Bentley der Politikpalette

Außenpolitik im Wahlkampf

in (08.07.2009)

Die Kriegsabsage Gerhard Schröders vom Goslarer Marktplatz ist noch in bester Erinnerung als seltenes und zugleich stilistisch überraschendes Beispiel außenpolitischer Positionierungin Wahlkämpfen. Im Normalfall werden diese Themen von Wahlstrategen nicht zu breit kommunizierten Botschaften ans Wahlvolk gemacht. Zu sehr sind die Bürger letztlich doch mit dem Naheliegenden beschäftigt, mit ihrer Steuersituation, Umweltthemen, Sozialtransfers oder der Hoffnung auf Arbeitsplätze. Wenn die PDS zur Profilierung als Oppositionspartei
das Thema zu wuchten versuchte, wie seinerzeit im Gefolge des Kosovokrieges, so schien dies eher als innerer Parteikitt und auf engere Wählerspektren zu wirken. Mit der rot-grünen Beteiligung am völkerrechtlich schon damals stark umstrittenen NATO-Krieg in Jugoslawien existierte allerdings faktisch keine breit mobilisierungsfähige Friedensbewegung mehr.

Goslar scheint also eine Ausnahme gewesen zu sein. Gleichwohl können die Ostpolitik Willy Brandts aus der Geschichte oder auch Obamas angekündigter Kurswechsel weg von Bushs Rambo-Außenpolitik und Irakkrieg als Beispiele relevanter außenpolitischer Wahlkampfdiskurse gesehen werden. Mit der aktuellen Wirtschaftsund Finanzkrise ist jedoch keine Situation zu erwarten, in der ausgedehnte außenpolitische Diskurse den Wahlkampf prägen. Daran wird auch Lafontaines permanente Rhetorik von völkerrechtswidrigen
Kriegseinsätzen und die Forderung zum sofortigen Bundeswehrabzug aus Afghanistan wenig ändern können. Bestenfalls dürfte die Frage der Regulierung der Finanzmärkte als internationales Politikthema eine Randrolle bei der Debatte über die weitere Gestaltung des Kapitalismus und der sozialen Marktwirtschaft einnehmen, wenn es um Konjunkturpakete, Rettungsschirme, Steuerpolitik und die Kostenverteilung für die Krisenfolgen geht.

Interessant ist jedoch ein Element der Debatten zu Koalitionsoptionen. Es wäre an sich nicht fernliegend, in der Zeit der Krise und des scheinbaren Niedergangs des neoliberalen Mainstream Chancen für ein Mitte-linkes Regierungsprojekt zu sehen. Im Angesicht der
niedrigen SPD-Umfragewerte und der Veränderungen des Parteiensystems sind zudem Dreierkonstellationen als Alternative zur Großen Koalition wahrscheinlich. Gleichwohl ist es Konservativen, Liberalen und auch der SPD-Rechten gelungen, ein gesellschaftliches
Mitte-links-Bündnis in rot-rot-grüner Fassung zu verhindern. Das älteste und stärkste Argument ist dabei die Außen- und Sicherheitspolitik der LINKEN. Sehen wir einmal davon ab, dass es auch andere Gründe zum Beispiel in Finanzfragen und natürlich in der unmittelbareren Konkurrenzsituation zur SPD gibt. Und sehen wir auch davon ab, dass nach Hessen offenbar ist, dass eine Mehrheit der SPD sich eher eine erneute Große Koalition als eine Koalition des sozialökologischen Umbaus vorstellen kann. Es bleiben Fragen an die linke Außen-, Sicherheits- und Europapolitik. DIE LINKE scheint sich mit ihrem zuweilen populären bis populistischen Stil und damit vor allem undifferenzierten und radikal fordernden Positionen war stolz als vermeintlich einzige Friedenspartei zu präsentieren, faktisch isoliert sie sich damit und hat Kompromisse nahezu ausgeschlossen. Sie liegen bestenfalls im Nichtgeschriebenen (keine NATO-Auflösung im Wahlprogrammentwurf), im Nebeneinander
unterschiedlicher Ansätze (Rolle der UNO) oder in der Interpretationsfähigkeit
verbalradikaler Sätze gegen Kriegseinsätze (Was ist dann mit „Sicherheitspräsenzen“?).

Wenn hier Hintertürchen versteckt sind, dann wirken sie nach innen und außen nicht seriös.
Es mangelt – offenbar von einigen Strömungen ganz bewusst gesetzt - an Anschluss- fähigkeit und Kompromisswillen. Und es mangelt an Solidität. Dabei bleibt paradox: Wähler wählen eine Partei in der Tat kaum wegen ihrer Außenpolitik. Sie sehen aber in der dortigen
Positionierung, ob eine Partei ein umfassendes Politikangebot hat, ob sie solide ist. Es ist der Bentley der Angebotspalette, den nur zu haben lohnt um des angemessenen Gesamteindrucks willen. Es muss allen Parteien erlaubt sein, ihre ureigenen und nicht
schon Kompromisspositionen in Wahlprogramme zu schreiben.

ber wenn DIE LINKE außenpolitisch ernst genommen werden und dem Vorwurf ihrer außenpolitischen Kooperationsunfähigkeit begegnen will, wird sie nicht umhinkommen, im
Wahlprogramm, einem Beschluss oder in anderer geeigneter Weise deutlich zu machen, dass sie die Geltung von Verträgen anerkennt und die gewollten Richtungsänderungen Ziele sind,
die nur schrittweise und in Kompromissen umsetzbar sind. Bei der Vielzahl der Akteure sind gerade in der Außen- und Europapolitik dicke Bretter zu bohren. Und vor allem muss immer aus Bestehendem Neues entwickelt werden und auch Unvollkommenes - wie viele EU-Entwicklungen – muss hingenommen werden, wenn es wenigstens in die richtige Richtung geht.