Anti-Lager-Action-Tour

Abschiebehaft abschaffen!

Das Bündnis "Alliance of Struggle" versucht konstant zur zentralen Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge zu arbeiten - Hunderte von TeilnehmerInnen unterstützten die "Anti-Lager action tour" 2004.

In Deutschland einmalig befindet sich in Eisenhüttenstadt die Zentrale Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge auf demselben Gelände wie die zentrale Abschiebehaftanstalt. Siedelt man dann noch den Sitz einer großen privaten Sicherheitsfirma (B.O.S.S.), die den Abschiebeknast "betreut", und eine Außenstelle des Bundesamtes für die Anerkennung von ausländischen Flüchtlingen darauf an, ergibt das den Inbegriff des deutschen Abschiebesystems.

Die Entscheidung in Eisenhüttenstadt Halt zu machen fiel nicht zufällig. Das ehemalige NVA-Gelände, auf dem sich heute die Erstaufnahmestelle und der Abschiebeknast Brandenburgs befinden, liegt abgeschottet am Rande der Stadt, umgeben von einigen Plattenbauten und Schrebergärten. Ein meterhoher, mit Stacheldraht gesicherter Zaun isoliert das Gelände komplett, welches in der Vergangenheit immer wieder Ziel rassistischer Angriffe wurde.
So kam es seit 1992 zu mehreren pogromartigen Brandschlägen und Überfällen auf Insassen. Lokale Gruppen, die antirassistische Arbeit leisten, gibt es nicht. Eine unabhängige Rechtsberatung ist in Eisenhüttenstadt weder in der Erstaufnahmestelle noch im Abschiebeknast vorhanden. Bemühungen von Seiten verschiedner Flüchtlingsgruppen Informationen auszulegen oder konkrete Angebote z.B. vom Deutschen Anwaltsverein (DAV) wurden mit der Begründung, dass kein Bedarf bestehe, vom brandenburgischen Innenministerium abgelehnt.

Im Jahr 2000 kritisierte das europäische Anti-Folter-Komitee neben der nicht vorhandenen unabhängigen Rechtsberatung vor allem die Zelle 2008 des Abschiebeknastes in Eisenhüttenstadt. Im Boden eingelassene Metallringe dienten offensichtlich dazu Häftlinge mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Boden zu fesseln. Nach Protesten wurden diese demontiert, doch wird die Zelle weiterhin zur Isolation von "unruhigen" Häftlingen genutzt, und in der "Beruhigungszelle" ist immer noch eine Fesselbett in Betrieb, auf dem Menschen mit dem Gurtsystem "Segufix" gefesselt werden.

Seit März 2001 wurden 19 Personen dort teilweise über 29 Stunden am Stück festgehalten. Wie willkürlich dies geschieht, sieht man daran, dass es keine klaren Richtlinien über Dauer und Gründe für Fesselungen gibt. Es scheint so, als dienen sie einzig und allein dazu die Inhaftierten zu demütigen und ihren Willen zu brechen. So ist es kein Wunder, dass immer wieder Berichte über Misshandlungen, unzureichende medizinische Versorgung und Selbstverstümmelungs- bzw. Suizidversuche nach draußen dringen.
Eine vietnamesische Frau verlor ihr Baby, weil sie trotz wochenlanger Blutungen nicht behandelt wurde, eine andere Frau versuchte sich durch die Einnahme von Haarpflege- und Desinfektionsmitteln selbst umzubringen. Gegen diese Zustände gilt es zu protestieren.

Das Bündnis "Alliance of Struggle" versucht seit dem Pfingstcamp 2003 von Berlin aus konstant zu Eisenhüttenstadt zu arbeiten. Aktionstage, Verhinderung von Abschiebungen, Recherchearbeit, regelmäßige Besuche im Abschiebeknast und der Aufbau einer kostenlosen und unabhängigen Rechtsberatung haben sie sich zur Aufgabe gemacht. Hunderte von TeilnehmerInnen stellten im Rahmen der Anti-Lager action tour ein bisher nie da gewesenes Potenzial an UnterstützerInnen gegen Abschiebung und Ausgrenzung.