Ein Schnäppchen für die Haie

Etwa 5 Millionen Wohnungen sind in Deutschland (noch) nicht direkt dem "freien" Markt unterworfen, sondern gehören kommunal beherrschten Genossenschaften mit 2,7 Millionen Wohnungen.

Auch der Bund und Bundesländer verfügen (noch) über Wohnungsbestände, ebenso die Großkirchen. So hat die NRW-Landesentwicklungs-Gesellschaft mbH (LEG) 106.000 Wohnungen. Auch für die etwa noch 600.000 Werkswohnungen werden vielfach vergleichsweise niedrige Mieten verlangt, selbst wenn die Konzerneigentümer bei ihren sonstigen Geschäften vergleichbare Rücksichten nicht kennen. Gerade deshalb sollen aber die Wohnungen nun verkauft werden; die Kommunen, Kirchen und der Staat verweisen ihrerseits auf die Verschuldung, die sie mithilfe von Wohnungsverkauf mildern könnten.

Die Wohnungen sind für Finanzinvestoren ein begehrtes Objekt. Diese können mit wenig Eigenkapital viel kaufen, weil die Konditionen für Großkredite noch nie so günstig waren wie heute - eine 80%ige Kreditfinanzierung ist die Regel. Schließlich ist die öffentliche Seite wegen ihrer Verschuldung leicht erpressbar bzw. auf schnelle Verkäufe angewiesen, scheinbar. Während die Aufkäufer mit Jahresrenditen von 10-30% rechnen, gehen die Wohnungen zu "Schleuderpreisen" weg.

Die Stadt Köln wollte ihren Haushalt mit dem Verkauf der 42.000 Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaften GAG und Grubo sanieren. Die Bank Oppenheim warnte in ihrem Gutachten vor den "sehr negativen Auswirkungen auf den Kaufpreis", wenn die Stadt den gegenwärtigen Beschäftigten von GAG und Grubo den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen garantiere. Weiter gutachtete die Bank, deren Honorar 3 Millionen Euro betrug, "dass Sozialklauseln für den Erwerber grundsätzlich Beschränkungen der Vermarktungsmöglichkeiten bzw. der operativen und gesellschaftsrechtlichen Handlungsfreiheiten" darstellen.

Der Verkauf in Köln kam glücklicherweise nicht zustande. Aber der Abbau von Arbeitsplätzen und Mieterhöhungen sind aus anderen Verkäufen bekannt. Beim Verkauf der Preussag-Werkswohnungen etwa an den australischen Finanzinvestor Babcock & Brown wurden sogar alle Beschäftigten entlassen, die Verwaltung wurde einem Rechtsanwaltsbüro übergeben.

Die Bank Oppenheim wurde auch in anderen Städten als Berater herangezogen, so in Münster, Offenbach und Bonn. Der Senat von Berlin engagierte Oppenheim für den Verkauf der Wohnungsgesellschaft GSW. In ihrem Gutachten priesen die Berater den Kaufinteressenten die Gewinnaussichten einer privatisierten GSW an, die keine Rücksicht mehr auf soziale Belange und extensive Mieterrechte nehmen müsse. Der Mieterhöhungsspielraum sei enorm. Das GSW-Personal könne um ein Fünftel abgebaut werden. Die Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall kauften schließlich die GSW mit 65.000 Wohnungen für 0,405 Milliarden Euro und haben bereits 200 Beschäftigte "freigesetzt".

Der US-Finanzinvestor Fortress kaufte für 2,1 Milliarden Euro die 82.000 Wohnungen der 1918 gegründeten Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (GAGFAH), die der Bundesanstalt für Angestellte (BfA) gehörte. Auch kleinere Bestände werden zum Einstieg nicht verschmäht: Cerberus kaufte in Berlin auch die Degewo mit 2650 Wohnungen, der texanische Finanzinvestor Lone Star kaufte ebenfalls in Berlin 5500 Plattenbauten. Den größten Kauf realisierte bisher der Finanzinvestor Terra Firma (Citigroup) über ihre Tochter Deutsche Annington Immobilien Gruppe (DAIG) mit den 138.000 Wohnungen der E.on-Tochter Viterra. Der Kaufpreis von 7 Milliarden Euro wurde zu 90% mit Krediten finanziert.

Kämmerer und Finanzminister kommen sich clever vor, weil sie die "innovativen Finanzierungsmöglichkeiten" ergreifen. Aber durch solche "Cleverness" ist inzwischen der Preis tief gesunken: Die Investoren kaufen für bis zu 400 Euro pro Quadratmeter, die Investoren verkaufen die Wohnungen für bis zu 1200 Euro pro Quadratmeter weiter.
Im Endergebnis sinkt das Angebot an billigem Wohnraum, das Mietpreisniveau steigt, langsam und "unmerklich", aber stetig. Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die billige Wohnungen brauchen. In den öffentlichen Haushalten verpuffen die unterwertigen Einmalerlöse - die 2,1 Milliarden für die GAGFAH reicht der Bundesanstalt für Angestellte gerade einmal, um die Renten für dreieinhalb Tage zu bezahlen. Die Gestaltungskraft der öffentlichen Seite schwindet. Der Staat verliert nicht nur Steuern, sondern muss für die Empfänger von Arbeitslosengeld, deren Wohnungskosten er übernimmt, höhere Mieten bezahlen.