B2B or not to Be

Transnationale Unternehmensrestrukturierung im Zeitalter des Intra- und Internets

Auf die Krise des fordistischen Akkumulationsregimes reagieren Unternehmen mit einer forcierten Rationalisierung der Produktion und zahlreichen Entlassungen.

Um den tendenziellen Fall der Profitrate zu entgehen suchen Unternehmen nach Möglichkeiten der "permanenten Revolutionierung der technischen Basis" (Haug 1999: 99) durch Automation und neue Formen der Arbeitsorganisation, um durch die proportionale Reduzierung der lebendigen Arbeit Extraprofite aus dem technischen Fortschritt zu schlagen. Die Anpassung an schwankenden Bedarf aufgrund veränderter Nachfrageströme und die maximale Verwertung von Arbeit und Kapital erzwingen eine Flexibilisierung der inneren Produktionsstrukturen. Alle neuen Organisationsprinzipien in der Produktion laufen dabei letztlich auf Beschleunigung, auf die weitere Ökonomisierung der Zeit hinaus: just-in-time-Konzepte beispielsweise zielen auf die Optimierung des inner- und zwischenbetrieblichen Materialflusses. Durch Umkehrung des Materialflusses von der Endmontage zum Einkauf wird nicht mehr auf Vorrat produziert, sonder nur jene Teile gefertigt oder geordert, die tatsächlich gebraucht werden. Mittels des Einsatzes neuer Technologien in Richtung eines Computer Integrated Manufacturing soll jeder einzelne Arbeitsschritt flexibel in den perfekt abgepassten Materialfluss eingebaut werden und so der direkten Kontrolle durch ein integriertes Netzwerk dezentraler Computer unterworfen werden. Der Umbau des Produktionsprozesses bleibt dabei nicht auf das innere der Betriebe beschränkt. Die im Fordismus typische Form der vertikalen Integration der Produktion in großen unternehmerischen Einheiten, begründet durch die Suche nach steigenden Skalenerträgen wird, aufgrund wachsender Unsicherheiten durch krisenhaft bedingte Nachfrageschwankungen, verschärften Wettbewerb und eines beschleunigten technologischen Wandels, aufgegeben. Dem gegenüber wird versucht flexible industrielle Netzwerke mit kleineren, spezialisierten, selbständigen Einheiten auszubauen, um komparative Kostenvorteile auszunützen, eine neue Verbindung von economies of scope und economies of scale zu erreichen und Risiken zu dezentralisieren. Dabei werden zwei unterschiedliche, sich ergänzende Strategien verfolgt: einerseits die territorial desintegrierte - vertikale Dezentralisierung zur weitgehenden Reduktion der Produktionskosten, in welcher Produktionszusammenhänge so fragmentiert und global relokalisiert werden, dass die in den verschiedenen Regionen vorherrschenden Bedingungen im Sinne einer transnationalen Profitstrategie optimal ausgebeutet werden können; andererseits die territorial integrierte - horizontale Dezentralisierung zur Erzielung von Produktivitäts- und Innovationsvorsprüngen, durch Kooperation, Nutzung externer Ersparnisse und industrieller "Milieus" in sogenannten industrial districts. Innerhalb solcher Netzwerke werden die unterschiedlichen Produktionsphasen einzelner Komponenten synchronisiert. So können Lagerbestände reduziert, Umrüst- und Durchlaufzeiten verkürzt und somit die Umschlagszeit des Kapital beschleunigt werden. Die zeitgerechte Lieferung von Teilprodukten, auf den Tag genau, häufig auf die Stunde genau passend zum jeweiligen Materialbedarf der Produktionsschritte im Hauptunternehmen -- just-in-time -- ist dazu erforderlich. Derartige logistische Rationalisierungen und die Koordination dezentralisierter Produktionseinheiten sind nur durch eine informationstechnisch enge Verknüpfung von Haupt- und Zulieferbetrieben möglich, so dass eine veränderte Nachfrage unmittelbar in veränderte Anforderungen der Zulieferbetriebe umgerechnet werden kann. Die Produktion innerhalb der Betriebe wird computergestützt direkt mit den Produktionsabläufen der Zulieferer vernetzt. Die Systemintegration ist die Aufgabe von spezialisierten Firmen wie Lotus Notes, Oracle oder SAP, die für jede Firmengruppe individuelle Anwendersoftware entwickeln und die "interorganisatorische Vernetzung der Informationsketten entlang der Wertschöpfungskette" ermöglichen (Plehwe 2000, 9). In Zeiten von Fax und Telefon war dies immer problematisch und prekär. Das Internet, zumeist aber konzern-interne Intranets sind also die Voraussetzung für die jüngste transnationale Restrukturierung der Produktions- und Zuliefererstrukturen. Im Cyberspace lassen sich Informationen in "Echtzeit" nahezu simultan auf die andere Seite der Welt transferieren. Diese "Zeit-Raum-Kompression" (Harvey) baut Barrieren der Raumüberwindung ab, verringert die Bedeutung von Distanzen. Dadurch werden die Transaktionskosten dezentralisierter Produktionen um ein Vielfaches vermindert und globale Strategien erscheinen profitabel. Dabei besteht allerdings keine deterministische Wirkung technologischer Innovationen, sondern eine wechselseitige Beziehung zwischen der Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien und sozialen und organisatorischen Veränderungen im Bereich der Produktion.

Die durch das Internet ermöglichte räumliche Dezentralisierung ist allerdings durch die transportbedingten Grenzen materieller Güter begrenzt. Daher erlangen auch materielle Infrastrukturen immer größere Bedeutung. War die Erreichbarkeit einer Region früher in erster Linie eine Frage ihrer geographischen Lage (beispielsweise in Bezug auf Seehäfen), so ist heute dagegen die Qualität der Verkehrsanbindung und die Lage innerhalb der Verkehrs- und Kommunikationsnetze in einer dezentralisierten "Fast-in-time-Produktion" entscheidend. Die funktionell-räumliche Teilung der Produktion bringt auch erhöhte Mobilitätserfordernisse für die in den Konzernzentralen tätigen "Symbolanalytiker" (Reich 1993) mit sich, womit die zunehmende Relevanz einer Anbindung an internationale Flughäfen(kreuze) oder Schnellbahnnetze zu erklären ist (die für den Gütertransport eine nur untergeordnete Rolle spielen).

Die räumliche Distanz der Zulieferer hängt maßgeblich auch von der Komplexität der dort gefertigten Güter und deren Zentralität für den weiteren Produktionsprozess ab. Um so bedeutender jene Güter für die weitere Fertigung sind und um so höher der Stellenwert der Qualität, desto geringer wird die räumliche Distanz von seitens des Hauptunternehmen gewählt und desto geringer wird auch seine Dominanz innerhalb der vertikalen Quasi-Integration. Die Bedeutung der Qualität bei der Auswahl der Zuliefererunternehmen zeigt, dass es sich dabei keineswegs, wie angedeutet, um reine Distanzbeziehungen handelt. Vielmehr gehen Beurteilungen der Kosten einher mit der Bewertung des technologischen Standes des Zuliefererunternehmens sowie der Ausbildungsstandards der Arbeitskräfte einher. Im Zuge von just-in-time-Strategien besteht bei der Fertigung zentraler Güter auf hohem technologischem Niveau für die weitere Produktion jedoch ein höherer Bedarf an räumlicher Nähe als bei standardisierten Massenprodukten (z.B. Schrauben). Dies gilt natürlich nicht mehr für informationelle Produkte und Dienstleistungen, die via Internet binnen Sekunden von einem Teil der Erde in den anderen geschickt werden können. Dies wird besonders deutlich an der Auslagerung und globalen Streuung von ehemals produktionsinternen Funktionen wie Programmierung, Forschung und Entwicklung, Finanz- und Buchführung etc. als unternehmensorientierte Dienstleistungen (Hack 1998).

Dies verweist auf die komplexen Bezüge vertikaler globaler Dezentralisierung und lokal-globaler Netzwerkbildung. Nicht nur die Automobilindustrie beispielsweise, sondern gerade auch die neuen Informations- und Computerindustrien sind Vorreiter einer transregionalen und transnationalen Restrukturierung der Produktion (Lüthje 1998, 561f.). Beispielhaft dafür steht das Silicon Valley: als Prototyp der intraregionalen Netzwerk- und Clusterbildung ist es gleichzeitig das Zentrum globaler Produktionssysteme in denen Spitzenunternehmen wie Intel, Hwelett-Packard, Cisco und Sun Microsystems technologische Schlüsselstandards setzen und auf diese Weise eine strikte Kontrolle fragmentierter Produktionsprozesse (bei relativer Autonomie der jeweiligen Standorte) gewährleisten. Dabei handelt es sich allerdings um einen äußerst widersprüchlichen Prozess, da der aus dem Zwang zur Beherrschung der enormen Unsicherheiten und Risiken transnationalisierter Produktionen erwachsende Zentralismus der Produktionsplanung zugleich die oft proklamierte arbeitsorganisatorische Gestaltungsautonomie der einzelnen Produktionseinheiten vor Ort konterkariert (ebd., 574).

Mit der Fragmentierung der Produktion ist die Reproduktion unterschiedlich strukturierter, regionaler Arbeitsmärkte, die Durchsetzung neuer Formen der Arbeitsorganisation und -verhältnisse (vgl. Candeias 1999b bzw. 2000), sowie die permanent stattfindende Rekonfiguration von Technologienormen, Produktionsnetzen und Zuliefererbeziehungen verbunden. Die Dezentralisierung und Fragmentierung der Produktion wird zu einem Mechanismus, der gegen die Tendenz zur Stärkung der Arbeitermacht in großen, vertikal integrierten Unternehmen operiert. Der ständige Umbau der Beschäftigtenstrukturen sichert darüber hinaus die verbesserte Kontrolle der Arbeiterschaft und möglicher Gegenbewegungen, was sich an den immer wieder scheiternden Bemühungen zur Organisation der Beschäftigten in der Informationsindustrie zeigt. Die Transformation der Arbeitsbeziehungen ist also in einem betrieblichen oder nationalstaatlichen Rahmen nicht mehr zu verstehen, sondern nur noch als überbetrieblicher und transnationaler Restrukturierungsprozess.

Die Integration einer Vielzahl von kleinen und größeren Unternehmen sowie unterschiedlicher Standorte innerhalb eines globalen Netzwerkes erhöht allerdings die Komplexität des Produktionsprozesses und erfordert eine stärkere Koordination, so dass die territoriale Dezentralisierung der Produktion die Notwendigkeit zum Ausbau zentraler Kontrollstrukturen und damit verbundener spezialisierter Dienstleistungen hervorbringt. Jene notwendigen Kontrollkapazitäten werden eben erst durch den Einsatz des Internets bereitgestellt: eine Beschleunigung der Kommunikation, so McLuhan schon 1964, ermöglicht "zentralen Autoritäten" immer auch die Ausweitung ihrer Herrschaft auf weiter entfernte Räume, so dass transnationale Unternehmen nach wie vor den größten Teil der Endproduktion kontrollieren und die damit verbundenen Profite abschöpfen. Während der Produktionsprozess räumlich dezentralisiert wird, werden Direktions- und Kontrollkapazitäten in wenigen Städten räumlich zentralisiert. Die weit verbreitete Auffassung dass neue Technologien zur räumlichen Ausbreitung wirtschaftlicher Aktivitäten führen und somit zur Einebnung ökonomischer Disparitäten und räumlicher Hierarchien, beruht also auf der einseitigen Betrachtung der Fertigungsebene unter Ausblendung von Planung und Kontrolle der Produktion sowie anschließendem überregionalen oder gar weltweiten Vertrieb der Endprodukte. Dies gilt ebenso für die Produkte der Näherinnen in den Fabriken von Nike in Guatemala, wie für die der Programmierer im indischen Bangaloore.

Die scheinbar neu gewonnene Mobilität der Produktionsnetzwerke steht allerdings im Widerspruch zur wachsenden Abhängigkeit eines spatial fix (Harvey), der spezifischen Fähigkeit bestimmter städtischer Zentren zur Herstellung und Aufrechterhaltung von Organisations- und Managementstrukturen europäischer und globaler Produktionssysteme, sowie eines weltweiten Geld- und Kapitalmarktes. Diese Fähigkeit beruht auf regulativen, institutionellen und infrastrukturellen staatlichen Vorleistungen (Candeias 1999b, 77). Die Dezentralisierung der Produktion und die damit verbundene Notwendigkeit zur Koordination und Kontrolle der einzelnen Produktionsstandorte führt zur Expansion einer headquarter economy, welche auf hoch spezialisierte, spezifische produktionsorientierte Dienstleistungsfunktionen und eine Finanzierung über funktionsfähige internationale Kapitalmärkte angewiesen ist. Dieser unternehmensorientierte Dienstleistungssektor wiederum ist gebunden an Agglomerationseffekte, wie sie nur in den zentralen Stadtregionen der Welt zu finden sind -- ursächlich für die räumliche Zusammenballung von Direktions- und Kontrollkapazitäten. Diese Konzentration in wenigen metropolitanen Stadtzentren bei gleichzeitiger Dezentralisierung der Produktion führt zu einer Intensivierung der interregionalen Verflechtung im Bereich der Produktion und spezifischer Transfer- und Abhängigkeitsbeziehungen. Die Orte der Wertproduktion und der Wertrealisierung bzw. -aneignung fallen an diesem Punkt weiter auseinander. Das exponentielle Anwachsen der auf den Geld- und Kapitalmärkten angelegten Mittel führt darüber hinaus zur interregionalen Intensivierung monetärer Transferverflechtungen und damit verbundener Zinsforderungen. Die Entkopplung monetärer und realer Akkumulation (Hübner 1988, Altvater 1992, Candeias 1998), bewirkt, dass immer weniger die Wertschöpfung einer Region, eines Landes an sich von Bedeutung ist, sondern vielmehr ihr Potential zur Konzentration von Kapitalflüssen und somit zur Aneignung andernorts produzierten Mehrwertes. Die zunehmende Dominanz von Kapital- und Informationsflüssen im Cyberspace via Internet führt zur Nodalisierung des Raumes: "Im Netz wird das Zentrum von einem Knoten abgelöst" (Virilio 1993, 34). Allerdings ist diese Entwicklung nicht gleichbedeutend mit einer Auflösung der Hierarchien zwischen Zentren und Peripherien zugunsten einer horizontalen Verknüpfung der einzelnen Knotenpunkte im Netz. Entscheidend ist vielmehr die Position einer Region innerhalb des globalen Netzwerkes von Produktion, Geld- und Kapitalmärkten. Jene Orte, an denen besonders viele, qualitativ hochwertige Verbindungen des Netzes zusammentreffen, sich überschneiden, sind jene besonders priviligierten Knotenpunkte einer globalisierten Ökonomie, die heute als "World Citys" oder "Global Citys" bezeichnet werden (Friedman 1986; Sassen 1991). Die Form der Vernetzung legt, wie bei der Verknüpfung von Nervenzellen, die Richtung der Informationsübertragung fest (Rojas 1996) und begründet auf diese Weise eine neue hierarchische Form. Global Citys sind also in der Lage Informations- und Finanzströme auf sich zu konzentrieren und sind gleichzeitig Produktionszentren neuer, innovativer Finanzprodukte und Dienstleistungen.

Die zunehmende funktionale und räumliche Reichweite der Verflechtungen im globalen Netz -- sowohl auf Ebene der Finanzmärkte, wie auch im Bereich der Produktion -- führt zur Intensivierung ökonomischer Austauschbeziehungen und somit zur Entstehung eines transnationalen Städtesystems. Innerhalb dieses metropolitanen Netzwerkes konkurrieren die einzelnen Standorte um einen möglichst großen Anteil wirtschaftlicher Aktivitäten. Gleichzeitig sind sie aber innerhalb von interregionalen Prozessen funktionell arbeitsteilig miteinander verbunden. Die daraus entstehende Hierarchie der Räume erhält damit einen systemischen Charakter und bildet spezifische Transfer- und Abhängigkeitsbeziehungen aus.

Ein immer größerer Teil des gesellschaftlichen Surplus wird innerhalb computerisierter Netzwerke realisiert. Nicht nur die Global Citys des industrialisierten Nordens versuchen ihre Konkurrenzposition mittels des Ausbaus von Internet-Highways und Hochgeschwindigkeitsübertragung weiter zu verbessern. Die günstige Positionierung als "Hafen" im space of flows (Castells) ist auch für Hongkong oder Singapur von Bedeutung (Jessop/Sum 2000, Kieserling 2000). Beide Städte konkurrieren um die Funktion als regionale Drehscheibe für subcontracting management und Investitionsströme nach Südostasien, aber auch als Standort für Unternehmensdienstleistungen, Softwareentwicklung etc. So ist in Singapur mittlerweile jeder Haushalt, jede Universität, jedes Klassenzimmer mit einem Internetanschluss und PC ausgestattet. Ohne diese Form der Vernetzung hätte Singapur die Position einer Global City zweiter Ordnung wahrscheinlich nicht wahrnehmen können. Doch schon schickt sich auch Malaysia an im Wettbewerb um die besten Standorte der "New Economy" mit zu bieten. Die Retortenstadt "Cyberjaja" in der Nähe von Kuala Lumpur soll ein asiatisches Silicon Valley werden -- staatlich geplant. Als erstes wurde das Datennetz gebaut, eines der modernsten Glasfaserkabelnetze, dann die Strassen und Gebäude -- 67.000 miteinander vernetzte Gebäude (Wagner 2000, 151). Mit freiem Zugang zu hochqualifiziertem Personal aus Indien, Vietnam oder China, billigsten Mieten, niedrigsten Steuern und der Garantie zur "Repatriierung" der Profite konnte bereits eine Vielzahl internationaler Unternehmen von Siemens bis Oracle und Microsoft angelockt werden. Auch im prosperierenden Shanghai wird mit dem neuen Stadtviertel "Pudong" ein ähnliches Projekt verfolgt -- symbolisch repräsentiert durch das Jinmao-Hochhaus, das die Petronas Twin Towers in Kuala Lumpur als höchstes Gebäude der Welt ablösen soll.

Die globale Vernetzung von Global Cities1 bewirkt aber auch eine Herauslösung dieser Orte aus regionalen Zusammenhängen. Für Global Cities ist weniger ihre zentralörtliche Funktion für die umgebene Region von Bedeutung, als vielmehr eben jene Beziehungen zu anderen bedeutenden Metropolen und Finanzzentren. Ihre innere, transnational ausgerichtete ökonomische Struktur entwickelt sich weitgehend unabhängig von ihrem regionalem Umfeld.2 Die ökonomische Entkopplung aus regionalen Zusammenhängen bewirkt aber, dass sich das Wachstum einer Global City asymmetrisch zum Wachstum eines regionalen oder nationalen Raumes entwickelt. Die Folge ist eine Polarisierung der Raumhierarchie auf der Basis eines differenzierten und stärker akzentuierten Verhältnis von Zentren und Peripherien verbunden mit einem geographischen Werttransfer von den Peripherien in Richtung der Zentren.

II.

Die Restrukturierung der Unternehmensnetze, Zuliefererstrukturen und die Konzentration und Zentralisierung von Kontrollkapazitäten und Kapital erhält derzeit einen neuen Schub. Bisher war die Vernetzung von Unternehmen auf Betriebe mit gleicher Anwendersoftware begrenzt -- vom Zulieferer zur Zentrale und zurück. Durch die Weiterentwicklung des E-Commerce im Internet, vom business-to-consumer (B2C) Geschäft à la Amazon zum busines to business (B2B) wird die Flexibilität der Produktion weiter vorangetrieben. Oracle, i2Technologies oder SAP wenden sich von maßgeschneiderten Individuallösungen für Unternehmen ab und entwickeln universelle elektronische Marktplätze auf denen Anbieter und Abnehmer ihre Angebote platzieren können, ohne dass die gesamte Software eines Unternehmens an jene eines anderen angepasst werden muss -- die Einpassung von "Systemmodulen" ist ausreichend, in naher Zukunft sollen Internet-Verbindung und ein normaler Webbrowser genügen. Am weitesten fortgeschritten ist dieser Prozess für die Massengüter der chemischen Industrie: 1,6 Billionen Dollar pro Jahr werden bereits umgesetzt (Schröter 2000, 9). Multis wie BASF wollen schon 2002 die Hälfte ihres Einkaufs über das Internet abwickeln. Ford, General Motors, Daimler-Chrysler, Nissan und Renault bereits die Schaffung eines gemeinsamen Internet-Plattform mit dem Namen Covisint an: bestimmte Teilprodukte von Zulieferern können auf diese Weise sofort und direkt verglichen werden, Zulieferer im Preiskampf online gegeneinander ausgespielt werden. Durch die hierarchisch strukturierten Beziehungen zwischen Abnehmern und Zulieferern in vertikal dezentralisierte Produktionsnetzwerke der Großunternehmen entstanden bisher Abhängigkeitsverhältnisse, ohne dass eine juristische oder finanzielle Verflechtung zwischen den Unternehmen bestand. Ein bedeutender Teil dieser KMU stand als Zulieferer in unmittelbarer Abhängigkeit von marktbeherrschenden Konzernen. Die neuen Formen der Warenbeschaffung über das Internet, die Transparenz des Angebotes und die Bündelung3 der Einkaufsmacht der Konzerne verstärken den Druck auf die Kleinen und verringern gleichzeitig direkte Abhängigkeiten durch den breiten Zugang zu Abnehmern. Die Unternehmensbeziehungen werden flexibler, nicht nur im Bereich der Massengüter - die Modularisierung einzelner Produktionsstufen und Baugruppen ermöglicht auf eine Diversifizierung im Bereich qualitativ hochwertiger "Systemlieferanten".4 Tatsächlich hat dies für die Zulieferer jedoch kaum Vorteile, die Konkurrenz verschärft sich. Sogenannte reverse auctions, bei denen sich die Zulieferer gegenseitig unterbieten, helfen den Konzernen Milliardenbeträge einsparen. Dies erlaubt letzteren Lieferverträge zu einem Preis abzuschließen, der immer größere Teile des von den Zulieferern produzierten Mehrwerts zum Großunternehmen transferiert. Die Konkurrenten Toyota, VW und BMW ziehen mit eigenen Plattformen nach. Größere Zulieferer wie Delphi, Bosch oder Continental planen im Gegenzug eigene Plattformen, um ihrerseits ihr Beschaffungswesen zu rationalisieren. Ohne Prophet sein zu müssen, wird deutlich, dass Kostendruck und Konkurrenz bei Zulieferern sich auf Löhne und Arbeitsbedingungen auswirken werden. Doch die Softwareentwickler Oracle und Commerce One planen bereits über die Beschaffung von Teilen und Material über Kataloge und Auktionen hinaus. Auch Produktentwicklung, Finanz- und Logistikdienstleistungen sollen über die Internetplattformen vertrieben werden. Die Entwicklung erstreckt sich auf alle Branchen, von der Computerindustrie bis zu den Banken. Der Gesamtumsatz der elektronischen Marktplätze soll allein in den USA bis 2004 auf 2,7 Billionen Dollar steigen.

Der Kampf um die Marktführerschaft für Marktplatzlösungen ist voll entbrannt. Bislang tummeln sich noch viele kleine Unternehmen im Geschäft mit der B2B-Software. Der Konzentrationsdruck führt aber schon jetzt zu strategischen Allianzen der global players, von SAP, Intel und Commerce One auf der einen und Ariba, IBM und i2Technologies auf der anderen Seite. Firmen wie Oracle, IBM und SAP kaufen fleißig kleinere e-commerce-Firmen auf und auch Microsoft, AOL und Yahoo wollen sich dieses Geschäft nicht entgehen lassen. Komplementär zum "Outsourcing" der produzierenden Unternehmen findet eine Entwicklung des "Insourcing" (Plehwe, 18) bei Software-Firmen statt: sie übernehmen als "neuartige Vernetzungsunternehmen" (ebd., 13) nicht nur die innerbetriebliche Vernetzung der Produktion, sondern vermitteln und steuern auch die außerbetriebliche mit Zulieferern, den Vertrieb der Produkte und den direkten Verkauf an den Endabnehmer via Internet. Darüber hinaus dehnt sich ihr Wirken auch auf den Bereich der Transportlogistik aus, die ebenfalls immer stärker über das Netz gesteuert wird. Strategische Allianzen mit Logistik Konzernen wie FedEx (mit Hewlett-Packard), UPS oder der Deutschen Post (mit Yahoo) schließen die letzte Lücke entlang der Wertschöpfungskette. Es deutet sich eine innerkapitalistische Verschiebung der Machtverhältnisse an: im Zuge der Reorganisation des gesamten Produktionsablaufs vom Einkauf bis zum Absatz mittels computergesteuerter Vernetzung durch die neuen "Supply Chain Master", werden letztere sich "keineswegs mit einem marginalen Anteil an der Verteilung der Wertschöpfung zufrieden [geben]. Sie streben... eine strategisch zentrale Rolle bei der Steuerung von Unternehmensnetzwerken an" (ebd., 22). V.a. kleine Unternehmen werden sich der neuen Marktmacht der Vernetzungsunternehmen nicht entziehen können: wer nicht gerade für einen kleinen lokalen Markt produziert, wird seinen Vertrieb zukünftig stärker über das Internet abwickeln müssen -- 2B2 or not to be.

Literatur

Altvater, Elmar, 1992: Die Zukunft des Marktes, Münster

Berlecon Research, 2000: "B2B-Marktplätze in Deutschland", www.berlecon.de/studien/b2b2

Candeias, Mario, 1998: "Von der Krise des Fordismus zu monetären Instabilitäten auf den Weltfinanzmärkten", in: Initial Heft 6/1998, 9. Jg., 83-98

ders., 1999a: "Raum und Zeit in der Gesellschaft", in: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung 39, September 1999, 10. Jg., 174-190

ders., 1999b: "Regimewettbewerb. Die Neuordnung des Verhältnisses von Zentren und Peripherien", in: Initial Heft 4-5/1999, 10. Jg., 68-84

ders., 2000: Die Politische Ökonomie der USA an der Wende zum 21. Jahrhundert, Berlin

Castells, Manuel, 1996: The Rise of The Network Society, Oxford

Friedman, John, 1986: "The World City Hypotheses", in: Development and Change, Nr. 1/1986, 17. Jg.

Golub, Philip S., 2000: Shanghai -- Chinas globale Stadt, in: Le Monde Diplomatique vom 11. August 2000

Hack, Lothar, 1998: "Industrielle Forschungs- und Entwicklungsorganisation", in: Prokla 113, 28. Jg., Heft 4/98, S.

Harvey, David, 1985: The Urbanization of Capital, Baltimore

Haug, Wolfgang-Fritz, 1999: "Kapitalistische Krise und Kritik der politischen Ökonomie heute", in: Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 8/1999, 5. Jg., 97-101

Hübner, Kurt, 1988: "Flexibilisierung und Verselbständigung des monetären Weltmarktes, in: Prokla 71, 18. Jg., 49-65

Jessop, Bob und Ngai-Ling Sum, 2000: An Entrepreneurial City in Action. Hong Kong's Emerging Strategies in and for (Inter-)Urban Competition, Manuskript

Kieserling, Manfred, 2000: Globalisierung und Local State auf dem Prüfstand. Das Beispiel Singapur, Manuskript

Lüthje, Boy, 1998: "Vernetzte Produktion und post-fordistische Reproduktion", in: Prokla 113, 28. Jg., Heft 4/98, S.

Plehwe, Dieter, 2000: Neue Multis als transnationale Vernetzungsunternehmen, Manuskript

Reich, Robert, 1993: Die neue Weltwirtschaft, Frankfurt/Main

Rojas, Raul, 1996: Theorie der neuronalen Netze, Berlin

Sassen, Saskia, 1991: The Global City, Princeton, New Jersey

Schröter, Hans Georg, 2000: "Konkurrierende Konzerne knüpfen im Internet gemeinsam virtuelle Einkaufsnetze", in: FR Nr. 139, 17. Juni 2000, 9

Virilio, Paul, 1993: Revolutionen der Geschwindigkeit, Berlin

Wagner, Wieland, 2000: "Die Vision des Dr. M", in: Der Spiegel Nr. 33, 14.8.2000, 150-153

Anmerkungen

1 Die internen Polarisierung im städtischen Raum einer Global City können hier nicht behandelt werden, dazu vgl. die Arbeiten von Hartmut Häußermann/Walter Siebel und Saskia Sassen zu New York, von Edward Soja, Neil Smith, Mike Davis und Roger Keil zu Los Angeles, von H. Hitz u.a. zu Frankfurt und Zürich etc.; für Hongkong, Singapur und Shanghai vgl. die zitierten Texte.

2 Diese Entkopplung kann allerdings nur auf die ökonomische Sphäre der Verwertung des Kapitals bezogen werden. Als ökologische Ausgleichsräume beispielsweise bleiben die sie umgebenden Räume (als Erholungsraum oder zur Entsorgung von Abfallstoffen und Emissionen) nach wie vor von entscheidender Bedeutung. Nicht nur ökologische Lasten, auch nicht mehr benötigte Arbeitsmigranten werden mit repressiven Maßnahmen wieder in das Umland, bzw. in ihre Herkunftsländer abgeschoben.

3 Die Bündelung der Marktmacht beispielsweise im Handel führt dazu, dass mehrere Kartellämter, u.a. das amerikanische und das deutsche, Internetplattformen wie GlobalNetXChange (Metro, Carrefour, Sears, Sainsbury´s u.a.) oder eben Covisint unter Beobachtung stellen. >Kartell bleibt Kartell, auch wenn es im Internet vereinbart wirdBaukastensysteme