Der 28. Januar 2005 war ein schwarzer Tag für die Traditionalisten in der Bundeswehr. Denn nach kaum sieben Jahren hatte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck sich dazu aufgerafft, dem
Bundestagsbeschluß vom 24. April 1998 Genüge zu tun, nämlich "dafür Sorge zu tragen, daß Mitgliedern der Legion Condor in Deutschland nicht weiter ehrendes Gedenken zuteil wird."
Prominentestes Opfer der ministeriell verfügten "damnatio memoriae" wurde die Jagdfliegerkultfigur Oberst Werner Mölders, einst "Popstar der Nazi-Propaganda" (Michael Stürmer). Von gleich zwei Diktatoren, Generalissimus Franco und Adolf Hitler, hatte sich Mölders höchste Auszeichnungen für seine herausragenden Leistungen als Handwerker des Krieges um den Hals hängen lassen. Die "Entnamung" des nach ihm benannten, im bayerischen Neuburg beheimateten Luftwaffenjagdgeschwaders 74 versetzte Mölders-Verehrer in Aufruhr. Ehemalige Luftwaffengeneräle rotteten sich zusammen, um sich gemeinsam über die Absetzung ihres vergötzten Kriegshelden zu empören, und schalteten in der FAZ sündhaft teure Ehrenanzeigen für den Auftragskiller der beiden Diktatoren.
Bis zum heutigen Tage ist das Wutgeheul nicht verklungen. Jüngstes Beispiel: ein "Gastkommentar" des längst außer Dienst gestellten Generalleutnants Siegfried F. Storbeck im Leib- und Magenblatt des nationalkonservativ gesonnenen Offizierkorps der Bundeswehr, der Tageszeitung Die Welt. Der Autor diente in den Jahren 1986/87 immerhin als Chef des Führungsstabes der Streitkräfte und stieg danach zum Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr auf, gehörte also zur Führungsspitze der bewaffneten Macht im Lande.
Das "positive Bild" der Bundeswehr im Jubiläumsjahr werde "getrübt durch ihren Umgang mit der Tradition", beschwert sich der General in seiner Suada wider den Zeitgeist. Wo er Recht hat, hat er Recht, wurde doch die Bundeswehr von eben jenen militärischen Erfüllungsgehilfen installiert, die soeben noch dem GröFaZ bei dem "ungeheuerlichsten Eroberungs-, Vernichtungs- und Versklavungskrieg der jüngeren Geschichte" (Ernst Nolte) willig zur Hand gegangen waren. Gleichwohl jammert Storbeck idiosynkratisch daher, daß "vorbildliche Soldaten der Wehrmacht", aus deren Reihen die Aufbaugeneration der Bundeswehr rekrutiert wurde, "sich öffentlich auf einer militärgeschichtlichen Tagung 2005 als ›karriereorientierte Gewalttechnokraten mit opportunistischer Grundhaltung‹ diffamieren lassen [mußten]". Seiner über jeden Zweifel erhabenen Einschätzung zufolge "leiteten sich die Erklärungen zu den abwertenden Entscheidungen über vorbildliche Soldaten der Wehrmacht politisch, in einzelnen öffentlichen Diskussionsbeiträgen ideologisch ab und sind militärgeschichtlich nicht immer nachvollziehbar". Indes scheint Storbecks Aufmerksamkeit entgangen zu sein, daß nahezu ungehindert durch die von Beginn an geradezu fanatisch bekämpfte, weil durch den Grafen Baudissin wahrlich revolutionär angelegte Neukonzeption des deutschen Militärs der Geist der alten in die neue Wehrmacht floß. Dies stellt den unübersehbaren und zugleich irreversiblen Geburtsmakel der Bundeswehr dar. Der Goldbetreßte außer Diensten freilich meint monieren zu müssen, daß "einzelne jüngere Stabsoffiziere und Militärhistoriker in dieser Debatte nicht nur Mangel an Stil bewiesen" - womit er eben diejenigen "einzelnen jüngeren Stabsoffiziere und Militärhistoriker" diffamiert, die die Fackel baudissinscher Aufklärung durch die Reihen der Fleckgetarnten tragen. Entlarvend und zugleich idealtypisch für die reaktionäre Gesinnung, mit der Traditionalisten vom Schlage Storbecks gemeinhin hausieren zu gehen pflegen, ist sein Petitum, "die geistige Haltung und das damit verbundene historisch erprobte soldatische Wertebewußtsein des Offizier- und Unteroffizierkorps nicht einem kurzatmigen Zeitgeist zu überlassen".
Fragt sich nur, wo das so pathetisch beschworene soldatische Wertebewußtsein im Jahr 2003 abgeblieben war, als die Bundesregierung der deutschen Generalität befohlen hatte, mit der Bundeswehr das angloamerikanische "Völkerrechtsverbrechen" (so der Hamburger Rechtsphilosoph Professor Reinhard Merkel) im Irak zu unterstützen. Denn wie hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Jahrhunderturteil vom 21. Juni 2005 konstatiert: "Die Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt." Daß die Generalität aufgrund intellektueller Insuffizienz nicht hatte erkennen können, was da vor sich ging, wird man mit Fug und Recht ausschließen dürfen. Denn immerhin hatte sich bereits ein in der Etappe befindlicher einfacher Bundeswehrmajor als fähig erwiesen, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, wie die Leipziger Bundesrichter ihm schlagend bestätigten. Da Dummheit ergo auszuschließen ist, bleibt nur noch die zweite Alternative zur Erklärung - und die lautet: Opportunismus, Feigheit, Skrupellosigkeit. Mit einem Satz: Die militärische Führung der Bundeswehr hat auf Anordnung der Bundesregierung willfährig und vorbehaltlos schweren Völkerrechts- und zugleich Verfassungsbruch begangen, indem sie mit Tausenden von Soldaten dem Imperium Americanum Beihilfe zu einem eindeutigen Aggressionskrieg leistete. Ein Akt politischer Kriminalität!
Der Skandal besteht indes darin, daß sich die militärischen Handlanger des Völkerrechtverbrechens nach wie vor in Amt und Würden befinden und auch kein einziger der politisch Verantwortlichen bislang zur Rechenschaft gezogen wurde. Hätte die deutsche Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewußtsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkraftinspekteuren sich geweigert, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Ordres der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten - ganz so wie dies, leider als einziger in der gesamten Armee, der Bundeswehrmajor Florian Paff vorbildhaft demonstriert hat. So wie die Dinge derzeit liegen, läßt sich freilich nur eines fordern, nämlich die Goldbesternten dorthin zu befördern, wo Storbeck sich bereits befindet: ab ins Lodenmantelgeschwader.
Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag - wie in dieser Zeitschrift üblich - nur seine persönlichen Auffassungen.