Deutsch-israelisches Bündnis

in (04.09.2006)

Früher nahm der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont Veröffentlichungen über die Rolle seines Verlagshauses M.DuMont Schauberg (MDS) in der Nazi-Zeit widerspruchslos hin. Doch Ende Februar dieses

Jahres hielt er es plötzlich für angebracht, mit einer einstweiligen Verfügung gegen einen Artikel in der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) vorzugehen, der Kölner Internet-Zeitung, die ich den Ossietzky-Lesern kürzlich vorgestellt habe. Sie hatte sich unter dem Stichwort "Arisierung" mit diesem Thema beschäftigt. Nevens Reaktion, die mich überraschte, hat inzwischen eine ganz einfache Erklärung gefunden: Nachdem er die Mehrheitsanteile der Frankfurter Rundschau erworben hat, beteiligt er sich jetzt auch mit 25 Millionen Euro an dem israelischen Verlagshaus Schocken, in dem unter anderem HaÂ’aretz erscheint, die als liberal geltende drittgrößte Zeitung des Landes. Das deutsch-israelische Verleger-"Bündnis" war wohl schon im Winter eingefädelt worden, und das Wort "Arisierung" hätte schlecht zu der "gemeinsamen Wertebasis" gepaßt, von der Nevens israelischer Partner Amos Schocken spricht. Also darf und soll es keine "Arisierung" gewesen sein, was der Verlegerfamilie Neven DuMont in der Nazi-Zeit ehemals jüdischen Grundbesitz einbrachte - nach ihrer Darstellung "zum Verkehrswert". So hat das Kölner Landgericht entschieden, und daran wird sich die NRhZ halten müssen, bis die Berufungsinstanz vielleicht weniger den Argumenten Nevens als denen von Wissenschaftlern wie Professor Wolfgang Dreßen folgt.

"HaÂ’aretz hat ein Nazi-Problem" schrieb dieser Tage Yedioth Ahronoth, Isra-els größte Tageszeitung, und konnte sich dabei auf viele unbeanstandet in der NRhZ veröffentlichte Einzelheiten stützen. Die Kölnische Zeitung aus dem Hause MDS hatte schon am 1. Januar 1933 das "einseitig gegen die NSDAP gerichtete Verbot der SA und SS" beklagt und unter der Überschrift "Auf Hitler kommt es an" den Nazi-Führer aufgefordert, endlich "die positiven Kräfte seiner Bewegung in die Waagschale der praktischen Politik zu werfen". Kurt Neven, der Vater des jetzigen Verlagschefs, trat 1937, vor dem Erwerb des ehemals jüdischen Grundbesitzes, in die NSDAP ein und wurde im Sommer 1944 mit dem Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern ausgezeichnet, das auch Adolf Eichmann für seine "Verdienste" erhielt. Die Nazis waren mit der Kölnischen Zeitung so zufrieden, daß sie sogar die Frontsoldaten damit beliefern ließen.

Konnte der HaÂ’aretz-Verlag diese Tradition im Sinne haben, als er MDS als "Traditionsverlag" würdigte, mit dem man "grundlegende unternehmerische und publizistische Werte" teile? Zur Tradition gehören inzwischen auch die Jahrzehnte unter Alfred Nevens Regiment, zum Beispiel die Erfahrungen der Redakteurin Ulla Junk, der von der Verlagsleitung verboten wurde, in der Hauptausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers über die damals in Troisdorf in einem Betrieb des Flick-Konzerns bei der PVC-Herstellung an Krebs erkrankten und gestorbenen Arbeiter zu berichten. Dazu gehört auch die Kündigung des Redakteurs Hartmut Schergel, dem Neven nichts weiter vorwarf, als daß er einem Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben hatte, einen kritischen Bericht über den DuMont-Reisebuchverlag zu schreiben. Schergel hatte sich allerdings schon früher bei Neven unbeliebt gemacht. Zum einen war er als Gewerkschafter jahrelang mit großem Engagement im Betriebsrat für seine Kollegen eingetreten. Zum anderen war er einer von denen, die in einer Redakteursversammlung die Hand hoben, als sie vom vor ihnen stehenden Verleger gefragt wurden, wer denn mit mir noch zusammenarbeiten wolle. Der Grund für diese Abstimmung: Neven hatte mir wegen meiner Mitwirkung an einem Fernsehfilm über "innere Pressefreiheit", von der er nichts hält, fristlos gekündigt, und als ich nach Erfolgen in sämtlichen Instanzen am Ende auch beim Bundesarbeitsgericht Recht bekam, wollte er mich trotzdem nicht an meinen Arbeitsplatz zurückkehren lassen.

Keine guten Aussichten also für die Kollegen und Kolleginnen bei HaÂ’aretz, denen der Anbahner des "Bündnisses", der frühere israelische Botschafter Avi Primor, vor dem Vertragsabschluß von alledem vermutlich nichts mitgeteilt hat. Dafür darf er nun MDS im "Direktionsrat" von HaÂ’aretz vertreten, ähnlich wie Ex-"Superminister" Wolfgang Clement eine Bleibe im MDS-Aufsichtsrat fand, als die SPD-eigene Frankfurter Rundschau mit 50 Prozent plus eine Stimme im Portefolio des Aufsichtsratsvorsitzenden Alfred Neven landete.

Der aber müßte eigentlich die Frage beantworten, wie er sich in eine jüdische Zeitung einkaufen kann, ohne die Geschichte seiner Familie und seines Verlages aufgearbeitet zu haben. Nach Veröffentlichungen des Kölner Historikers Ingo Niebel hat er das zwar laut und deutlich versprochen, aber bis auf den Namen eines Wissenschaftlers, der sich angeblich darum kümmern soll, hat man davon nichts mehr gehört. Was für die Expansion von Daimler, Deutscher Bank und VW in die USA eine Grundbedingung war, müßte erst recht für die Expansion eines deutschen Medienkonzerns nach Israel gelten. Vielleicht hat aber der bestallte Historiker inzwischen festgestellt, daß sich die jahrzehntelange MDS-Geschichtsklitterung mit seinem Namen nicht fortführen läßt. Und so könnte HaÂ’aretz dem Kölner Ehrenbürger Neven nicht nur als Renditeobjekt, sondern auch als entnazifizierendes Feigenblatt dienen. Dafür legt man doch gern mal 25 Millionen Euro hin, vorausgesetzt, man besitzt das Vielfache. Schließlich: Kann ein deutsch-israelisches Medien-"Bündnis" nicht auch das allmählich Gestalt annehmende Militärbündnis festigen?