelle zum Atomgesetz

Zur Umsetzung der Vereinbarung muss das Atomgesetz (AtG) novelliert
werden. Dazu wurde im Konsenspapier beschlossen: "Die
Bundesregierung wird auf der Grundlage dieser Eckpunkte (des
Konsenspapiers) einen Entwurf zur Novelle des Atomgesetzes (AtG)
erarbeiten. Über die Umsetzung in der AtG-Novelle wird auf der
Grundlage des Regierungsentwurfes vor der Kabinettsbefassung
zwischen den Verhandlungspartnern beraten."

Es ist zu befürchten, dass sich bei diesen "Beratungen" die Betreiber
durchsetzen. Mit den getroffenen Vereinbarungen und weiteren
Interpretationsmöglichkeiten der Betreiber wird die Atomgesetznovelle nicht
zu einem Ausstieg aus der Atomenergie führen, sondern bestenfalls ein für
die Betreiber kostengünstiges, Jahrzehnte dauerndes Auslaufen mit sich
bringen.

Sichere Entsorgung?

Unter dem Stichwort "Entsorgung" wurden u.a. die Aspekte
Zwischenlager, Wiederaufarbeitung und Endlagerung angesprochen. Zum
Thema Zwischenlager heißt es in dem Konsenspapier: "Die EVU errichten
so zügig wie möglich an den Standorten der KKW

(Kernkraftwerke) oder in deren Nähe Zwischenlager. Es wird
gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, vorläufige
Lagermöglichkeiten an den Standorten vor Inbetriebnahme der
Zwischenlager zu schaffen." Durch Standortzwischenlager wird das
Aktivitätsinventar am Standort drastisch erhöht und bei einem Unfall könnte
möglicherweise auch das Zwischenlager mitbetroffen sein. In der
Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den EVU steht nichts
über die Größe der Zwischenlager an den AKWs; es sollen Zwischenlager
genehmigt werden, die den Restlaufzeiten der AKWs entsprechen, aber es
ist kein absolutes Enddatum für die AKWs in der Vereinbarung enthalten.
Die Zwischenlager sind eine Garantie für den Weiterbetrieb, da die
"Entsorgung" damit gesichert ist (ausreichende Kapazitäten für beliebige
AKW-Laufzeiten, keine Transportprobleme).

Wiederaufarbeitung über 2005 hinaus?

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"Frieden als
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Zur bisherigen "Entsorgungsstrategie" gehört die Wiederaufarbeitung
(WAA) im Ausland . Die Risiken beim Transport zur
Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield in England oder nach LaHague in
Frankreich, die radioaktive Verseuchung der Umgebung der Anlagen und
insbesondere das bei der WAA "übriggebliebene" Plutonium sind Gründe
genug für das sofortige Beenden dieser Risikotechnologie. Im
Konsenspapier hat sich die Regierung aber mit den Betreibern darauf
verständigt, dass noch bis zum "01.07.2005 abgebrannte Brennelemente
zur Wiederaufarbeitung transportiert werden dürfen." Sämtliche
Verträge, die zwischen den Betreibern der AKWs und den Betreibern der
WAA geschlossen sind, können also noch abgearbeitet werden, es entfallen
lediglich Optionen auf Vertragsverlängerung. Und auch nach dem
01.07.2005 wird die Wiederaufarbeitung mit all ihren Risiken fortgesetzt, die
angelieferten Mengen dürfen verarbeitet werden, da lediglich für den
Transport, aber nicht für die Wiederaufarbeitung ein festes Enddatum
vereinbart wurde. Die ersten Konsequenzen aus dieser
Konsensvereinbarung waren schon bei der Konferenz der
Nordseeanrainer-Staaten Mitte des Jahres zu erleben: Dort scheiterte eine
dänisch-irische Regierungsinitiative, die Wiederaufarbeitung in LaHague
und Sellafield sofort auszusetzen. Stattdessen wurde nur beschlossen, die
Genehmigungsverfahren für die Ableitung radioaktiver Stoffe zu
verschärfen. Deutschland konnte sich der dänisch-irischen Initiative erst gar
nicht anschließen, da ein sofortiger Stopp der Wiederaufarbeitung den
getroffenen Vereinbarungen im Konsenspapier widersprochen hätte.

Offene Fragen zur Endlagerung

Das geplante Endlager Schacht Konrad war und ist nicht geeignet,
schwach- und mittelradioaktiven Müll aufzunehmen. Während der
Auslegungszeit der Unterlagen wurden rund 290.000 Einwendungen gegen
dieses geplante Endlager gesammelt. In der Koalitionsvereinbarung spricht
auch die Regierung davon, dass für "die Endlagerung aller Arten
radioaktiver Abfälle ein einziges Endlager in tiefen geologischen
Formationen ausreicht." Damit war klargestellt, dass die Regierung
Schacht Konrad ebenfalls nicht als Endlager angesehen hat, denn die
Formulierung "ein einziges Endlager" beinhaltet, es muss ein Endlager für
hochradioaktiven Müll geben, in dem auch schwach- und mittelradioaktiver
Müll eingelagert werden kann. Schacht Konrad ist aber für
hochradioaktiven Müll nicht geeignet und war dafür auch nie vorgesehen. In
der Konsensvereinbarung heißt es aber jetzt, "dass das
Planfeststellungsverfahren für Schacht Konrad abgeschlossen wird."
Das bedeutet u.a. ein Abrücken von dem Konzept, nur ein Endlager für alle
Arten von radioaktivem Abfällen zu errichten. Als nächstes wird ein
Planfeststellungsbeschluss für Schacht Konrad erlassen. Auf eine
Einlagerung von Atommüll wird aber verzichtet, "um eine gerichtliche
Überprüfung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen." Was sich so
vordergründig als freundlicher Akt darstellt, ist in Wirklichkeit ein
Armutszeugnis für die Regierung. Die Entscheidung, ob Schacht Konrad
geeignet ist oder nicht, ob Müll eingelagert werden darf oder nicht, wird den
Gerichten überlassen. Die "Verantwortung", Schacht Konrad zu stoppen,
liegt nun bei eventuellen Klägern. Umliegende Gemeinden, Verbände oder
Initiativen sollen hier der Regierung auf dem Klageweg für die Regierung
die Kohlen aus dem Feuer holen.

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"Frieden als
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Als Endlager für alle Arten radioaktiver Abfälle wurde bisher nur der
Salzstock in Gorleben untersucht. Die Vereinbarungen im Konsenspapier
sind hierzu allerdings unzureichend und widersprechen z.T. früheren
Aussagen der Bundesregierung. Hieß es in der Koalitionsvereinbarung
noch: "An der Eignung des Salzstockes in Gorleben bestehen Zweifel,"
heißt es jetzt in dem mit den Betreibern getroffenen
Konsensvereinbarungen: "Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes
Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv
bestätigt. Somit stehen die bisher gewonnnen geologischen Befunde
einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben... nicht entgegen."
Damit hat die Bundesregierung nur noch allgemeine Bedenken und ignoriert
das wasserdurchlässige Deckgebirge des Salzstockes. Dieses Deckgebirge
war ursprünglich als Sicherheitsbarriere gedacht, ein wasserdurchlässiges
Deckgebirge kann aber niemals eine Barrierenfunktion wahrnehmen und
für Millionen von Jahren einen sicheren Einschluss des Atommülls
gewährleisten. Trotzdem heißt es in dem Konsenspapier: "Das
Moratorium bedeutet keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein
Endlager."

Zwar kommt Salz als potenzielles Wirtsgestein für ein Endlager in Frage,
aber auch Gesteinsformationen wie Granit oder Ton kommen in Betracht.
Der Salzstock Gorleben wurde nicht nach Sicherheitskriterien ausgesucht,
sondern vor allem aus politischen Gründen ausgewählt. Er liegt in einer
dünnbesiedelten Gegend und lag bei der Ernennung in unmittelbarer Nähe
der Grenze zur DDR. Die Erkundung des Salzstockes wird nun lt.
Konsenspapier "für mindestens 3 Jahre, längstens jedoch für 10 Jahre
unterbrochen." Damit könnte Gorleben ohne eine Änderung des
Vertrages/Konsenspapieres schon kurz nach einem möglichen
Regierungswechsel 2003 weiter erkundet werden, zumal mit den obigen
Aussagen der Bundesregierung die Eignungshöffigkeit bestätigt wird.

Es stellt sich die Frage, welche Aufgabe in dieser Situation ein vom
Bundesumweltministerium (BMU) eingerichteter "Arbeitskreis
Auswahlverfahren Endlagerstandorte" überhaupt noch haben kann: Bei
einem vorhandenen angeblich eignungshöffigen Endlagerstandort und einem
weiteren zur Genehmigung freigegebenen Endlager (Schacht Konrad)
entwickelt sich die Tätigkeit des Arbeitskreises - völlig unabhängig von dem
fachlichen Niveau der Arbeit und ihrem rein wissenschaftlichen Stellenwert
- praktisch zu einer Alibifunktion.

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Die ungelöste und unlösbare Endlagerung ist einer der wichtigsten Gründe
dafür, sofort aus der Atomenergienutzung auszusteigen. Jede weitere
Produktion von Atommüll ist unverantwortlich. Hier sei auch an das
eingangs zitierte Votum des Sachverständigenrates für Umweltfragen
erinnert.

Kontrollrechte für Atomkonzerne

Neben der Vereinbarung, dass der Gesetzentwurf zur Novellierung des AtG
zwischen den Verhandlungspartnern beraten wird, soll zur Umsetzung der
Atomvereinbarungen eine "hochrangige Arbeitsgruppe aus drei
Vertretern der beteiligten Unternehmen und drei Vertretern der
Bundesregierung" eingesetzt werden. Zur Durchführung der
Atommülltransporte "richten Bundesregierung, Länder und
Elektrizitätsunternehmen (EVUs) gemeinsam eine ständige
Arbeitsgruppe ein, die auch mit den Sicherheitsbehörden von Bund
und Ländern zusammenarbeitet." Die Atomkonzerne haben also
weitreichende Möglichkeiten erhalten, Regierungstätigkeit und hoheitliche
Aufgaben zu beeinflussen. Da drängt sich die Frage auf, wer regiert
eigentlich dieses Land? Bekommen Atomkonzerne Mitsprache, wie und wie
schnell Castor-Transporte genehmigt werden, wie Polizeieinsätze gegen zu
erwartende Demonstrationen und Blockaden vorbereitet werden? Mit
diesen Schattengremien hat sich die Atomwirtschaft weitreichende
Kontrollrechte auf die Regierungstätigkeit gesichert.

Fazit

Mehr als weitere 20 Jahre lang müssen die Menschen mit dem atomaren
Risiko leben. Es wird noch einmal soviel Atomstrom produziert wie in allen
bisherigen Betriebsjahren zusammen und die Menge des Atommülls wird
sich fast verdoppeln. Die in der Koalitionsvereinbarung getroffene Aussage:
"Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie wird innerhalb dieser
Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar geregelt," wurde nicht
umgesetzt. Der in der Konsens-Vereinbarung enthaltene entscheidende
Satz, der dieses klarstellt und dem die Bundesregierung zugestimmt hat,
lautet: "Für die verbleibende Nutzungsdauer (soll) der ungestörte
Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung gewährleistet
werden." Damit ist der Atomausstieg in weite Ferne gerückt, denn der sog.
Konsens hat mit einem Atomausstieg nichts zu tun.

Renate Backhaus ist atompolitische Sprecherin des Bundesvorstandes des
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

E-Mail: bund@bund.net
Internet: http://www.bund.net