Mit Knüppeln gegen ''die Perversen''

Schwulenfeindliche Hetze und Gewalt in Polen

Auch in diesem Jahr soll in Warschau wieder die "Gleichheitsparade" der Schwulen und Lesben stattfinden. Wojciech Wierzejski, Vizevorsitzender der Liga der polnischen Familien (LPR), will sie ...

... verbieten lassen. "Die Warschauer Behörden dürfen diese Demonstration nicht erlauben," schrieb er am 11. Mai 2006 in der Tageszeitung Zycie Warszawy. Und rief offen zu Gewaltaktionen gegen Homosexuelle auf: "Falls die Perversen anfangen zu demonstrieren, sollte man sie mit Knüppeln verprügeln." Seit die LPR der Regierung beigetreten ist, sind die homophoben Äußerungen Wierzejskis immer häufiger in den Medien zu vernehmen. So behauptete der Abgeordnete, dass Homosexuelle oft "Kinderschänder oder Geheimdienstagenten" seien. Schon zu kommunistischen Zeiten hätten sie sich als "Spitzel, Zuträger und Denunzianten" hervorgetan. (FAZ, 18.5.06) Diese diskriminierenden Äußerungen sind kein Einzelfall. Im November 2005 ließ der Stadtpräsident von Poznan (deutsch: Posen) einen geplanten Marsch für Gleichberechtigung verbieten. Als die Demo trotzdem stattfand, wurden die Teilnehmer von Skinheads und der rechtsradikalen "Allpolnischen Jugend" angegriffen. "Sie bewarfen die Teilnehmer mit Eiern und Flaschen und riefen Parolen wie ,Schwule ins Gas` und ,Wir machen mit euch, was Hitler mit den Juden gemacht hat`". (ai-journal 05/2006) Die Polizei schritt ein - aber gegen die Teilnehmer des Marsches für Gleichheit. Unterstützt wird die Hetze gegen Lesben und Schwule auch vom polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski (PiS). Der hat die Warschauer Gleichheitsparade in seiner früheren Funktion als Warschauer Stadtpräsident gleich mehrmals verboten. Denn eine solche Demonstration könne bei ungehindertem Verlauf zu "sexuellen Obszönitäten" führen und wegen angekündigter Gegendemonstrationen die "öffentliche Sicherheit" gefährden. Trotzdem demonstrierten Tausende für die Rechte der Homosexuellen.

Aufrufe zum Massenmord an Schwulen bleiben straflos

Der Sender "Radio Maryja" bringt regelmäßig Beiträge, die alles verteufeln, was der national-katholischen Geisteswelt nicht entspricht, also auch Homosexualität. Immer häufiger melden sich hier auch Regierungsmitglieder zu Wort. So wird eine Atmosphäre erzeugt, die Übergriffe gegen Lesben und Schwule zumindest als tolerabel erscheinen lässt. Homophobe Diskriminierungsversuche richten sich auch gegen ein deutsch-polnisches Projekt am Collegium Polonicum in der polnischen Grenzstadt Slubice. Dort wird im Rahmen des deutsch-polnischen Jahres die Ausstellung "Sollen sie uns doch sehen" mit Fotos von gleichgeschlechtlichen Paaren gezeigt. Ein Gastprofessor aus Poznan protestierte gegen die Schau der polnischen Künstlerin Karolina Breguli: Er sei nicht bereit, an einer Universität zu lehren, an der "für Homosexualität geworben" werde. Die Universität Poznan, die das Collegium Polonicum gemeinsam mit der Frankfurter Europa-Universität Viadrina betreibt, wollte daraufhin die Ausstellung abbauen lassen. Die Deutsch-polnische Gesellschaft Brandenburg protestierte; Gesine Schwan, Koordinatorin für die deutsch-polnische Zusammenarbeit und Präsidentin der Viadrina, und die Vizepräsidentin der Frankfurter Uni, Janine Nuyken, intervenierten: Die Ausstellung darf bleiben und ist noch bis zum 30. Juni zu sehen.

Auch "Radio Marija" verteufelt Homosexualität

Unterstützung erhalten die polnischen Homosexuellen auch von anderer Seite. So hat das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo in Berlin den polnischen Innenminister und die polnische Staatsanwalt aufgefordert, Strafanzeigen gegen Wierzejski wegen Anstiftung zu Körperverletzung zu stellen. (www.maneo.de) Die deutsche Presse kommentierte Wierzejskis Aufruf zur Gewalt durchgängig kritisch. Schon bevor dessen Hetzartikel erschien, hatten die Grünen-Bundestagsabgeordneten Claudia Roth und Volker Beck angekündigt, dass sie am 10. Juni wieder an der Gleichheitsparade in Warschau teilnehmen werden. Beck rückte von diesem Vorhaben auch nicht ab, nachdem er selbst Opfer homophober Gewalt geworden war. Am 27. Mai schlugen ihn russische Rechtsextremisten in Moskau während einer Schwulen-Kundgebung blutig. Die Polizei hatte die friedlichen Demonstranten nicht geschützt, sondern den Rechtsextremisten regelrecht ausgeliefert. Von der Solidarität mit den polnischen Homosexuellen zeigt sich Wierzejski allerdings völlig unbeeindruckt. Ihm sei es egal, "ob irgendwelche Politiker aus Schweden und Deutschland" zur Parade nach Warschau reisen werden, heißt es in seinem Beitrag für Zycie Warszawy vom 11. Mai. "Das sind keine ernstzunehmende Politiker, sondern einfach nur Schwule. Wenn die ein paar Mal etwas mit dem Knüppel übergezogen bekommen, werden sie kein zweites Mal kommen. Schwule sind doch schon per Definition Feiglinge." Angela Martin Weitere Informationen unter www.dpg-brandenburg.de aus: ak - analyse & kritik - Zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 507/16.6.2006