Laut Polizei brennen nur 50 Häuser

in (12.10.2009)
Vor sechs Monaten schrieb ich eine erste Geschichte über die große Goldgrube Porgera (»Das blutige Gold von Porgera«, Ossietzky 23/08). Sie schloß mit den Worten »Mehr darüber später.« Hier ist es.

Aber zuerst eine kurze Erinnerung:

In der Mitte des Papuanischen Hochlands lebte seit vielen Tausend Jahren abgeschlossen von der Außenwelt das Volk der Ipali, ein Steinzeit-Volk. Mit Gartenbau, Schweinezucht und Jagd kamen die Ipali ganz gut über die Runden. Daß in den Flüssen viel Gold lag, wußten sie, aber, wie mir mein Ipali-Freund Jethro Tulin sagte, »wir ließen es liegen. Gold? Es war nutzlos.« Aber in den 1930er Jahren kamen die Australier über die Berge, und alles wurde anders.

Heute schürft die größte Goldgräbergesellschaft der Welt, die kanadische Barrick Gold Company, in Porgera alles, was glänzt und Geld einbringt, und zu diesem Zweck muß man leider die Häuser der Ipali verbrennen. Waren es 50 oder 350 in den letzten Wochen? Die Zahlen sind umstritten. Auch wem diese Häuser gehören. Es sind, so Barrick und die Polizei, die Häuser von »illegalen Schürfern«, darunter vielen Zugewanderten ...

Quatsch, sagen die Ipali. Es sind Leute, die in Porgera zu Hause sind. Und sie können und sie wollen nicht verstehen, daß ihr Zuhause nicht mehr ihnen gehört, sondern neuerdings der Barrick Gold Company.

Gartenbau, Schweinzucht, Jagd sind vernichtet. Der Konzern schüttet Millionen Tonnen Abraum in die Bäche und Flüsse. Vormalige Gärten sind mit Hügeln von giftiger Erde bedeckt.

Barrick sagt, einige Leute hätten in der Grube Arbeit gefunden und seien damit glücklich. Aber Tausende kommen da nicht hinein, und weil nun ihr Land vergiftet ist, haben sie gelernt, wie man mit einfachen Mitteln Gold schürft und verkauft.

Das ist aber für Barrick ganz einfach Diebstahl. Diese Schürfer sind »illegal«. Sie stehlen immer mehr Gold. Darum muß die Regierung in Port Moresby, die von Barrick Steuer- und, wie manche sagen, auch sonstige Gelder kassiert, alles tun, um diesen Diebstahl, diese Gesetzlosigkeit zu beenden. Und so steht die Enga-Provinz seit einigen Wochen unter Notstandsrecht. 200 Polizisten des unabhängigen Staates Papua-Neuguinea (früher eine australische Kolonie), verstärkt durch Grubenpolizisten, haben Porgera besetzt und dort, um »die Ordnung wiederherzustellen«, die Häuser verbrannt. Aber nur 50, versichert die Polizei, nicht 350.

Anfangs sagte Barrick, und die Polizei schloß sich dieser Darstellung an, daß alle diese Häuser nicht eingeborenen Landbesitzern gehört hätten, sondern »Zuwanderern«, Papuanern von anderswo, die sich nur zum Goldklauen hier niedergelassen hätten.

Aber jetzt gab sogar der Gouverneur der Enga-Provinz, Peter Ipatas, zu, daß die Landbesitzer viele »wantoks« (von: One talk, selbe Sprache), das heißt Verwandte haben und daß man sich in der primitiven papuanischen Gesellschaft »um seine Verwandten kümmern muß«. Und da wird es schwierig zu klären, ob es die Häuser von einheimischen Grundbesitzern oder nur von zugewanderten »Wantoks« waren, die da verbrannten. Und ob es 50 illegale oder 350 ganz legale Häuser waren...

Eins steht jedenfalls für die Regierungspolizei fest: Die vier innerhalb einer Woche Erschossenen (für die Verwundeten haben wir keine Zahl) waren »Gangster«. Nicht einfach Goldgräber. Und: »Wir haben sogar 20 Waffen konfisziert.«

Jethro Tulin, früher Gewerkschaftsführer, jetzt Vorsitzender des Akali-Tange-Menschenrechtsverein von Papua-Neuguinea, sieht Parallelen zur Geschichte von Bougainville, über die ich vor Jahren in Ossietzky geschrieben habe: Auf dieser großen Insel zwischen den Salomonen und Papua-Neuguinea verschärften sich die Auseinandersetzungen um die Umweltschäden in weitem Umkreis um die »Panguna«-Kupfer- und Goldgrube zum Unabhängigkeitskrieg, der 1998, nach zehn Jahren, mit der Niederlage des Rio-Tinto-Konzerns, der australischen Regierung und der Regierung in Port Moresby endete.

Tulin: »Ja, die Bougainvillier haben gewonnen. Aber es hat sie 10.000, vielleicht 15.000 Tote gekostet! Vielleicht können wir das vermeiden, anders machen, friedlicher?«

Unterstützt von Gewerkschaften und linken Nichtregierungsorganisationen in Australien und Kanada ist Tulin nun schon zum zweiten Mal nach Toronto zur Jahresversammlung der Barricks-Aktionäre geflogen. Er versucht der Grubengesellschaft klar zu machen, daß Menschen zu erschießen, Frauen zu vergewaltigen (wie es der Grubenpolizei angelastet wird) und jetzt in großem Maße Häuser zu verbrennen, nicht nur unmenschlich, sondern letztlich auch nicht vorteilhaft für den Konzern sei. »Schließlich hat Rio Tinto auf Bougainville alles verloren. Vielleicht liegt hier auch die Erklärung dafür, daß dieser riesige Konzern an den Rand der Pleite geraten zu sein scheint. Geholfen hat es ihm jedenfalls kaum!«

Mit Hilfe einer Anwaltskanzlei im US-amerikanischen Seattle hoffen die Ipali, sich gegen Barrick »friedlich« vor Gericht durchzusetzen, in den USA oder in Kanada. Vielleicht auch in den Vereinten Nationen. Aber wenn das Häuserverbrennen weitergeht - wer weiß, was in meiner nächsten Fortsetzung stehen wird.