Investivlöhne - mehr Schein als Sein

Anmerkungen zur aktuellen Diskussion

Nun steht sie wieder auf der Tagesordnung: die Diskussion um Investivlöhne. Seit Bestehen der Bundesrepublik wird dieses Thema in immer wieder Gegenstand aktueller politischer Debatten.

Nun steht sie wieder auf der Tagesordnung: die Diskussion um Investivlöhne. Seit Bestehen der Bundesrepublik wird dieses Thema in unregelmäßigen Abständen immer wieder Gegenstand aktueller politischer Debatten. Diesmal warf Bundespräsident Horst Köhler den Ball ins Spiel. Erstaunlich ist, dass viele Akteure bereits jetzt Details und Bedenken vortragen, obwohl eine klare Konzeption für die Einführung von Investivlöhnen noch längst nicht vorliegt. Auch in der Berliner Koalition scheint es kaum noch um das Pro und Contra, geschweige denn um Alternativen zu gehen.
Zielsetzungen
Mit der Diskussion um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Gewinn- und Kapitalbeteiligungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer sollen verschiedene Ziele verfolgt werden: Zum einen soll mit dem Investivlohn über das Instrument der Mitarbeiterbeteiligung eine Verbesserung der Altersvorsorge erreicht werden. Zum anderen soll die Eigenkapitalbasis der Unternehmen gestärkt werden. Ministerpräsident Roland Koch sieht daher in dem Investivlohn gar eine patriotische Aufgabe, weil damit Kapital an Unternehmungen gebunden wird, das sich an der Schaffung von Arbeitsplätzen orientiert und auch loyal gegenüber dem Standort ist. Außerdem bietet laut IAB eine Gewinn- oder Kapitalbeteiligung Arbeitnehmern Anreize für mehr Leistung und eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen.
Im Hinblick auf die ungleiche Entwicklung von Einkünften aus Vermögen und unselbständiger Beschäftigung ist eine zusätzliche Gewinn- und Kapitalbeteiligung grundsätzlich sinnvoll. Es hängt allerdings viel von der Ausgestaltung ab, die derzeit viele Fragen offen lässt und eine Realisierung eher fraglich erscheinen lässt.
Ergänzung oder Ersatz für tarifliche Löhne?
Es besteht die Gefahr, dass zukünftige Lohnsteigerungen teilweise in Investivlöhne umgewandelt werden. Die Gewerkschaften haben zu Recht darauf hingewiesen, denn Äußerungen unter anderem von Arbeitgebervertretern gehen in die Richtung, dass die Beschäftigten mit einem Teil ihres Einkommens das unternehmerische Risiko tragen sollen. Werden Investivlöhne tatsächlich Ersatz für Lohnerhöhungen, wäre das kontraproduktiv - vor allem dann, wenn Lohnsteigerungen zur Belebung der Binnennachfrage und zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme notwendig wären. Wie auch immer das Modell der Koalitionäre in Berlin letztlich aussehen wird - Investivlöhne würden nach den herrschenden Gesetzmäßigkeiten der Tarifverhandlungspolitik zumindest teilweise immer auf die Lohnentwicklung anzurechnen sein. Realistisch betrachtet dreht sich die Debatte um Investivlöhne al-so eher um Lohnumwandlung als um Lohnerhöhung.
Auch im Hinblick auf die Ergänzung der Altersversorgung ist Skepsis angesagt: Die Mitarbeiterkapital-beteiligung diktiert dem Arbeitnehmer eine bestimmte Vermögensanlage, ohne dessen eigentliche Präferenzen zu berücksichtigen. Darüber hinaus wären in diesem Fall Teile der Altersvorsorge auf Ge-deih und Verderb vom Wohlergehen des Unternehmens abhängig - Arbeitnehmer wären also auch über das Erwerbsleben hinaus davon betroffen. Ich halte das nicht für richtig und bin dafür, allgemeine Regelungen zur privaten Altersvorsorge zu diskutieren und voranzutreiben.
Staatliche Absicherung und Sozialisierung von Unternehmensrisiken
Gerade wir Sozialdemokraten weisen in der Debatte um Investivlöhne stets auf eine Absicherung von Insolvenzrisiken hin. Es wäre nicht akzeptabel, wenn Mitarbeiterkapitalbeteiligungen bei einer Unternehmensinsolvenz ohne Entschädigung wegfallen würden. Der Gesetzgeber müsste eine gesetzliche Entschädigungsregel schaffen. Allerdings führt eine derartige Regel dazu, dass der Staat im Insolvenz-fall Zahlungen an Arbeitnehmer leistet, die eigentlich vom Unternehmen zu tragen sind.
Konsequent wäre es, wenn Unternehmen sich gegen diese Risiken selbst absichern müssten oder über einen separaten Fond investieren, der wie Pensionsfonds vor Insolvenz des Unternehmens geschützt ist. Dieser Weg schließt allerdings das Ziel - mit Investivlohn gleichzeitig die Eigenkapitalbasis vom Unternehmen zu stärken - aus.
Wer profitiert von Investivlohn?
Es ist fraglich, ob eine veränderte Gesetzeslage tatsächlich mehr Mitarbeiterbeteiligung nach sich zieht. Praktisch funktioniert der Investivlohn nur bei Aktiengesellschaften. Eine adäquate Plattform gerade für die Veräußerung von Anteilen klein- und mittelständischer Betriebe gibt es nicht. Die Äuße-rungen des SPD-Parteivorsitzenden Kurt Beck, wonach das Modell sowohl für klein- und mittelständische Betriebe als auch für große Kapitalgesellschaften gleichermaßen interessant sein muss, sind begrüßenswert. Doch stellt sich hier die Frage nach der tatsächlichen Umsetzbarkeit an einer weiteren Stelle. Gerade in klein- und mittelständischen Betrieben ist nicht jeder Unternehmer willens seinen Mitarbeitern durch Kapitalbeteiligung auch mehr Mitentscheidungsrechte einzuräumen. Und einen Zwang zur Mitarbeiterbeteiligung soll es für Unternehmungen nicht geben. Es ist daher davon auszugehen, dass der Investivlohn wohl nur für eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern relevant sein wird - wenn er denn überhaupt realisiert werden kann.
Ich plädiere dafür, dass beim Thema Investivlohn weniger auf Nebenschauplätzen um Details gerungen wird, sondern vielmehr die dahinter stehenden Fragen diskutiert werden. Lohnpolitik, Altersvorsorge und Mitbestimmung sind dabei die genannten Stichworte, die uns weiter bringen. Die Diskussi-on um Investivlöhne ist wohl mehr Schein als Sein.

Wolfgang Jüttner ist Vorsitzender der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion und SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2008

aus: spw 153 v. 26. Januar 2007