Sprachlogik oder Staatsgewalt

Noch besser, als im Spiegel zu stehen, ist - dem Spiegel etwas zu gestehen. "Die Kultusminister wissen längst, daß die Rechtschreibreform falsch war", eröffnete die brandenburgische Wissenschaftsmi

Johanna Wanka jüngst den Reportern des Magazins, und zur näheren Erläuterung fügte sie hinzu: "Aus Gründen der Staatsräson ist sie nicht zurückgenommen worden."

Nun ist es mit der Vernünftigkeit der Wirklichkeit dieses Staates, anders als Hegel sich das idealiter vorstellte, nicht immer allzu weit her. Das muß hier allerdings nicht erörtert werden. Es genügt eine kurze Folgenabschätzung anhand der soeben fürs erste abgeschlossenen Arbeit des Rats für deutsche Rechtschreibung: Was bewirkt das Politikverständnis der Kultusminister für die deutsche Sprache und deren schriftliche Form?

Das Ergebnis läßt sich so zusammenfassen: Man schreibe mit Blick auf die Staatsgewalt auch weiterhin Trip, aber Tipp, stets Philosophie, aber entweder Orthografie oder Orthographie, Thuja, aber Tunfisch oder Thunfisch, Kuß, aber Löß oder Löß, eislaufen klein, aber Rad fahren groß, weiterkommen zusammen, aber näher kommen getrennt, Handbreit, aber Hand voll, zum Teil, aber zurzeit, die beiden, aber die Einzigen, Numerus clausus, aber Alma Mater.

Aus gut tun, leid tun, not tun machte die Reform gut tun, Leid tun, Not tun. Der Rat korrigiert nun zu gut tun, leidtun, nottun. Der Potsdamer Linguist Peter Eisenberg, der als Abgesandter der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an den Verhandlungen beteiligt war, nennt die Vorlagen, die Anfang März den Kultusministern unterbreitet werden, "einen substantiellen Kompromiß". Das ist merkwürdig genug. Vor allem aber verrät es die irrige Vorstellung, Sprache sei ein politischer Gegenstand wie jeder andere.