Sich durchschlagen wie bisher

Der Kongo nach den Wahlen

Bis Weihnachten waren auch die letzten der 2.200 EUFOR-SoldatInnen aus der Demokratischen Republik Kongo nach Europa zurückgekehrt. Die Europäische Union kann mit Ablauf und Ergebnis der Wahlen ...

... zufrieden sein. Joseph Kabila ist nun demokratisch gewählter Präsident und weiß, was er den europäischen Mächten zu verdanken hat. So kündigt sich nach der kriegerischen Zerstörung des zentralafrikanischen Landes die nächste Runde im Poker um dessen profitträchtige Ressourcen an. Zur Ausbeutung von Rohstoffen wie Kupfer, Kobalt, Öl, Holz oder Wasserkraft gehört auf Grund der hierbei benötigten Logistik ein stabiles Investitionsklima mit verlässlichen staatlichen Garantien. Darin liegt für die großen Konzerne die Bedeutung des Wahlspektakels. Die Bevölkerung des Kongo verbindet damit allenfalls die Hoffnung, den Krieg vorläufig beendet und so bessere Bedingungen für das soziale und ökonomische Überleben zu haben. Das maßgeblich von der EU gestützte Unternehmen der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo konnte mit der Amtseinführung Kabilas zum "demokratisch" gewählten Präsidenten am 6. Dezember letzten Jahres in ihrem Sinne als erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden. Wie bei den vorherigen Interventionen, deren jeweilige Durchsetzung anfänglich nicht gesichert schien und letztlich doch gelang, waren auch die Prognosen für das 422 Millionen US-Dollar teure Wahlspektakel nicht besonders günstig.

Unterschiedliche Akzeptanz des "Demokratieprozesses"

Noch unerfreulicher schienen die Aussichten Ende August nach Veröffentlichung der Resultate des ersten Wahlgangs. Die Hoffnung, den Amtsinhaber Kabila danach zum neuen starken Präsidenten des Landes ausrufen zu können, erfüllte sich nicht. Der Wunschkandidat der EU, im Umgang mit den Begehrlichkeiten der großen Konzerne mittlerweile erfahren und reich geworden, blieb mit knapp 45% der für ihn abgegebenen Stimmen weit unter der benötigten absoluten Mehrheit. Mit dem zweitplatzierten J.P. Bemba trat ein Konkurrent ins Feld, der sich als Unternehmer über Erbschaften aus der Mobutu-Zeit in den Krieg eingekauft hatte und dann als Warlord agierte - bis man ihn 2003 zu einem der Vizepräsidenten Kabilas machte. So prägten in der Metropole Kinshasa die Milizen der beiden Kandidaten den Wahlkampf, während sie selbst aus Sicherheitsgründen kein einziges Mal öffentlich auftraten. Noch zu Beginn der heißen Phase im August 2006 hatte Kabilas Präsidialgarde die Residenz Bembas drei Tage lang von Panzereinheiten belagern und beschießen lassen. Den unliebsamen Konkurrenten brachten UNO-SoldatInnen in Sicherheit. 23 Personen verloren bei diesen Kämpfen ihr Leben. Später sorgten dann Auseinandersetzungen zwischen AnhängerInnen beider Lager für wachsende Spannung. Während der Amtsinhaber bei den BewohnerInnen der Hauptstadt geringe Sympathien genoss, besaß er militärisch zu jedem Zeitpunkt die besseren Karten. Die tausend Milizionäre des Herausforderers hätten, wie schon bei den Auseinandersetzungen im August deutlich geworden war, im Kampfeinsatz gegen die hochgerüstete, 5000-köpfige Elitearmee des Präsidenten keine Chance gehabt. Folgerichtig beließ es Bemba bei der juristischen Anfechtung, als die Wahlkommission Mitte November Kabila mit 58% der Stimmen zum Sieger des entscheidenden, zweiten Wahlgangs erklärte. Das befürchtete militärische Aufbegehren gegen den später auch vom obersten Gericht bestätigten alten und neuen Präsidenten fand nicht statt. Die kongolesische Bevölkerung brachte dem verordneten "Demokratisierungsprozess" nicht überall das gleiche Vertrauen entgegen. Der Westen des Landes und insbesondere die 8-Millionen-Metropole Kinshasa standen den damit verbundenen Versprechungen immer skeptisch gegenüber. Schon das mit einer landesweiten Zustimmung von 84% abgehaltene Referendum zur Verfassung vom Dezember 2005 wurde in der Hauptstadt von 48% der Befragten abgelehnt. (1) In den Wochen vor dem ersten Urnengang manifestierte sich diese Haltung in militanten Demonstrationen mit Boykottaufrufen und der Anprangerung der "neokolonialen Interessen" Europas. So wunderte es nicht, dass in den westlichen Provinzen bis zur Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimmabgabe in beiden Wahlgängen verweigerte. Ganz anders verhielten sich die Menschen in den Kriegsregionen des östlichen Kongo. Auch wenn Zweifel an einer an die 90% heranreichenden Wahlbeteiligung berechtigt sind, so deckt sich das Ergebnis in der Tendenz mit dem, was in den letzten Wochen aus diesem Teil des Kongos berichtet wurde. (taz, 13.11.06) An der Konfrontation mit der Tabula rasa des Krieges bemaß sich die Akzeptanz des Urnengangs und der Horror der dort erlebten Hölle wurde zu einem Indikator für die an die Wahlen gekoppelte Hoffnung auf Frieden. Für die meisten KongolesInnen gibt es indes Wichtigeres als den "Demokratisierungsprozess". 73% leiden landesweit Hunger, nur 22% haben Zugang zu Trinkwasser und nur 6% werden mit Strom versorgt. Die medizinische Versorgung ist fast überall zusammengebrochen. (taz, 30.11.06) In diesen Bereichen erwarten die BewohnerInnen des Kongo Verbesserungen. Sollte das nicht in absehbarer Zeit passieren, werden sie diese vermutlich auf der Straße einfordern. Das nämlich geschieht gerade massiv: Den aus den zahlreichen Milizenverbänden demobilisierten SoldatInnen waren für die Bereitschaft zur Rückkehr in das Zivilleben eine finanzielle Unterstützung von monatlich 25 US-Dollar oder materielle Eingliederungshilfen aus einem UNO-Fonds zugesagt worden. Weil die staatliche Eingliederungsbehörde CONADER diese Versprechen aus ungeklärten Gründen bisher nicht eingelöst hat, reagierten die Betroffenen letztes Jahr immer wieder mit landesweiten Demonstrationen und Angriffen auf lokale Büros der Eingliederungsbehörde. (Le Potentiel, 30.12.06) "Die Wahlen sind der entscheidende Meilenstein", sagt Ken Vaughan, Bergbaumanager der US-amerikanischen Minengesellschaft Phelps Dodge und weiß, wovon er redet. (Kölner Stadtanzeiger, 22.7.06) Erst mit einer verlässlichen Infrastruktur und stabilen staatlichen Garantien lohnt es sich, die verfallenen Kupfer- und Kobaltminen des kongolesischen Südwestens wieder ans Laufen zu bringen. Phelps Dodge sicherte sich im August 2005 für einen Schnäppchenpreis von 60 Millionen US-Dollar einen Anteil von 57,75% an dem Kupfer- und Kobaltbergwerk Tenke-Fungurume in der Provinz Katanga. Nun, nachdem sich Präsident Kabila und das Parlament mit dem Label "demokratisch gewählt" schmücken können, scheint die Zeit gekommen, in das Geschäft mit den profitablen Rohstoffen einzusteigen. Die internationalen Minengesellschaften veranschlagen Milliardensummen für die Wiederinbetriebnahme aller noch rentablen Zechen, Phelps Dodge rechnet für seine Mine mit notwendigen Investitionen von einigen hundert Millionen US-Dollar. Im Vergleich zu den erwarteten Renditen erweisen sich diese Summen jedoch als Peanuts. Allein für Tenke-Fungurume berechnet sich der Ausbeutungswert auf gut 21 Milliarden US-Dollar, die gesamten Kupfer- und Kobaltvorräte in der Republik Kongo werden bei den derzeitigen Rohstoffpreisen auf einen Marktwert von rund 600 Milliarden US-Dollar geschätzt. (junge Welt, 3.8.06) Ganz ähnlich sieht es mit den ebenso reichlich vorhandenen Ressourcen Uran, Öl, Holz oder Wasserkraft aus. Auch deren kommerzielle Nutzung ist auf gesicherte Rahmenbedingungen angewiesen und soll das Geschäft mit den leicht ausbeutbaren und unkontrolliert zu handelnden Kriegsrohstoffen wie Coltan oder Diamanten langfristig in den Hintergrund drängen. Natürlich dürfen bei dieser "Bonanza" (engl. "Goldgrube") auch deutsche Unternehmen nicht fehlen. So erhielt der Münchener Siemens-Konzern von der Weltbank den Auftrag, das Kraftwerk Inga mit seinen zwei Staumauern am Oberlauf des Kongo wieder in Stand zu setzen. Derzeit nutzt das Land, das über die drittgrößten Wasserkraftreserven weltweit verfügt, davon zwei Prozent. Insofern stellt das Projekt Inga mit dem projektierten Bau von zwei weiteren Dämmen eine Schlüsselinvestition für die verstärkte Nutzung von Wasserkraft dar. Auch wenn Pläne, über eine riesige Staumauer mit 52 Turbinen mal fast ganz Afrika mit Strom versorgen zu können, als Zukunftsmusik einzuordnen sind, hofft Siemens, durch seine Beteiligung an Inga Gewinne in hundertfacher Millionenhöhe einfahren zu können. (jW, 3.8.06)

Neue Strategie alter imperialistischer Konzepte

Ein anderes deutsches Unternehmen hat sich derweil einen Namen als größter Aufkäufer auf dem entstehenden kongolesischen Holzmarkt gemacht. Noch fehlen zwar Straßen, Eisenbahnverbindungen und Verladehäfen, trotzdem steht die Congolaise Industrielle des Bois an der Spitze von internationalen Konzessionären, die eine Fläche von der Größe Frankreichs zum Abholzen aufgekauft haben. (jW, 3.8.06) Mit dem von der Baker-Kommission bestätigten Scheitern der amerikanischen Irakpolitik scheint eins klar. Der Versuch, imperiale Interessen allein militärisch durchsetzen zu wollen, ist out. "State building" heißt die nun auch im Kongo angewandte, aktuelle Antwort auf die von "zerfallenen Staaten ausgehenden Gefahren", als die hauptsächlich benannt werden: Ausbildung von Restrukturierungsräumen für global operierende "terroristische Netzwerke", zunehmende Schattenglobalisierung mit informellen Arbeitsmärkten und mafiösen Handelsstrukturen sowie Ansteigen der Migrationsströme. "State building" bezieht sich auf den westlichen, mit dem kapitalistischen System verwobenen Staatsbegriff und umfasst vorrangig die Gewährleistung von "Sicherheit nach innen und außen", "demokratischer Rechtsstaatlichkeit" und "sozialer Wohlfahrt". Nach diesen Kriterien werden schwache Staaten beurteilt, und das sind zugleich die Standards, die diesen Staaten im Falle eigener Unfähigkeit "beigebracht" werden und sie vor der Auflösung bewahren sollen. Was sich in diesen von der Entwicklungspolitik mit geprägten Studien humanistisch anhört, ist in seinem Begründungszusammenhang genau das Gegenteil. Das von den Terroranschlägen des 11.9.2001 geprägte Konzept der "Statebuilder" beruht auf dem gleichen imperialen Interesse wie die Doktrin der "militärischen Stärke": das Funktionieren des globalen kapitalistischen Marktes zu gewährleisten, indem die imperiale Kontrolle über Waren-, Geld und Menschenströme gesichert bleibt. (2) So wird der "Demokratisierungsprozess" die Lebensrealität der meisten Menschen im Kongo kaum verändern. Möglicherweise werden einige wenige, wie im südwestlichen Minengürtel, von der Arbeit in eingegrenzten Produktionszonen profitieren. Andere werden, wie in den östlichen Provinzen, weiterhin mit bewaffneten Auseinandersetzungen konfrontiert sein, denn eine gänzliche Zerschlagung der dort noch immer aktiven Milizenverbände ist weder möglich noch unbedingt gewollt. Und die meisten werden sich, wie im Großraum Kinshasa, durchschlagen wie bisher. Denn auch die "Statebuilder" betrachten sie als Überschuss, deren Kämpfe um Beteiligung am weltweit produzierten Reichtum möglichst an Ort und Stelle zu "befrieden" sind. Izindaba, Ruhrgebiets-Internationalismus-Archiv Dortmund Anmerkungen: 1) Vgl. Dominic Johnson: Kongolesische Katastrophe, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 8/2006 2) Vgl. Ulrich Schneckener (Hrsg.): States at Risk - Zur Analyse fragiler Staatlichkeit, in: SWP-Studie 2004, S43, November 2004 aus: ak - analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 513/19.1.2007