60 Jahre Nato!

in (19.09.2009)

Anfang April feierten diverse Staats- und Regierungschefs den 60. Geburtstag einer Organisation, die ihrer Meinung nach maßgeblich zu Frieden und Sicherheit in der Welt beigetragen habe – der NATO.

Nur vier Jahre vor ihrer Gründung hatten die Vereinten Nationen in ihrer Gründungscharta das Ziel formuliert, internationale Konflikte zu verrechtlichen und hierzu ein Netz regionaler Strukturen aufzubauen. Diese sollten für „kollektive Sicherheit“ sorgen, indem Konflikte durch  Vermittlung oder sanfte Sanktionen durch Nachbarstaaten gelöst werden können, bevor es tatsächlich zu Kriegen kommt.

Die NATO verfolgte einen anderen Ansatz. Der Kommunismus sollte zurückgedrängt werden. Hierbei wurde selbst der Einsatz von Atombomben nicht ausgeschlossen. Nachdem in den 60er Jahren klar wurde, dass eine Eskalation nicht zum Erfolg führen konnte, gab es eine Reihe von Konferenzen, bei denen schließlich 1975 die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (KSZE) herauskam, die dazu führte, dass die Kaltkriegsgegner zumindestens miteinander reden mussten.

Nach dem Ende des Warschauer Paktes wurde die KSZE zur „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) umgewandelt und sollte nunmehr eine Funktion als regionale Sicherheitsstruktur spielen. Doch dazu kam es nicht.
Denn bereits die Anerkennung der OSZE als Schiedsrichter bei zwischenstaatlichen Konflikten in Europa durch die UN scheiterte stets daran, dass die US-Regierung intervenierte. Genauso wie auch die EU der NATO vertraglich ein allgemeines Vetorecht zuschrieb.
Dies ist insbesondere unpraktisch, da die OSZE verhältnismäßig erfolgreich bei Prävention und Kriesenmanagement ist. Zumindest dort, wo ihr keine Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.

So erging es beispielweise beim Kosovo-Konflikt 1999, als die OSZE-Beobachter_innen nur drei Tage nachdem sie Erfolge bei der Mission vermeldeten, abgezogen wurden, da die NATO doch lieber Bombardierungungen durchführen wollte.
Auch ansonsten werden sowohl NATO als auch die Militarisierung der EU der OSZE vorgezogen. Dies ist insbesondere deshalb ein Problem, weil erstere weniger Sicherheitsfragen als vielmehr wirtschaftliche Vorteile ihrer Mitgliedsstaaten im Blick haben. Bei der OSZE tritt dies weniger stark auf, weil neben allen europäischen Staaten auch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion Mitglieder sind und dadurch derart viele Partikularinteressen vorliegen, dass nahezu immer eine große Mehrheit für den Erhalt des Friedens vorhanden ist. Hierbei ist Frieden nicht allein als Abwesenheit von Krieg zu verstehen. Stattdessen spielen auch Themen wie Demokratie und wirtschaftliche und ökologische Entwicklung hinein.

Doch warum muss man die NATO auflösen, wie die Friedensbewegung fordert. Kann man denn nicht mehrere parallel existierende Sicherheitstrukturen haben?
Grundsätzlich wäre dies möglich, aber von einer NATO, die 60 Jahre lang stets nur den Konflikt suchte und mittlerweile wieder über atomare Erstschläge redet, geht eher eine Gefahr als eine Sicherheit aus. Ähnlich sieht es mit militärischen Ambitionen der EU aus. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU wird stets die gemeinsamen außenpolitischen Interessen der EU durchsetzen. Dies ist völlig logisch. Daher besteht natürlich die Gefahr, dass die finanzielle Unterausstattung der OSZE durch diejenigen Staaten, die stark genug sind, um keinen Schiedsrichter zu brauchen, sich weiter verschärfen wird.

Ein Dilemma, das solange bestehen wird, wie es Staaten gibt, die mächtig genug zu glauben, auf Sicherheitsbündnisse verzichten zu können.

erschienen in Tendenz 1/2009