Artikel in der ABS-Zeitung zum 1. Mai 2005
Vom anfänglichen Enthusiasmus der Unionsländer bei der Einführung von Studiengebühren ist nicht mehr viel zu spüren. Nur ein paar nichts sagende "Eckpunkte" sind seit dem Urteil des Verfassungsgerichts zusammen gekommen, über konkretere Pläne wird lieber geschwiegen. Dennoch: Spätestens nach der Bundestagswahl 2006 sollen Gebühren für ein Studium flächendeckend kommen. Ein weiterer Schritt hin zu einer Privatisierung von Lebenschancen und -risiken zeichnet sich deutlich ab.
Bis zum 26. Januar war die Einführung von Studiengebühren in Deutschland durch das bundesweite Hochschulrahmengesetz verboten. Doch dann kippten die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts das Verbot. Der Grund: Der Bund habe sich unzulässig in die Kompetenzen der Länder eingemischt. Doch das wahre Motiv der klagenden Länder war schon vor dem Urteil klar. Schnellstmöglich sollen Gebühren her. Seit dem Triumphgeheul der UnionspolitikerInnen in den Tagen nach dem Urteil hüllt man sich inzwischen in Schweigen. Zwar wurde Mitte März ein Eckpunktepapier vorgelegt. Dies enthielt indes wenig neues: 500 Euro pro Semester sollen es zunächst sein, wobei Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger schon vor einem Jahr eine mittelfristige Zielmarke von 2.500 Euro pro Jahr verkündete. Das Geld solle den Hochschulen zufließen. Was dabei nicht gesagt wird, ist, dass die Länder selbstverständlich in gleichem Umfang ihre Mittel kürzen können und dies - das zeigen alle Erfahrungen - mittelfristig auch tun werden. Das Modell der Union soll nun drittens auch den Anschein sozialer Ausgewogenheit erhalten. Die formelle soziale Absicherung über ein Kreditsystem scheint aber der Punkt zu sein, an dem sich die Gebührenfans derzeit die Zähne ausbeißen. Zwar legte die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ein Modell vor. Aber selbst mit den eigenen, optimistischen Berechnungen wird schnell klar, dass die Schulden immens sein können. Selbst bei 500 Euro Gebühren pro Semester kämen so bei einem normalen Studium rund 10.000 Euro Schulden zusammen, bei 2.500 Euro wären es bis zu 60.000 Euro. Für BAföG-EmpfängerInnen kämen zum derzeitigen Zeitpunkt noch mal 10.000 Euro BAföG-Schulden oben drauf. Die Rückzahlung der Schulden soll nach ersten Aussagen aus Baden-Württemberg bei einem Monatseinkommen von 1.000 Euro brutto liegen. Doch schon gehen die Vorschläge noch weiter und einzelne Politikerinnen und Politiker aus der Union fordern auch die Abschaffung des zumindest hälftig zuschussfinanzierten BAföG zugunsten eines vollen Kredits. Die derzeitigen durchschnittlichen Lebenshaltungskosten während eines Studiums - 45.000 Euro - kämen zu den Studiengebühren- Schulden noch hinzu. Kein Wunder also, dass die Länder angesichts eines dermaßen großen bildungsund sozialpolitischen Fiaskos lieber abwarten oder die Salami-Taktik wählen: In Bayern will man zunächst mit 200 Euro einsteigen - jedoch nicht vor dem Wintersemester 2006/2007, in Baden-Württemberg möchte man lieber zunächst die Landtagswahl Anfang 2006 abwarten, bis ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, auch in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, dem Saarland oder Hessen sollen die Gebühren nicht sofort eingeführt werden. Schließlich geht es schon jetzt um die Bundestagswahl 2006. Und da kann man sich negative Schlagzeilen nicht erlauben. Dann aber soll auch im Bildungsbereich die Privatisierung von Lebenschancen endgültig Prinzip werden. Und bei den Hochschulen keineswegs Halt machen: Schon jetzt wird in der bayerischen CSULandtagsfraktion mehr oder minder offen über Gebühren für die gymnasiale Oberstufe spekuliert.