Prostitution in Europa

Übersicht über die unterschiedliche gesetzliche Handhabung

Die Bandbreite reicht vom Versuch Prostitution abzuschaffen über Verbote der Art und Weise wie Prostitution ausgeübt wird bis zur Gleichstellung von Sexarbeit mit anderen Berufen.

Deutschland

Rudimentäre Anerkennung: Prostitution war bis 2002 zwar erlaubt, aber als ‚sittenwidrigÂ’ definiert. Zahlreiche Gesetze schufen eine Grauzone zwischen Illegalität und Kriminalität. Prostituierte konnten sich nicht kranken- und sozialversichern, ihre Einkommen waren aber steuerpflichtig. Die neue Regelung seit 2002 bedeutet für Prostituierte einen ersten Schritt der Anerkennung ihrer Tätigkeit und ihrer Rechte in sozialen und arbeitsrechtlichen Bereichen. Für MigrantInnen ohne legalen Aufenthaltstatus gilt das Gesetz nicht. Berlin und Rostock sind die einzigen Städte ohne Sperrbezirke. Dort haben sich viele Prostituierte in kleinen Wohnungsbordellen selbständig gemacht. Seit 2002 setzt sich die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di für Arbeitsrechte und soziale Besserstellung von SexarbeiterInnen ein.

Großbritannien

Regionale Unterschiede: England und Wales erwägen eine Null-Toleranz-Politik. Gleichzeitig gilt eine Wohnung nicht als Bordell, solange nur zwei Frauen dort arbeiten. In Großbritannien ist Prostitution legal, wird aber als ‚antisoziales VerhaltenÂ’ angesehen. Die Prostituierte muss selbstständig in ihrer eigenen Wohnung arbeiten und darf die ‚öffentliche OrdnungÂ’ nicht stören. Ihre rechtliche Position ist unklar. Der Verkauf von Sex ist keine Straftat, jedoch viele damit verbundene Aktivitäten: Ein Bordell zu führen, jemanden zur Prostitution anzuwerben und Werbung für sexuelle Dienstleistungen. In Irland ist jegliche Art von Prostitution verboten. Behörden gehen jedoch nicht gegen Prostitution in der eigenen Wohnung vor. Die International Union of Sex Workers wurde 2000 in London gegründet.

Norwegen

Seit 1984 sind Bordelle verboten. Wenig später wurden auch die Registrierungspflicht sowie medizinische Pflichtuntersuchungen aufgehoben. Es ist erlaubt sexuelle Dienstleistungen anzubieten oder zu kaufen. Verboten ist die Zuhälterei und das Dritter von der Prostitution profitieren. Die meisten SexarbeiterInnen arbeiten in eigenen Wohnungen und inserieren in Zeitschriften und im Internet. Straßenprostitution ist verbreitet und nimmt seit dem schwedischen Anti-Freier-Gesetz 1999 zu, da schwedische Freier in das Nachbarland reisen. Frauen- und Sozialverbände fordern seit 2000 verstärkt das ‚schwedische ModellÂ’. 2007 kündigte die Regierung einen Gesetzesentwurf nach schwedischem Vorbild an. Die Regelung soll zum 1. Januar 2008 in Kraft treten. PION, seit 1990 die Interessenvertretung der Prostituierten, kritisiert diese Regelung.

Österreich

Prostitution ist legal. Freier, Zuhälter und Vermittler von minderjährigen Prostituierten machen sich strafbar. Prostituierte müssen sich ärztlichen Untersuchungen unterziehen. Landesgesetze regeln die Registrierungspflicht, sowie zeitliche und örtliche Beschränkungen. Seit 1989 gilt Prostitution als ‚sittenwidriger VertragÂ’. Prostituierte können weder ihren Lohn einklagen noch in einem regulären Angestelltenverhältnis arbeiten. Als selbständige Erwerbstätige sind sie steuerpflichtig, Kranken- und Arbeitslosenversicherung müssen sie selbst regeln. Das 2006 eingeführte, restriktive Fremdengesetz schwächt die Position der migrantischen SexarbeiterInnen. Diese sind vorwiegend aus Osteuropa, da­runter viele Tagespendlerinnen aus der Slowakei. Beratungsstellen für SexarbeiterInnen gibt es in Wien (Sophie, Lefö) und Linz (Lena, Mainz).

Polen

Prostitution ist kein legaler Beruf, seine Ausübung ist für polnische StaatsbürgerInnen aber nicht strafbar. SexarbeiterInnen zahlen keine Steuern und sind nicht sozialversichert. Strafrechtlich verfolgt werden Zuhälterei und Kuppelei. Ausländische Sexarbeiterinnen können als ‚exotische TänzerinnenÂ’ legal arbeiten. Freier unterliegen keinen rechtlichen Regelungen. Es gibt eine wachsende Zahl männlicher Sexarbeiter, die stark tabuisiert sind. Das Sexgewerbe ist in Straßen, Bahnhöfen und Hotels sowie in offiziell als Agenturen angemeldeten Sexclubs organisiert. Auf der Straße anschaffende Sexarbeiterinnen mieten billige Zimmer an oder machen Haus- und Hotelbesuche. Die schwierigsten Arbeitsbedingungen haben an der Autobahn arbeitende Frauen. In Polen besteht kein Registrierungs- und Untersuchungszwang für SexarbeiterInnen.

Schweden

Weltweit einmalige Regelung: Sexuelle Dienstleistungen dürfen angeboten, aber nicht gekauft werden. Im Gegensatz zu anderen Ländern machen sich nur die KundInnen strafbar, nicht die Prostituierten. Freier können mit Geld- oder Haftstrafe belegt werden. Trotz hunderter Strafanzeigen kam es aber nur in 33 Fällen zu Gerichtsverhandlungen, die alle mit geringen Geldstrafen endeten. Der Straßenstrich ist seit der Verabschiedung des Gesetzes fast vollständig verschwunden. KritikerInnen verweisen darauf, dass sich die Prostitution nur verlagert habe und es zu einer Kriminalisierung durch die Hintertür gekommen sei. Die Prostitution wird in den Untergrund gedrängt und ist für die Frauen möglicherweise gefährlicher geworden, da sie leichter erpressbar sind und von Freiern schlechter behandelt werden. Es ist ein reger Sextourismus in die Nachbarländer entstanden.

Schweiz

Prostituierte können sich auf die Menschenwürde, die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot sowie den Vertrauensschutz berufen. Für ausländische Prostituierte gelten die Grundrechte nur eingeschränkt. Zur Ausübung der Prostitution muss eine/r SchweizerIn sein oder ein uneingeschränktes Aufenthalts- und Arbeitsrecht haben. Aufforderung und Begünstigung zur Prostitution sind verboten. Ein reguläres Angestelltenverhältnis ist nicht möglich. Sexarbeit ist als unabhängige Erwerbsmöglichkeit anerkannt und steuerpflichtig. Prostituierte können ihren Verdienst nicht einklagen. Eine weitere Einschränkung ist die Sperrgebietsverordnung. Bei Verstoß ist mit hohen Geldbußen zu rechnen. Es existiert ein landesweites Netzwerk zur Verteidigung der Rechte von SexarbeiterInnen ProKoRe (Prostitution Kollektiv Reflexion).

Spanien

Regionale Unterschiede: Prostitution ist weder illegal noch in be­stimmter Weise durch den Staat reguliert. Zwangs­prostitution wird strafrechtlich verfolgt. Im Baskenland und Katalonien sind Bordelle nicht erlaubt. Das Fehlen einer gesetz­lichen Regelung bedeutet für die SexarbeiterInnen, dass sie weder sozial anerkannt noch abgesichert sind. Sie zahlen keine Sozialabgaben und sind von Sozialleistungen ausgeschlossen. Viele Prostituierte kommen aus Osteuropa, Lateinamerika und vermehrt aus Afrika. Von Regierungsseite wird häufig eine Verbindung zu Menschenhandel und Zwangsprostitution hergestellt. Seit 1995 existiert in Spanien das Kollektiv Hetaira, welches sich für die Rechte der SexarbeiterInnen einsetzt. Die einzige Gewerkschaft, die sich für eine Legalisierung der Prostitution ausspricht, sind die Comisiones Obreras in Katalonien.

Quellen

ver.di, Wikipedia, eigene Recherche