Carl Zeiss, Jenoptik und Multicar rüsten Bundeswehr und US-Militär aus
Die im September letzten Jahres gegründete Jenoptik Laser Display Technologie GmbH, die mit 36 Mitarbeitern, als Tochterunternehmen im Jenoptik-Konzernbereich Photonics, in Gera Laserprojektionssysteme produziert, rüstet die US-Streitkräfte zum Training ihrer Kriegseinsätze aus. Ein Auftrag für Flugsimulationsgerät des USA-Militärs wurde Ende November in Thüringen bekannt: Die New Yorker Firma L-3 Communications Corporation (LLL) hat zwei Systeme mit jeweils sieben Laserprojektoren bestellt. LLL ist führender Lieferant von Aufklärungstechnik für das USA-Verteidigungsministerium, die nach dem 11. September 2001 gegründete Überwachungsbehörde Department of Homeland Security sowie diverse US-Geheimdienste. Die Jenoptik teilte mit, ihre Technik werde in zwei F18-Flugsimulatoren eingesetzt; die Auslieferung der beiden Systeme sei im zweiten Halbjahr 2003 erfolgt. Über die Auftragssumme machte das Unternehmen keine Angaben.
Jenoptik hat über diesen ersten Auftrag hinaus einen langfristigen Kooperationsvertrag mit LLL abgeschlossen, um weitere US-Rüstungsprojekte anzugehen. LLL-Sprecherin Cynthia Swain teilte am 17. November mit, man habe einen 34-Millionen-Dollar-Auftrag für neue und das Überarbeiten alter F18-Trainingssysteme der US-Navy erhalten, den man mit Jenoptik abarbeiten wolle. Es gehe darum sich an neue Bedingungen und Ausrüstungen dieses Kampfflugzeugs anzupassen, ergänzte Gary Nesta, Vizepräsident der Sparte Simulation und Training. Bereits 1986 setzten die USA F18-Maschinen gegen Libyen im Streit um die Hoheit im Mittelmeer ein. Bei den US-Marine Corps bildet die F18 das Rückgrat der Kampflugzeuge. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler von der Berliner Humboldt-Universität, derzeit gefragter Politikberater bei Militärs, erläutert, daß „hochmoderne Satellitenaufklärung, Smart Bombs, F16, F18 und dererlei mehr“ zentrale Elemente der neuen, asymmetrischen Kriegsführung seien, die man auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak beobachten kann.
Im US-amerikanischen Lemoore (Kalifornien), wo die F18-Navy-Staffel VFA-22 auf den Namen „Fighting Redcocks“ hört (und wo auch Schweizer Piloten zur Ausbildung weilen), stehen die beiden Thüringer Simulatoren mit jeweils einem Durchmesser von zwölf Metern. Rot-Grün-Blau-Laser projiziert bewegte Bilder in höchster Qualität und Farbbrillianz auf unterschiedlichste Flächen. Mit der neuen Flugsimulatortechnologie können Situationen realistischer als bisher simuliert werden, um ein Training der Piloten auf höchstem Niveau zu gewährleisten. Das Niveau gibt der Kommandierende, Captain Robert H. Rutherford vor, der sich seiner 24 Kampfeinsätze über dem Irak rühmt – wer mag, kann darüber sogar mit ihm mailen: robert.rutherford@navy.mil.
Mit diesem Projekt ist es der Jenoptik gelungen, in kurzer Zeit zwei Großkunden für militärische Flugsimulatoren zu gewinnen. Kaum beachtet in der üblichen Sommerpause, hatte man sich bereits Ende Juli über einen Auftrag von der Rheinmetall Defence Electronics GmbH, die damals noch als STN ATLAS Elektronik GmbH firmierte, für die Tornado-Flugsimulation gefreut. Die Thüringer installieren eine Kuppel mit einem Durchmesser von über sieben Metern, in der 13 Bildprojektionen zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden und somit eine realistischere Simulation des Geländes möglich ist, als mit herkömmlicher Simulationstechnik. Der Flugsimulator dient der Ausbildung von Piloten und Waffensystemoffizieren der deutschen Luftwaffe und Marine. Damit sei „der Eintritt in den militärischen Markt gelungen“, schwärmte damals der Pressesprecher. Bereits Anfang des Jahres sei eine langfristige Kooperationsvereinbarung für europäische wehrtechnische Flugsimulationsprojekte abgeschlossen worden, bestätigte Jenoptik. Mit der Lieferung der Projektionstechnologie für die F18- und die Tornado-Flugsimulation hat die Jenoptik-Tochter im Markt für militärische Simulationstechnik Fuß gefasst. Ein boomender Markt, wie im Dezemberheft der Fachzeitschrift „Soldat und Technik“ Stefan Eisinger, Sachbearbeiter für Informationsverarbeitung im Luftwaffenamt, erläutert, der über die „weitestgehend verzerrungsfreie und maßstabgetreue Darstellung der Übungsszenarien“ und das „detailgetreue Cockpit mit Rundumsichtsimulation“ schwärmt.
Ebenfalls in „Soldat und Technik“, dem Organ des militärisch-industriellen Komplexes, erfährt man über weitere Rüstungsaktivitäten in Jena, beispielsweise das Marine-Leicht-Geschütz MLG 27, für das ein Vertrag zur Lieferung von 83 Stück an die deutsche Marine (98 Millionen Euro) abgeschlossen wurde. Unterauftragnehmer für die optischen Komponenten ist Zeiss Optronic. Ein weiteres Projekt seien, liest man dort weiter, „Düllsimulatoren, technisch aufwendiger Kriegsspielsysteme, mit denen Soldaten auf gefechtsmässiges Verhalten (d.h. auf Treffen und Töten bei optimalem Eigenschutz) gedrillt werden.“ Diese seien für Handwaffen („AGDUS“) zusammen mit Jenoptik entwickelt worden.
Inzwischen ist auch das in Waltershausen bei Gotha angesiedelte Unternehmen Multicar ins Rüstungsgeschäft eingestiegen und rüstet mit smarten Fahrzeugen für die neuen Kriegsschauplätze aus. Nach Aussagen von Verteidigungs- bzw. Kriegsminister Peter Struck wird Deutschlands Sicherheit am Hindukusch verteidigt. Da wird statt vieler schwerer Panzer eher wendiges Gerät benötigt. Auf dem Fahrgestell des Kleintransporters Fumo stellt die Waltershauser Firma jetzt geländegängige Fahrzeuge für die Bundeswehr her. Das „Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte (ESK-MUNGO)“, gemeinsam mit Krauss-Maffei entwickelt, dort werden die Aufbauten erstellt, ist für zehn Soldaten ausgelegt und für Spezialeinsatzkräfte bestimmt. Acht Mungo wurden als Vorserie gebaut – vier davon sind bereits in Afghanistan, in Kabul, „getestet“ worden. Sie passen in Hubschrauber und können aus der Luft mit einem Fallschirm abgeworfen werden. Geschäftsführer Botschatzki hofft, mit diesem Fahrzeug ein für Multicar völlig neues und großes Absatzfeld aufzutun. Multicar lud sich die Thüringer SPD-Bundestagsabgeordneten ein, wie erst nach dem großen Deal bekannt wurde, um sie bei der Bundeswehrbeschaffung für Multicar statt des Konkurrenzprodukts von DaimlyerCrysler/Rheinmetall zu erwärmen. Es lohnte sich, mit der SPD-Abgeordneten Petra Heß, die einst auf einem SPD-Parteitag mithalf Rudolf Scharping abzuhalftern, jemand im Verteidigungsausschuß sitzt zu haben. Die Kindergärtnerin war bisher nicht durch wehrpolitische Kenntnis aufgefallen, sieht man von ihrer Mitgliedschaft im Feuerwehrverein Crawinkel ab. Auf ihrer Homepage gibt sie sich als Multicar-Lobbyfrau zu erkennen: „Damit die heimische Wirtschaft in noch größerem Umfang an der Mittelvergabe der Bundeswehr partizipieren kann, trete ich für eine stärkere Einbeziehung ostdeutscher Unternehmen bei der Auftragsvergabe der Bundeswehr ein. Möglichkeiten für unsere einheimischen Betriebe sehe ich hier bei der Bereitstellung von Ausrüstungsgegenständen für die Soldaten.“ Ein Foto auf ihrer Homepage zeigt die wehrhafte Sozialdemokratin, die sich inzwischen offenbar eher der Rüstungsindustrie ihres Wahlkreises als dem Erbe des einst von ihr angehimmelten Lafontaines verpflichtet fühlt, im Ausbildungszentrum der Kommandospezialkräfte der Bundeswehr. Also bei der Truppe, die schon vor dem offiziellen Kriegsbeginn für die USA in Afghanistan in geheimer Mission unterwegs war. Am 1. Oktober zeigte Heß bei der Industrie- und Handelskammer Südthüringen in Ilmenau rund 80 Unternehmern, „wie sie sich besser und effizienter um Aufträge der Bundeswehr bewerben können“. Orginalton Heß: „Meine Tätigkeit als Mitglied im Verteidigungssausschuss verstehe ich vor allem auch als Brückenbauer: auch zwischen dem Wirtschaftsunternehmen Bundeswehr und zivilen Unternehmen.“ Mitte Dezember jubilierte MdB Heß, daß die Bundeswehr 388 Mungos in ihrem Wahlkreis für etwa 78 Millionen Euro orderte. Multicar hat 250 Mitarbeiter und mit diesem Auftrag, so der Geschäftsführer, bis 2005 ausgesorgt. 2006 ist dann wieder Bundestagswahl. Insgesamt will die Bundeswehr 900 Transporter anschaffen. Auch Armeen anderer Länder, u.a. die USA, haben bereits Interesse bei Multicar signalisiert.
Das Verteidigungsministerium plant, unter dem Dach der Frauenhofer-Gesellschaft ein Kompetenzzentrum für Wehr- und Sicherheitsforschung zu schaffen; und Wissenschaftsratsvertreter, die diesbezüglich evaluieren, sind überrascht, welche engen Kooperationen mit Hochschulen es bereits gibt.
In Thüringen versuchen die Jenoptik-PR-Strategen für die Allgemeinheit den Rüstungscoup durch kulturelle Wohltaten zu überlagern: Am selben Tag, an dem die USA-Rüstungsprojekte bekannt wurden, ging die Nachricht heraus, daß Jenoptik das Weimarer Nationaltheater beim Bühnenbild mit Lasertechnik unterstützt, wenn sich am 10. April 2004 zum ersten Mal der Vorhang für „Die unendliche Geschichte", die neue Oper des Komponisten Siegfried Matthus nach dem Roman von Michael Ende, hebt.
[Verfasst: 13. Dezember 2003]
"Rendezvous-Sensoren": Vom Eros des Mars
Nicht nur Jenoptik-Sparte Verteidigung & Zivile Systeme beliefert national und international das Militär
[Nachtrag August/September 2010]
Die Jenoptik-Sparte Verteidigung & Zivile Systeme ist seit 45 Jahren bevorzugter Lieferant für Radome militärischer Flugzeuge internationaler Konsortien und Hersteller. Zum Einsatz kommen die Radome im Eurofighter, Tornado, TransAll und Hubschrauber NH90. Der neueste Auftrag mit einem Volumen von mehr als 20 Millionen Euro kam im Rahmen der Eurofighter-Produktion und verlängert damit die Auslastung der Fertigungslinie bis in das Jahr 2014. Umsatzbeiträge aus diesem Auftrag kommen ab 2012. Radome schützen die empfindlichen Instrumente an der Spitze von Flugzeugen. Die Jenoptik-Sparte Verteidigung & Zivile Systeme betreibt eine von zwei Produktionslinien weltweit, auf denen die Radome für den Eurofighter gefertigt und radarelektrisch vermessen werden.
Inklusive des Auftragseingangs für Radome verzeichnete die Jenoptik-Sparte Verteidigung & Zivile Systeme im 2. Quartal 2010 insgesamt einen Auftragseingang von mehr als 70 Mio Euro und damit den höchsten seit neun Quartalen. Wichtige Aufträge erhielt die Sparte darüber hinaus auch für Lageregelungssensoren, die im Weltraum für die Lage- und Umlaufbahnregelung von Satelliten und Sonden eingesetzt werden. Jenoptik ist auf dem Gebiet der Rendezvous- und Dockingsensoren sowie Sternsensoren weltweit führend.
Innerhalb eines ebenfalls im September bekannt gewordenen 17 Millionen Euro-Auftrags liefert Jenoptik der US-Regierung Stromerzeugeraggregate für die das Raketenabwehrsystems "Patriot" (Jenoptik ist seit Jahren Hauptlieferant für Startergeneratoren der Raketenabwehrsysteme) - für ein Land aus dem arabischen Raum, das US-Regierung und Jenoptik nicht nennen wollen. Zuletzt hatten die USA Israel mit Patriot-Abwehrsystemen ausgestattet.
Überhaupt: Laut Bundesamt für Wehrtechnik hat 2009 die Bundeswehr 35 Aufträge (für insgesamt 2,1 Millionen Euro) an Thüringer Unternehmen vergeben. In der Statistik nicht enthalten ist Rüstungsproduktion für das Ausland. Letztes Jahr geriet ein Anlagenbauer aus Immelborn bei Bad Salzungen überregional in die Schlagzeilen: Es hieß, der iranische Geheimdienst nutze Thüringer Know-how zur Entwicklung des persischen Raketenprogramms. Keineswegs geheim wirbt die Firma Barat Ceramics aus Auma bei Triptis auch um deutsche Militärkundschaft: Ein Drittel des Umsatzes macht die Firma mit keramischer Panzerung, die bisher insbesondere dem italienischen und britischen Militär geliefert wird.
Petra Heß und die Spenden der Rüstungslobby
[Nachtrag September 2012]
Am 22. September 2012 berichtete die "Thüringer Allgemeine" über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, Parteispenden seinen von einer Rüstungsfirma zwecks Genehmigung von Waffenlieferungen geflossen - Überschrift: "Verteidigungspolitikerin Heß bat bei Rüstungsfirmen um Spenden / Die Gothaer Politikerin bereut inzwischen, 3000 Euro von Heckler & Koch angenommen zu haben". Ob der Autor des Artikels, Matthias Thüsing, sie auch nach ihrem Verhältnis zur Firma Multicar befragt hat oder noch befragen wird...?
Jenoptik-Sparte Verteidigung & Zivile Systeme erhält Entwicklungsauftrag vom US Marine Corps
[Nachtrag Januar 2013]
"Am Standort Jupiter in Florida wird die Jenoptik ein Beobachtungssystem für die speziellen Anforderungen des United States Marine Corps ... entwickeln. Der Auftragswert liegt bei 1,3 Mio US-Dollar. Das neue Beobachtungssystem wird für eine moderne Ausrüstung der US-Streitkräfte zusammengestellt – dem Common Laser Range Finder Integrated Capability ... Der Auftrag für Jenoptik umfasst zunächst die Entwicklung eines Beobachtungs- und Zielerfassungssystems, das eine Vielzahl einsatzrelevanter Funktionen in einem handgehaltenen System vereint." Dies meldete das Unternehmen in einer Pressemitteilung am 8. Januar 2013.