Arbeitsmigration, Ausbeutung und schlechte Jobs im Europa der Krise
Der Internetversandhandel Amazon übt sich in Schadensbegrenzung. Nachdem Mitte Februar Berichte über die besondere Ausbeutung der dort über eine Leiharbeitsfirma beschäftigten WanderarbeiterInnen bekannt wurden, feuerte der Konzern die Sicherheitsfirma H.E.S.S., deren MitarbeiterInnen in einem Fernsehbeitrag Kontakte in die rechte Szene nachgesagt wurden. Die um ihren Ruf besorgte Sicherheitsfirma dementierte sofort. Anders ist es mit der ganz normalen Ausbeutung im Europa der Krise. So wird in dem TV-Beitrag berichtet, dass LeiharbeiterInnen aus Spanien, die im Amazon-Logistikzentrum Bad Hersfeld für das Weihnachtsgeschäft arbeiteten, in engen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht wurden. Dort sollen sie vom ins Gerede gekommenen Wachdienst rund um die Uhr kontrolliert worden sein. In der Erklärung der Sicherheitsfirma heißt es zum „Einsatz in Leiharbeitsunterkünften“: „Der Grund für die Beauftragung von uns als Sicherheitsfirma liegt darin, dass in der gleichzeitigen Unterbringung einer größeren Anzahl von Menschen, die sich untereinander nicht kennen, ein erhebliches Konfliktpotential liegt“.
Die Tatsache, dass im 21. Jahrhundert Lohnabhängige in engen Unterkünften zusammengepfercht leben müssen, wird nicht als gesellschaftlicher Skandal wahrgenommen. Solche Horrorvisionen hat der Liedermacher Franz Josef Degenhardt vor 30 Jahren als negative Vision über die kapitalistische Gesellschaft der Zukunft in einem Song dargestellt; „Für eine gute ARBEIT zieht er meilenweit“, heißt es dort in einer Zeile. Heute könnte man nicht nur am Beispiel Amazon sagen: Für einen miesen Leiharbeitsjob ziehen viele Menschen im Europa der Krise meilenweit.
Auch die Anwerbung von LeiharbeiterInnen aus ganz Europa ist eine Folge der von Deutschland wesentlich initiierten Sparprogramme. Sie führten zu einer massiven Rezension in den Ländern der europäischen Peripherie und zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Solche Zustände sind die Grundlage dafür, dass die Menschen unter fast jeden Umständen schuften und bereit sind, in engen Gemeinschaftsunterkünften, von einer Sicherheitsfirma mit oder ohne rechte Kontakte bewacht, ihre „Freizeit“ zu verbringen. Die Politik trägt kräftig dazu bei, indem sie dafür sorgt, dass erwerbslosen EU-BürgerInnen oft kein ALG2 gewährt wird. Allein in Berlin leben mittlerweile über 174.000 EU-BürgerInnen. Viele werden schlecht bezahlt, manche sogar überhaupt nicht. So haben sich zwei KollegInnen, die im Februar und März 2012 für die in Eimersleben (nahe Magdeburg) ansässige Messebaufirma „Messeshop“ gearbeitet haben, an die FAU-Berlin gewandt. Sie wurden als Selbstständige auf den in Berlin stattfindenden Messen „Fruit-Logistica“ und „ITB“ eingesetzt und warten bis heute auf ihre Bezahlung. Mit einer Online-Petition versucht die FAU Berlin den Druck auf die Firma zu erhöhen. Dort werden die sofortige Auszahlung der vorenthaltenen Löhne der beiden und die Umwandlung der Scheinselbstständigkeit in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse gefordert.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Direkten Aktion #216 - März / April 2013